Tønder Festival

Folk Spot Denmark, Tønder, Dänemark, 26.-27.8.2022

29. September 2022

Lesezeit: 3 Minute(n)

Eigentlich war alles wieder wie immer. Tønder war ausverkauft, die großen Zelte und die intimeren Spielorte wie das Pumpehuset waren gut bis sehr gut besucht, die „Hauptstraße“ des nunmehr bargeldlosen Festivals bot Essen und Trinken en masse, und selbst die scheinbar immer gut gelaunte Toilettenbrigade mit den weißen Kitteln war wieder unterwegs.

Text: Mike Kamp; Fotos: Bart Vanoutrieve

Natürlich beherbergte das Tønder Festival auch erneut den Folk Spot Denmark, den Showcase hauptsächlich dänischer Bands, die vor rund vierzig internationalen Fachleuten und dem Tønder-Publikum im Zelt Klubscenen aufspielten. Einzig Kajsa Balto war aus Norwegen zu Gast und präsentierte ihren bereits aus Rudolstadt bekannten ungemein kraftvollen bis zärtlich flüsternden Sámi-Folkrock. Die Zuschauerinnen und Zuschauer forderten begeistert Zugabe, die sie natürlich nicht bekamen. Showcases sind nun mal ganz akkurat auf eine halbe Stunde begrenzt.

Ein weiterer Höhepunkt war das zehnköpfige, paritätisch besetzte Tone of Voice Orchestra. Vier weibliche Powerstimmen und eine sechsköpfige, höchst professionelle Band mit eigenwilliger Besetzung (zum Beispiel zweimal Percussion plus Drehleier) bedienen sich wunderbar schamlos der Musik aus aller Welt. Es war klar hörbar, dass dies ein Resultat der Präzision und Abenteuerlust von Jazzmusikern und -musikerinnen war, was der Folkkompatibilität aber keinerlei Abbruch tat. Extrem tanzbar!

Apropos, dänische Tanzmusik wurde auch geboten. Zum einen durch das Duo Jørgensen & Sørensen featuring Kristian Bugge – zweimal Fiddle und einmal Piano, virtuos, rhythmussicher und mit viel Spaß an der Musik – und zum anderen durch die fünf Fionia Folk Bothers von der Insel Fünen – traditionelle dänische Tanzmusik in höchster Vollendung, geführt von zwei Geigen, sehr präzise gespielt, egal ob Walzer oder Polska –, und da wurde dann folgerichtig auch tatsächlich getanzt.

Musikalische Vorbilder zu haben ist völlig normal und im positiven Falle verarbeitet ein Musiker, eine Musikerin diese Einflüsse und macht sie zu etwas Eigenem. Unter dieser Prämisse war Copenhagen Slim eine Enttäuschung. Der junge Mann aus der Landeshauptstadt folgt den alten Bluesgrößen mit Steel Body Dobro und Mundharmonika, und zu hören war zu viel Kopie und zu wenig Original. Das wird Bluesenthusiasten wahrscheinlich weniger gestört haben als die nervende Bassdrum, die ausgerechnet während CPH Slims Auftritt Soundcheck auf der Hauptbühne machen musste.

Man kann auch Neues ausprobieren, ohne gleich eine Revolution loszutreten, und genau das machte das Duo Barani. Der Akkordeonist Anders Ringgaard und die Cellistin Maja Freese fanden in dieser relativ seltenen Instrumentenkombination zusammen – und es passt! Selbstverständlich handelt es sich hier um zwei erfahrenen Musiker, Vesselil und Basco sind nur zwei der Bands, in denen sie separat wirken. Schöne Melodien und Lieder hatten sie ausgesucht, und ihre Stimmen harmonierten wunderbar. Ein überzeugendes Duo gerade für die etwas kleineren, intimeren Bühnen.

Genau da gehören auch Grabow & Guldhammer hin. Die beiden Damen haben sich ein durchaus interessantes Konzept ausgedacht: Sie präsentieren Auszüge aus traditionellen Balladen, was Sinn macht, weil die Originalwerke meist eine epische Länge haben. Aber irgendwie kam die Musik nicht so rüber, wie das hätte sein sollen. Das kann definitiv nicht am Können von Grabow & Guldhammer gelegen haben. Ihre leise Musik baut auf den Stimmen der beiden auf, und singen können sie sehr wohl. Es war wohl eher eine Mischung aus einem noch nicht völlig ausgereiften Konzept und dem „falschen“ Auftrittsort, denn in dem zirkuszeltartigen Klubscenen verpufften die zarten Ansätze ziemlich unbarmherzig.

Der Start des ganzen Folk Spot war jedoch ein ziemlich außergewöhnlicher. Da kam ein junger Mann namens Mathæus Bech auf die Bühne und bearbeitete den Kontrabass erst sanft und dann immer furioser. Schließlich kamen von links und rechts Gitarre (Sebastian Bloch), Waldzither (Villads Hoffmann) und Geige (Henriette Ambæk Flach) hinzu, und das Quartett musizierte mit viel Energie, Einfühlungsvermögen und einer Selbstverständlichkeit, die Überraschungen jederzeit möglich macht. Erstaunlich: Das noch namenslose Quartett war nicht nur zehn Tage vor dem Konzert nachnominiert worden, es war auch gleichzeitig der erste öffentliche Auftritt in dieser Besetzung. Hier schlummert endloses Potenzial!

Erneut bewies der Dänemark-Showcase des Festivals, dass in der dänischen Folkszene eine ungeheure Kreativität steckt. Ähnlich wie zum Beispiel in der schottischen Szene finden sich die Musikschaffenden in unterschiedlichen Kombinationen zusammen, und dann kommt plötzlich eine Formation auf die Bühne, von der man noch nie etwas gehört hat, und bietet Erstaunliches. Beneidenswertes Dänemark!

www.tf.dk/de

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