Bernie war für mich eine Schlüsselfigur und extrem prägend für meinen musikalischen Werdegang. Als ich 1977 das erste Album seiner Bernies Autobahn Band hörte, wusste ich erst mal nicht, wie mir geschah. Da war dieser komische Bandname, der eine Truckerband vermuten ließ. Aber dagegen stand der groovige Folksound mit diesen sensationellen eigenen Texten und fünf Typen, die so gar nichts mit der amerikanischen Truckerromantik zu tun hatten. Fünf Hippies, die auf ihren akustischen Instrumenten mehr Druck draufhatten als die meisten Rock-’n’-Roll-Kapellen in meiner Umgebung. Klar gab es davor schon Udo Lindenberg, der sprachlich neue Horizonte aufgemacht hatte, aber die Musik konnte leider nicht mit meinen musikalischen Vorbildern mithalten. Es wirkte immer etwas zu sehr bemüht und verlor sich in der großen Rock-’n’-Roll-Inszenierung. Bernies Autobahn Band hingegen war einfach da und spielte! In Kneipen, in Clubs, auf Festivals, bei irgendwelchen Demos. Jeden Monat zwanzig bis dreißig Gigs! Während bei den Festivals die coolen Rock-’n’-Roller noch ihr massives Equipment in ihren Bussen verstauten, waren unsere Folkies schon mit den Mädels, dem ganzen Bier und den anderen Drogen im Partymodus. Das war damals für mich die Erleuchtung beziehungsweise erstmalig erlebte Diskrepanz zwischen Sein und Schein.
Auch mein Fansein wurde nicht hochnäsig angenommen, sondern nach dem Motto: Du findest das gut, dann bist du einer von uns. Schnell lief man sich öfter über den Weg, und ich fing auch an, meine ersten Songs zu schreiben. Ich spielte sie Bernie vor, er gab mir Ratschläge, und irgendwann hatte ich einen Song, den er nun wieder so gut fand, dass er ihn mit seiner Band machen wollte. Das war für mich quasi der Ritterschlag. Von da an entwickelte sich eine rege Zusammenarbeit. Ich spielte bei einigen Produktionen mit, die immer sehr chaotisch abliefen, da Bernie und seine Jungs das Straßenpartyleben auch im Studio nicht ablegten.
Bernie schrieb auch nach dem Ende der Band Ende der Achtziger fast täglich einen Song. Ich glaube, das Schreiben war über viele Jahre wirklich sein Lebenselixier. Er konnte in einer sehr ungekünstelten, leichten Art und Weise über Alltägliches schreiben wie kein anderer. Die Zeilen „Der Henkel riss ab, alles fiel auf den Boden – Kartoffeln, Tomaten und Paprikaschoten.“ aus dem Song „Tage wie dieser“ sind ein perfektes Beispiel. Eine Liebesgeschichte, die so nah am Zuhörer, der Zuhörerin ist und auch nach über vierzig Jahren immer noch so klingt, als wäre sie gerade gestern geschrieben worden.
Darüber hinaus war er ein Meister darin, die Worte rhythmisch so passend zu setzen, dass es schon beim Lesen swingte. Es waren für mich immer absolute Höhepunkte, zu Bernie zu fahren und mit ihm – oder auch im Trio mit unserem Freund Danny Dziuk – Geschichten zu spinnen und sich diebisch daran zu erfreuen, ohne irgendwelche kommerziellen Gedanken dabei zu haben. Ob es Geschichten über den Kühlschrank, Wellness Werner oder Willie und Gerd waren. Wir kamen teilweise stundenlang aus dem Lachen nicht mehr raus. Ganz egal, ob am Ende ein fertiger Song dabei rauskam oder wir nur Spaß an den Fragmenten hatten. Für Bernie war der Weg das Ziel.
Er war keiner für die große Bühne, die wirksame Inszenierung. Er liebte es, mit Freunden zusammen zu musizieren oder Musik zu hören und neue Songs entstehen zu lassen. Er arbeitete gerne im Garten, hatte Freude am Kochen, versorgte die Familie und war Fan von Alemannia Aachen. Er engagierte sich in seinem kleinen Dorf bei Würzburg und ließ so gar nicht den großen Künstler raushängen. Aber genau das war er, ein großer Künstler! Der es nicht nötig hatte, das an die große Glocke zu hängen. „Ich sah die Würfel fallen, / Es war ein Sechserpasch. / Ich ließ die Korken knallen, / Ich ließ die Puppen tanzen / Und merkte im Nu, / Wer mir fehlte, wer mir fehlte warst du.“ Aus Bernies Song „Wer mir fehlte“. Ruhe in Frieden!
Stefan Stoppok, November 2021
Foto: Ingo Nordhofen
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