Auf den PunktĀ #3: Vivien Zeller

ā€žIch finde die Idee seltsam, dass Frauen anders musizieren als MƤnner.ā€œ

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10. Mai 2022

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Lesezeit: 3 Minute(n)

Wie erlebst du Geschlechtergerechtigkeit in deinem Job?

Ā Es ist wohl so, dass mehr MƤnner als Frauen auf der BĆ¼hne stehen. In meinem Umfeld habe ich allerdings mit etwa gleich vielen MƤnnern und Frauen zu tun. Meiner Erfahrung nach werden MƤnner und Frauen allerdings verschieden behandelt. So erlebe ich, dass Frauen ƶfter nach ihrem Aussehen beurteilt oder darauf reduziert werden und weniger die musikalische Leistung angesehen wird. MƤnnliche Veranstalter sprechen meiner Erfahrung nach eher mit den MƤnnern, Veranstalterinnen dagegen sehen auch die Frauen einer Band als VerantwortungstrƤgerinnen an. Bei Kollegen hƤngt es, glaube ich, von der Erfahrung ab. MƤnner, die lange nur mit MƤnnern gespielt haben, erlebe ich in der Zusammenarbeit ƶfter vorurteilsbehafteter und angespannter als MƤnner, die ƶfter mit Frauen arbeiten. Im Allgemeinen erlebe ich, dass Frauen als schƶn, weich und anschmiegsam schnell akzeptiert sind, aber nicht, wenn sie als selbststƤndige Wesen mit eigenen Ideen kritisch und selbstbewusst auftreten.

Ā Was mĆ¼sste sich fĆ¼r Frauen im Musikbusiness Ƥndern?

Ā Dass es selbstverstƤndlich ist, dass Frauen als Musikerinnen arbeiten ā€“ aber das gilt fĆ¼r viele Berufe. Das Frauenbild an sich ist ƤnderungswĆ¼rdig. Man sollte sich gar nicht eigens mit dem Thema auseinandersetzen mĆ¼ssen. Wenn MƤnner die Herausforderung annehmen wĆ¼rden, sich mit selbstbestimmten Frauen zu konfrontieren und auseinanderzusetzen, dann wĆ¼rde die Musiklandschaft wesentlich spannender aussehen.

Ā (Wie) prƤgt deine IdentitƤt als Frau deine Arbeit, deine Musik ā€“ spielt dein Frausein hier Ć¼berhaupt eine Rolle?

Ā Das ist eine Frage, die irgendwie nur Frauen gestellt bekommen. Warum eigentlich? Die Frage impliziert schon, dass Frauen anders musizieren als MƤnner. Ich finde diese Idee seltsam. Ob ich jetzt Eierstƶcke habe oder Samenleiter ā€¦ ā€“ was hat das mit meiner Geige zu tun? Wie prƤgt denn dein Mannsein deine Arbeit? Jeder SƤnger und jede SƤngerin sucht Musik oder Texte heraus, die ihm/ihr entsprechen. Ich auch, ich suche nach Volksliedtexten, die mich persƶnlich ansprechen. Das sind Texte Ć¼ber die Erlebnisse von Frauen und MƤnnern. Darin dĆ¼rfen beide Geschlechter kraftvoll oder schwach sein ā€“ also RealitƤt abbilden. Was ich erstaunlich finde ist, dass Frauen, die unter anderem Lieder Ć¼ber selbstbestimmte Frauen singen, per se als Feministinnen bezeichnet werden, MƤnner, die Lieder Ć¼ber starke MƤnner singen, aber nicht als Chauvinisten, sondern einfach als Musiker. Da sehe ich keine Gleichbehandlung.

Ā Erlebst du chauvinistisches Verhalten im Alltag anders/hƤufiger/weniger hƤufig als in der Musik? Womit hƤngt das deiner Meinung nach zusammen?

Ā Ich erlebe, ehrlich gesagt, nur ganz selten chauvinistisches Verhalten. Das mag daran liegen, dass ich meine gleichberechtigte Stellung nie in Frage gestellt habe. Vielleicht, weil ich in der DDR groƟ geworden bin. Ich verstehe daher chauvinistisches Verhalten oft gar nicht als solches, sondern einfach als generell unfreundlich oder seltsam. Ich komme gar nicht auf die Idee, dass mich jemand wegen meines Geschlechts als nicht gleichberechtigt ansehen kƶnnte, und da ich mich nicht in Frage stelle, kann das auch sonst keiner tun.

Ā Wie lieƟen sich Frauen und MƤnner fĆ¼r dich sprachlich formal am besten berĆ¼cksichtigen ā€“ ā€žMusikerInnenā€œ, ā€žMusiker*innenā€œ ā€¦?

Ā Ich kann verstehen, dass es manchen Menschen wichtig ist zu gendern, auch wenn es mir vor allem auf die Intention der Sprecher ankommt und nicht so sehr auf den formalen Sprachgebrauch. Man kann auch gerade durch das Gendern Menschen abwerten. Die Art und Weise, wie gegendert wird, ist mir egal.

Ā Wie sieht es generell mit der Vereinbarung von Familie und Beruf, dem FĆ¼hren von Verhandlungen und konkreten (anderen) Erfahrungen aus?

Ā Der Beruf Musiker ist sozial schwierig. Man arbeitet am Wochenende und abends, also dann, wenn Freunde oder Familienmitglieder im Allgemeinen frei haben. Da Musik eine emotionale Sache ist, hat man mit den Kollegen oft eine relativ enge Verbindung. Das trifft fĆ¼r Frauen und MƤnner gleichermaƟen zu. FĆ¼r den Partner, die Partnerin ist das manchmal schwierig, da braucht es viel VerstƤndnis. Bei der Kinderplanung stehen Musikerinnen genau wie alle Freiberuflerinnen leider immer noch schlechter da als die MƤnner. Es gƤbe genau wie in jedem anderen Beruf auch hier die Mƶglichkeit, die Elternzeit aufzuteilen, damit die Mutter nicht ein ganzes Jahr oder lƤnger ausfƤllt. Bei freiberuflichen Musikerinnen ist das deshalb ein Problem, weil ihr Platz neu besetzt wird, damit die Band weiterspielen kann, und es zusƤtzlich schwer ist, nach einer langen Pause wieder ins GeschƤft zu kommen, neue Projekte aufzubauen etc. Ganz allgemein fƤnde ich eine Musikergewerkschaft sinnvoll.

Ā vivienzeller.de

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