Über Nashville hinaus

Lyle Lovett, 12th Of June (Verve/Universal)

31. August 2022

Lesezeit: 2 Minute(n)

12th Of June ist Lyle Lovetts zwölftes Studioalbum in einer Schallplattenkarriere, die sich inzwischen über 36 Jahre spannt. Was nur unterstreicht: Der Singer/Songwriter ist kein Vielschreiber. Der vierfache Grammy-Gewinner arbeitet lange an einem neuen Song, lässt sich Zeit mit seinen Plattenproduktionen, probiert die Titel zuvor ausgiebig bei Konzertauftritten aus, um sie gegebenenfalls noch einmal zu überarbeiten. Die meisten Stücke des neuen Albums hatte seine Band seit längerem im Repertoire, was man der Einspielung anmerkt. Lässig und entspannt klingen die Aufnahmen, die ausnahmslos „live“ im Studio eingespielt wurden.

Die Titelfolge des Albums folgt der Dramaturgie einer Vaudeville-Show. Als Intro spielt die Band eine rasant-swingende Instrumentalnummer – „Cookin’ at the Continental“ von Horace Silver –, bevor der Sänger die Bühne betritt und sich in den ersten Song stürzt, eine fetzige Nummer namens „Pants Is Overrated“ mit mächtigem Bläsersatz und erdigem Groove. Danach wird die Dynamik runtergefahren. Es folgt ein Swingstück von Nat King Cole, dem sich ein weiterer Klassiker anschließt, eine Nachtclubballade aus den 1920er-Jahren. Diesen Song singt Lyle Lovett im Duett mit der schwarzen Bluessängerin Francine Reed – schummrig-schön inszeniert mit Klavierspiel wie aus der Cocktailbar und einem röchelnden Saxofon.

Lovett erweist sich einmal mehr als vokaler Tausendsassa, der in nahezu jedem erdenklichen Genre amerikanischer Rootsmusik zu Hause ist: Ob Country, Southern Soul, New Orleans Funk, Gospel, Swing oder Blues – Lovett meistert sie alle. Wegen seiner Ohrwurmqualität ragt der Titelsong „12th Of June“ heraus, eine Dankbarkeitshymne an das Leben, die Lyle Lovett mit gebührendem Pathos intoniert und mit der er ganz ungeschützt den Tag feiert, an dem 2017 seine Zwillingskinder zur Welt kamen. Wie in der Countrymusik üblich, geht Lovett großen Gefühlen nicht aus dem Weg, im Gegenteil: Er zelebriert sie geradezu.

Christoph Wagner

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