Auf den PunktĀ #2: Christina Lux, Musikerin

ā€žMusik machen ist fĆ¼r mich vor allem Begegnung, die kein Netz ersetzen kann.ā€œ

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8. Dezember 2022

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Lesezeit: 5 Minute(n)

Ist die CD in deinen Augen tot und Ć¼berflĆ¼ssige Verschwendung von Rohstoffen, wo man heute doch alles ā€žonlineā€œ bekommt?

Noch ist sie nicht tot, denke ich. Mein Publikum ist eher ab vierzig aufwƤrts, und da wird eine CD durchaus noch geschƤtzt so wie der Kontakt nach dem Konzert mit Autogramm und Widmung. Mein Ć¼ber Jahrzehnte aufgebauter Lauscher:innenkreis hat die Idee des KĆ¼nstlerartenschutzes sehr gut verstanden. Sie verstehen, dass es ein Geben und Nehmen ist. Und das bleibt in meinem Kreis offenbar auch lieber haptisch. FĆ¼r die, die keinen Player mehr haben, gibt es inzwischen auch direkt bei mir einen Download, und das in guter QualitƤt und fĆ¼r eine faire VergĆ¼tung. Wenn online nur bedeutet, dass es umsonst zu bekommen ist, dann ist WertschƤtzung dahin, was traurig ist. Es gibt aber wieder mehr Leute, die Vinyl schƤtzen, auch junge Menschen, aber das ersetzt nicht die fehlenden CD-VerkƤufe. Bei Konzerten oder Ć¼ber den eigenen Shop geht bei mir mehr als Ć¼ber den Vertrieb. Ich hoffe dennoch, dass die CD uns noch ein wenig erhalten bleibt.

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Sind Streamingdienste wie Spotify, Youtube oder Deezer aus deiner Sicht ein willkommenes Marketingtool oder zu verurteilendes Teufelswerk, weil nur die GroƟen verdienen und die Kleinen meist leer ausgehen?

GrundsƤtzlich ist es ein zeitgemƤƟes Tool. Die VergĆ¼tung allerdings ist es nicht. Verhandelt haben das jedoch vor allem einige Majorlabels wie Sony, Universal und Warner, die auch Anteilseigner sind. 2006 wurde Spotify von zwei MilliardƤren gegrĆ¼ndet und wurde MarktfĆ¼hrer, vor allem auch deshalb, weil man Millionen von Songs hƶren kann, ohne auch nur einen Cent dafĆ¼r zu zahlen. Dass so wenig bei den Musiker:innen landet, ist den wenigsten Usern bewusst. Von 300 Millionen Nutzer:innen zahlen nicht einmal die HƤlfte ein Abo bei Spotify. Das mĆ¼sste sich Ƥndern. Es sind nur etwa 0,003 bis 0,007 Euro pro Stream, die im Schnitt bei den KĆ¼nstler:innen landen. Bei tausend Streams also gerade mal 3 Euro. 40 Prozent der Einnahmen aus den Abos gehen an die Labels, etwa 20 Prozent an Musikschaffende. DarĆ¼ber hinaus gibt es das Pro-Rata-System, das nicht nur nach Streams, sondern auch nach Marktanteilen abrechnet. Wer also hohe Streamingzahlen erreicht, bekommt pro Stream mehr ausgeschĆ¼ttet, weil sein Marktanteil mehr Gewicht hat. Im Gegensatz zum User-Centric-Verfahren, bei dem die Abogelder nur an die gehen, die man tatsƤchlich streamt. Letzteres hat sich leider bisher nicht durchgesetzt. Hier ist das alles ganz gut erklƤrt: www.rollingstone.de/spotify-und-co-wie-verdienen-musiker-durch-streaming-2237651. Ich empfehle zudem das Buch Spotify Teardown, um mal einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Denn offenbar hat das alles deutlich weniger mit Musik als mit der Sammlung von wertvollen Daten Ć¼ber uns zu tun. Sowohl in den USA als auch in Frankreich gibt es inzwischen von politischer Seite Druck in Richtung Lizenzen fĆ¼r KĆ¼nstler:innen. NatĆ¼rlich wehren sich Spotify, Amazon und Google. Alles Jammern nĆ¼tzt allerdings nichts. Musiker:innen mĆ¼ssen andere Wege fĆ¼r sich finden, um noch ein Auskommen haben zu kƶnnen.

Welchen Stellenwert haben soziale Netzwerke inzwischen als Kontakt-, Info- und PR-Medium fĆ¼r dich, aber auch aus Sicht der Endverbrauchenden und der Musikschaffenden allgemein?

Sie sind wichtig, aber man darf sie nicht Ć¼berschƤtzen. So ein Like ist schnell gesetzt. Ob der Mensch dann wirklich zum Konzert kommt oder eine CD kauft, weiƟ der groƟe Manitu allein. Schnell gerƤt man in ein ā€žChasing-Likesā€œ-GefĆ¼hl und meint, viele Likes bringen auch wirklich etwas. Am Ende ist mein verlƤsslichster Partner der gute alte Newsletter. Von ein paar Tausend treuen Luxlauscher:innen, die direkt CDs oder Downloads kaufen und vor allem auch zu Konzerten kommen, kann ich leben. Von Millionen vorbeiflitzenden Likes sicher nicht. Es geht um echte Bindung zu meiner Musik und meinen Geschichten. Ohne diese Verbundenheit hƤtte mich die Pandemie zerdrĆ¼ckt. Und auch die letzten Jahre wƤren niemals so stabil geblieben. Facebook macht dann SpaƟ, wenn man einen guten Kreis aufgebaut hat. Dann kann es durchaus auch mal politisch oder philosophisch zur Sache gehen und es kann ein schƶner Austausch mit den Fans entstehen. Musik machen ist fĆ¼r mich so viel mehr als Tƶne oder Worte. Es ist vor allem echte Begegnung, die kein Netz je ersetzen kann. Ich bin sehr dankbar fĆ¼r meine treuen Leute.

Welche Rolle spielt Digitalisierung fĆ¼r dich persƶnlich in der AusĆ¼bung deines Jobs? Hat sie deine Arbeit verƤndert? Werden konventionelle Musikstudios bald Ć¼berflĆ¼ssig? Was ist mit dem klassischen Zusammenspiel einer Band live in einer Aufnahmesituation?

Ich erinnere mich gut an Aufnahmen auf BƤndern zusammen in einem Raum mit der ganzen Band. Das ist eher selten geworden. Man konnte damals nicht so einfach Aufnahmen schneiden, austauschen, versetzen oder gar autotunen. Es musste sitzen. Und es war groƟartig, wenn es dann den Take gab, bei dem alles stimmte. Alles hat Vor- und Nachteile. Auch ich arbeite natĆ¼rlich mit einer Digital Audio Workstation (DAW) und habe die letzten beiden Alben zusammen mit Oliver George grĆ¶ĆŸtenteils im kleinen Luxuriant Studio daheim aufgenommen. Und auch wir haben zusƤtzlich Samples genutzt. Zum Abschluss des Albums waren wir aber dann wieder bei Klaus Genuit in den Hansahaus-Studios Bonn fĆ¼r einige zusƤtzliche Aufnahmen, den Mix und das Mastering. Er ist einfach der GrĆ¶ĆŸte. Und es geht nichts Ć¼ber famos aufgenommene Parts ā€“ Gitarre, Schlagzeug, Stimme. Aber am Ende schau ich, dass ich es mit meinen Mƶglichkeiten so berĆ¼hrend hinbekomme, wie es eben geht. Die Mƶglichkeit, sich Files hin- und herzuschicken, ist natĆ¼rlich toll. So konnten wir auf dem letzten Album Lichtblicke zum Beispiel unseren Freund Soul aus London virtuell einladen, einen Bass einzuspielen, und auch Anne de Wolff aus Hamburg hat fĆ¼r ein wunderbares Streicherarrangemt ihre Aufnahmen geschickt.

Wie beeinflusst Digitalisierung aus deiner Sicht die VerfĆ¼gbarkeit von Tabulaturen, Liedtexten mit Akkorden, Noten und andere Materialien. Sollte alles und jedes jederzeit frei im Internet verfĆ¼gbar sein?

Das Internet hat so viel jederzeit verfĆ¼gbar gemacht, dass einiges an WertschƤtzung fĆ¼r Bilder, Texte und Musik verschwunden ist. Oder eher an dem klaren Empfinden, dass jemand da ein Werk geschaffen hat und dieser Mensch einen Beruf ausĆ¼bt und dafĆ¼r natĆ¼rlich auch vergĆ¼tet werden sollte. Wenn alles frei ist, wird es zu Allgemeingut und lƤsst die Urheber leer ausgehen. Auch fĆ¼r Film, Fotografie oder Kunst gilt das. Dem Beruf des KĆ¼nstlers und der KĆ¼nstlerin haftet immer etwas VertrƤumtes an. Der alte Satz, ā€žDa haben sie aber ein schƶnes Hobby.ā€œ, schwebt immer im Raum. Das wurde mir in der Pandemie sehr deutlich. Ich bin als Musikerin aber eben auch Unternehmerin, und ich habe mir einen Wert erarbeitet, fĆ¼r den ich mich aufrichten muss. Das ist vor allem auch ein innerer Prozess, der bedeutet, sich wirklich auf die FĆ¼ĆŸe zu stellen, das eigene Schaffen als wertvoll anzuerkennen und auch dementsprechend VergĆ¼tung einzufordern. Diesen Appell, es genauso zu machen, mƶchte ich gerne auch an die Kolleg:innen richten. Es ist eben nicht nur ein Traum, sondern ein Beruf von dem wir gern leben.

Wie hat Digitalisierung deine eigene Musikrezeption beeinflusst? Wie hƶrst du heute Musik, wie nimmst du sie wahr und Ć¼ber welche Medien? Welche Streamingdienste bevorzugst du und aus welchen GrĆ¼nden?

Ich lege eher selten eine CD auf. Das sind dann besondere Momente. Beim Streamen habe ich mich fĆ¼r TIDAL entschieden. Hier ist ein Abo Voraussetzung und die AusschĆ¼ttungen sind deutlich besser. Wenn ich reise, bin ich vor allem Radiohƶrerin. Je mehr direkte Downloads bei Apple Music oder wo auch immer, desto besser fĆ¼r die KĆ¼nstler:innen. Bei mir auf der Website geht das ebenfalls direkt und auch in WAV-QualitƤt fĆ¼r Hi-Fi-Freunde. Am Ende kann ich nur jedem empfehlen, bei kleineren KĆ¼nstler:innen mƶglichst den direkten Bestellweg zu gehen und vor allem auch in die Konzerte zu kommen. Musik und Kultur Ć¼berhaupt leben, wie gesagt, von Begegnung, und gewƶhnen wir uns diese ab, dann verƤndern sich Dinge, auch wenn man das nicht sofort spĆ¼rt. Wenn man dann wieder mal rausgeht und beseelt von einem Konzert nach Hause schwebt, weiƟ man wieder, was es war, was da fehlte. Bleibt dran.

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