Sturm & Klang

Hafen für Liedrebellen

27. Juli 2022

Lesezeit: 4 Minute(n)

Ob die Vivid Curls, Dominik Plangger, Sarah Straub, Prinzessin & Rebell oder Pablo Miró – alle diese Liedermacherinnen und -macher fanden schon Erwähnung im folker. Sie alle eint noch eine weitere Gemeinsamkeit: Sie werden bei Sturm & Klang verlegt. Und damit steht fest, dass sie etwas zu sagen haben, wenn sie singen. Denn das ist auch das Credo des Gründers dieses Musikverlags und Labels, Konstantin Wecker, der mit dessen Namensgebung auch seine Freude an der Literatur unterstreicht.
Text: Imke Staats

Entsprechend der Eigenschaft der Dichter des Sturm und Drang, jener literarischen Strömung innerhalb der Epoche der Aufklärung, sich entschlossen und unbedingt auszudrücken sowie gegen überkommene Statuten zu revoltieren, sang Konstantin Wecker bereits in den 1970er-Jahren „Ich singe, weil ich ein Lied hab.“ Dieser Leitsatz treibt den mittlerweile 74-Jährigen nach wie vor an und kann im Großen und Ganzen auch als das Anliegen der auf dem Label versammelten Künstlerinnen und Künstler verstanden werden. Statt „Lalala“ und „Blabla“ findet sich hier Aussage, zumeist in deutscher Sprache – und das, was es zu sagen gibt, strebt häufig nach Veränderung. Diese Haltung ist sozusagen Voraussetzung: Wecker möchte Kunstschaffende unterstützen, die gewissermaßen „bereit zur Revolution“ sind.

Dennoch braucht niemand zu fürchten, durch die Unterschrift unter dem Plattenvertrag zur Teilnahme an einem Umsturz verpflichtet zu werden. Der Musiker, Autor, Schauspieler, Aktivist und Labelbetreiber Konstantin Wecker ist nicht nur ambitionierter Antifaschist und engagiert für ein ethisches Wirtschaften, er ist auch seit Langem in der Friedensbewegung aktiv. Und verfolgt damit hehre Ziele, die in dieser Welt vielfach noch nicht erreicht sind, und mit denen sich auch die Menschen, die bei seinem Label veröffentlichen, identifizieren können sollten. Verständlich. Gut klingen sollte es dazu auch. Denn nicht nur Sturm, auch Klang ist gefragt.

Diese Kriterien erfüllen ziemlich viele der Labelkünstler- und -künstlerinnen und beweisen damit das Gegenteil der Unkenrufe, dass die Liedermacherei tot sei. Für weitere Projekte aus Weckers Umfeld, die nicht in die Sparte „Lied“ passen, wurde das Schwesterlabel Laut & Luise entwickelt. Der Name ist ebenfalls eine Literaturanspielung und wurde einem Gedichtband von Ernst Jandl aus dem Jahr 1966 entlehnt. Hier kommen Veröffentlichungen zum Tragen, die nicht unter das Dach von Sturm & Klang passen wie zum Beispiel Hörbücher oder Film- und Bühnenmusiken Konstantin Weckers, in der Vergangenheit aber auch schon Aufnahmen von (Musik-)Kabarettisten wie Sauglockenläutn oder Moses Wolff. Der allererste Wurf hier war 2007 das Hörbuch zu Weckers musikalisch-literarischem Streifzug Ich gestatte mir Revolte.

Nicht nur Sturm, auch Klang ist gefragt.

Die Idee der Gründung eines eigenen Labels ging um die Jahrtausendwende zurück auf eine zwischenzeitliche Zusammenarbeit mit den legendären Pläne Records, der aus einer Zeitschrift der Bündischen Jugend hervorgegangenen Plattenfirma für politisches Lied und gegen Faschismus. Bei dem kleinen Dortmunder Betrieb erschienen seit den Sechzigern Werke von Künstlerinnen und Künstlern wie Dieter Süverkrüp, Zupfgeigenhansel, Lydie Auvray oder Hannes Wader. Mit Letzterem veröffentlichte Wecker 2001 auf Pläne das Livealbum Wecker, Wader, als legendär gilt zudem der Mitschnitt eines Konzerts dieser beiden mit dem dritten großen deutschen Liederbarden, Reinhard Mey. Als Mey-Wader-Wecker 2003 als Album in die Läden kam, war die Idee zu Sturm & Klang bereits gereift und dokumentierte sich im Verweis auf den Namen des zukünftigen Labels auf der Rückseite dieser Pläne-Veröffentlichung. Seit 2008 mit Zugaben – live erscheinen schließlich alle Produktionen Konstantin Weckers als Liedermacher unter dem Dach des neu gegründeten Unternehmens.
2013 öffnete sich das Label für weitere Musiker und Musikerinnen. Waren es am Anfang Menschen aus dem direkten Umfeld Weckers oder Leute, mit denen er auf der Bühne gestanden hatte, kamen die Anfragen schon bald „von selbst“. Inzwischen gibt es auf der Website ein eigenes Formular für Bewerbungen, die dann bei Mitarbeiter Alexander Kinsky landen. Zu den Ersten, deren Alben bei Sturm & Klang herauskamen, gehörten der Südtiroler Dominik Plangger, die ehemalige Straßenmusikerin Cynthia Nikschas, der Kabarettist und Liedermacher Florian Kirner alias Prinz Chaos II. sowie der Deutschschweizer Singer/Songwriter Roger Stein. Entschieden, was passt, wird gemeinsam im Team. Im gesamten deutschsprachigen Raum hat Sturm & Klang sich inzwischen einen Ruf erworben – Bewerbungen kommen etwa auch aus Österreich und der Schweiz, mit dem Pop- und Jazzmusiker Andy Houscheid hat man einen Deutschbelgier unter Vertrag. Fans sind laut Aussage der Verantwortlichen über die ganze Welt verteilt.
Die Belegschaft im nahe dem Englischen Garten in der Münchner Dietlindenstraße verorteten Geschäftshaus schafft das Programm von Auswahl über Produktion bis zur Vermarktung mit insgesamt sieben festen und freien Mitarbeitern. Die Labelleitung hat Michael Schurr inne, unterstützt von seiner Kollegin Teresa Anneser. Mit dem Ausbruch der Coronapandemie reduzierten sich allerdings die Möglichkeiten für das Team, da die bei Liveauftritten entstehenden Kontakte ausblieben und die Einnahmen aus dem Merchandising vor Ort wegbrachen. Aspekte, die sich existenzbedrohend auswirken können. Bei Sturm & Klang warf man jedoch die Flinte nicht ins Korn und machte weiter. Es wurde vor allem mit dem Stamm der vorhandenen Künstlerinnen und Künstler gearbeitet. Inzwischen gibt es auch wieder Tourneen. So ist beispielsweise Lucy van Kuhl seit Ende Oktober mit ihrer Mischung aus Klavierkabarett und Chansons unterwegs. Labelinitiator Konstantin Wecker hat zudem mit Utopia unlängst sein 26. Studioalbum in die erwartungsvolle Welt segeln lassen (siehe auch Besprechung in den „Rezensionen“ dieser Ausgabe), selbstverständlich unter der Flagge von Sturm & Klang. Die dazugehörige Tour läuft seit Oktober.

sturm-und-klang.de

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Tourdaten genannter Acts siehe folkerkalender.de.

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