Die Grande Dame in Abidjan – Oder: Weitergabe von Generation zu Generation?

Angélique Kidjo auf dem 17. Festival des Musiques Urbaines d’Anoumabo / Institut national de la jeunesse et des sports, Abidjan, Elfenbeinküste, 18.4.2025

3. Juli 2025

Lesezeit: 4 Minute(n)

„Afrika eh …“ Schon beim zweiten Song ihres Auftritts in Abidjan singt das Publikum mit. „We Are Africa“, ruft die Grande Dame des musikalischen afrikanischen Kontinents der Jugend der Elfenbeinküste zu. Sie ist mit fünf Grammys die meistprämierte afrikanische Musikerin, zahlreiche andere Preise und fünf Ehrendoktortitel reihen sich in ihre Erfolgsbilanz. „Ich schaue nicht gerne auf die Vergangenheit“, sagt die bald 65-jährige Künstlerin im Interview. „Ich verleugne nichts, was ich getan habe, bedaure kein Album und keinen einzigen Song.“ Sie habe immer noch Lust, jedes einzelne Lied zu singen.

Text: Martina Zimmermann

Das hört man im Programm. Angélique Kidjo singt ein Potpourri ihrer größten Hits, und hat damit die Kids und Jugendlichen in wenigen Minuten voll im Griff, ob sie zum Mitsingen oder zum Tanzen aufruft. Tausende, vielleicht Zehntausende singen aus vollem Hals mit, als sie mit ihrer gewaltigen, glockenhellen Stimme den Song „Malaika“ von Miriam Makeba anstimmt. Die südafrikanische Legende ist ihr großes Vorbild. Diese starb am 10. November 2008 auf der Bühne während eines Konzerts in Castel Volturno in Italien. „Solange ich singen kann, singe ich“, sagt auch Kidjo und fügt hinzu: „Ich möchte in Gnade altern – wie meine Mutter.“

Mit ihrer Mutter begann die kleine Angélique im Alter von sechs Jahren ihre Bühnenkarriere in deren Theatergruppe. Ihre Mutter starb kurz vor ihrem 95. Geburtstag, „ohne eine Falte. So möchte ich es auch.“ Auch Mama Kidjo tanzte von Kindheit an in einer traditionellen Tanztruppe. Die Familie stammt aus Benin. 1983 kam Angélique Kidjo nach Paris, heute lebt sie zwischen New York und der französischen Hauptstadt.

Angélique Kidjo

Foto: Tidiane Traore

Ihre Energie auf der Bühne ist so legendär wie beeindruckend. Bei jedem Konzert scheint sie diese an das Publikum weiterzugeben. In Abidjan müssen die Ordner beruhigend einschreiten, als auch die hinteren Reihen meterhoch hüpfen. „Ich wurde mit der Energie meiner Mutter genährt“, erklärt Kidjo ihren Tonus, die Spannkraft ihrer Muskulatur. „Bis heute frage ich mich, wie sie es geschafft hat, zehn Kinder aufzuziehen: Uns fehlte es an nichts.“

Das Orchester spielt einen Groove aus Pop, Afro, Funk und Jazz. Mit dem hervorragenden Bassgitarristen Rody Cereyon von der französischen Karibikinsel Martinique, dem Karibikfranzosen Thierry Vaton am Synthesizer, dem Kubaner Abraham Mansfarroll an der Percussion und dem französischen Schlagzeuger Grégory Louis hat die Band eine sehr rhythmische Besetzung. „Rhythmen sind da, damit wir sie nutzen“, analysiert Angélique Kidjo und ergänzt bescheiden: „Ich habe genommen, was meine Vorfahren hinterlassen haben. Ich weiß, wo ich herkomme, aber nicht, wo ich hingehe.“ Diese musikalische Offenheit zeigt sich in ihren zahlreichen Zusammenarbeiten.

Die Liste ist enorm, reicht von Rockstars wie Carlos Santana und Sting über Jazzlegenden wie Herbie Hancock und Hugh Masekela bis zu Ziggy Marley, Gilberto Gil oder dem Philharmonischen Orchester von Luxemburg, mit dem sie für das Album Sings 2016 einen Grammy als „Bestes Weltmusikalbum“ erhielt, ihren dritten zu dem Zeitpunkt. Celia als Hommage an Salsalegende Celia Cruz wurde nicht nur mit dem Remix von „La Vida Es Un Carnaval“ zum Lieblingssong von Barack Obama, Kidjo bekam für das Album 2019 ihren dann vierten Grammy.

Immer in Bewegung – Angélique Kidjo

Foto: Martina Zimmermann

Auch mit der jungen Generation afrikanischer Topstars hat die Sängerin gearbeitet, unter vielen anderen mit Burna Boy oder Yemi Alade aus Nigeria. Für Mother Nature mit diesen jungen Afrobeat-Stars erhielt sie 2022 den fünften Grammy.

Einer der Höhepunkte ihres Konzerts auf dem 17. Festival des Musiques Urbaines d’Anoumabo (FEMUA) sind die Duette mit der ivorischen Diva Roselyne Layo. Die panafrikanische Legende und der Star von der Elfenbeinküste singen den gemeinsame Song „On Sera Là“, eine Art weibliche Absichtserklärung, seine Zeit nicht mehr mit Menschen zu verschwenden, die einen ausnutzen. Angélique Kidjo ist auch UNICEF-Botschafterin des guten Willens und engagiert sich für Frauen-, Menschen- und Kinderrechte. „Ich bin eine Frau in einer Männerwelt“, sagt sie im Interview zur Erklärung.

Nach einem triumphalen „Pata Pata“ von Miriam Makeba zum Abschluss des Konzertes kommt der Organisator des Festivals, Salif „A’Salfo“ Traoré, auf die Bühne und bedankt sich voller Stolz. Der Sprecher der ivorischen Band Magic System, die das Festival in ihrem Geburtsviertel in Abidjan veranstaltet, freut sich über die Präsenz der Legende. „Es geht bei FEMUA auch um die Weitergabe zwischen den Generationen“, sagt er. So seien auch in diesem Jahr im Programm mehrere Generationen und Musikstile. „Ich bin froh, Angélique Kidjo hier zu haben“, gesteht der erfolgreiche 45-jährige Sänger, Komponist und UNESCO-Botschafter des guten Willens. Die Musikerin habe ihre Karriere lange vor den Hits von Magic System begonnen. „Als Angélique Kidjo ihre Karriere begann, war ich wahrscheinlich noch in der Schule!“

Junges Publikum beim Konzert von Angélique Kido

Foto: Martina Zimmermann

Das diesjährige Publikum in Abidjan war wohl noch gar nicht geboren, als Kidjo 1991 ihr erstes Album zwischen Miami und Paris aufnahm, mit Branford Marsalis und Manu Dibango an den Saxofonen. Logozo war laut Hitliste des amerikanischen Billboard-Magazins ein Verkaufsschlager der Weltmusik. „Alles hat sich geändert, alles geht heute sehr schnell“, sagt Angélique Kidjo im Interview. „Gut daran ist, dass wir viel einfacher Kontakt aufnehmen und kollaborieren können.“ Als verantwortungsbewusste Künstlerin warnt sie aber gleich vor den auch negativen Effekten. Technologie bekämpfe den menschlichen Geist. „Wir sind keine Roboter, sondern Wesen mit Gefühlen.“

„Es schmeichelt mir, wenn man mich Grande Dame nennt“, sagt die Musikerin und fügt bescheiden hinzu: „Aber ich bin immer noch auf der Suche.“ Ihre größte Freude gilt dem Erfolg des afrikanischen „Nachwuchses“. Sie sage seit Langem: „An dem Tag, an dem diese jungen Künstlerinnen und Künstler auf die Bühnen der Welt steigen, wird sie nichts mehr aufhalten.“ Das passiere derzeit. Das gilt weiterhin auch für Angélique Kidjo.

www.kidjo.com

www.femua.com

Angélique Kidjo im Duett mit Roselyne Layo

Foto: Tidiane Traore

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