Fotobericht vom 4. DeutschFolk-Festival

Dinker und Umgebung, 20.-22.9.2024

12. Dezember 2024

Lesezeit: 2 Minute(n)

Text: und Fotos: Michael A. Schmiedel

Das Mekka der Dahlhoff-Fans ist diese Kirche in Dinker, in welcher die Familie Dahlhoff im 18. Jahrhundert die Küster stellte. Heute noch ein kleines Dorf, lag Dinker damals an einer wichtigen Handelsstraße, über die auch viele Musikanten reisten, deren Musik die Dahlhoffs sammelten. Auf diesem vierten DeutschFolk-Festival der DeutschFolk-Initiative von Profolk spielte diese Sammlung keine geringe Rolle.

„Dinker und Umgebung“ meint, dass das Festival auf drei Veranstaltungsorte verteilt war: Dinker, das drei Kilometer südlich gelegene Welver (zu dem Dinker gehört) und das drei Kilometer westlich gelegene Norddinker (das zu Hamm gehört). Die vielen Autofahrten zwischen den Orten waren eher nicht so gut für die Ökobilanz, wer aber zu Fuß ging, bekam wunderbare Natureindrücke wie hier an der renaturierten Ahse zwischen Dinker und Welver, und war zugleich der Zeit der Dahlhoffs näher, die ebenfalls viel zu Fuß gegangen sein dürften.

Die Eröffnung fand im Tanzzelt am Heimathaus Welver statt – mit dem Pipenbock-Orchester, Erledanz (Foto), Peggy Luck & Thomas Strauch, sowie Altami, sodass hier bereits Instrumentalmusik und Lieder, Musik zum Tanzen und Zuhören geboten wurde. Auch begrüßten die Verantwortlichen und die Bürgermeister der drei Orte das Publikum. Das Duo Erledanz mit Klaus und Henrike Eckhardt sang deutschsprachige Lieder aus Lothringen, vor allem aus der Sammlung Verklingende Weisen des Pfarrers Louis Pinck (1873-1940).

Die Gruppe Altami, bestehend aus Alex Peters, Michael „Micha“ Möllers und Tanja Bott – hier verstärkt durch Jörg Fröse – spielte nicht nur zum Tanz auf, sondern bildete auch den Kern des Festivalorgateams. Alex Peters fungierte zudem die meiste Zeit als Moderator. Das Altami-Repertoire bestand zu einem großen Teil aus Stücken der Dahlhoff-Sammlung.

Das Festivalbüro befand sich im Gasthof Witteborg in Dinker, in welchem an beiden Abenden eine Session stattfand, die jeweils bis halb vier dauerte. Wie bei irischen Sessions wurde hier frei drauflosgespielt oder gesungen – wobei die Instrumentals überwogen –, und wer konnte und wollte, durfte mitmachen. Dabei wurde auf das ein oder andere Stück auch getanzt.

Mit Tanz ging es auch gleich am Samstagmorgen weiter im Tanzzelt in Welver. Zuerst Vivien Zeller (Foto, mit Geige in der Mitte) dann die Band Barock op de Deel boten je einen Tanzworkshop an, und zwar einen Basiskurs und einen für Polonaisen. Wer dachte, eine Polonaise sei, wenn man die Person vor sich an die Schultern greifend hintereinander durch den Raum marschiert, wurde hier eines Besseren belehrt. Zwar war sie in ihren Anfängen im 16., 17. Jahrhundert ein langsamer Prozessionstanz, aber heute gibt es auch schnellere Variationen.

Welcher Verein hat schon einen singenden Geschäftsführer? Profolk kann das mit Stolz von sich behaupten! Folksänger Gunnar Wiegand singt am liebsten Lieder vom Meer und von der Seefahrt, aber auch von Treidelkahnschleppern auf der Weser. Das Foto zeigt ihn bei einem spontanen Konzertlein während der Mittagspause im Biergarten des Gasthofs Witteborg, in welchem auch des Öfteren Dahlhoff – die Band auftritt. Die Wirtin Ange Kötter ist eine große Unterstützerin der Pflege des Dahlhoff’schen Erbes. Gunnar Wiegand führte anschließend eine offene Bühne unter der Kastanie durch.

Leider gleichzeitig mit der offenen Bühne gab es in Ulmkes Museumskotten, einem kleinen Freilichtmuseum in Norddinker, einen Volksliedernachmittag mit Dahlhoff – die Band und Tradsch (Foto, in der Scheune). Erstere – an diesem Nachmittag bestehend aus Micha Möllers, Tanja Bott, Stefan Igelmann und Barbara Batànovics – sang auch Lieder in Münsterländer Platt und Letztere, bestehend aus Tim Liebert (auch als Doc Fritz oder „Waldzitherguru“ bekannt) und Nico Schneider, in Mundarten des Thüringer Waldes und des Vogtlandes, wie man sie auch bei deren Band Hüsch! hören kann. Tradsch waren kurzfristig für den vorgesehenen, aber leider erkrankten Tom Kannmacher eingesprungen.

Zwischen dem Nachmittags- und dem Abendprogramm bot Profolk-Vorsitzende Peggy Luck eine Folk-for-Future-Wanderung an, einen Spaziergang mit Gesprächen darüber, was Folk für jeden Einzelnen bedeutet. Von dort aus konnte man dann wieder zum Tanzzelt am Heimathaus wandern, wo abwechselnd im Tanzzelt und in der Webstube Viertour, Erledanz, Lottes Flausen (Foto), Peggy Luck & Thomas Strauch und Fior auftraten. Die Mutter-Töchter-Band Lottes Flausen aus Gesa, Mattea, Anett (die Mutter) und Fabia Bartuschka aus Weimar spielte eine so feine, ziselierte, mehrstimmige Musik, dass konzentriertes Zuhören angesagt war, aber auch einige darauf tanzten. Fabia Bartuschka war auch Teilnehmerin des Jugendfolkorchesters in Rudolstadt im Juli

Manchmal lohnt sich ein Detailblick auf die Instrumente wie hier auf die Nyckelharpa oder Schlüsselfiedel von Regina Kunkel von der Band Fior, ein Borduninstrument, das dereinst auch in Deutschland verbreitet war, heute aber eher in Schweden zu Hause ist.

Fior aus Baden-Württemberg sind Regina Kunkel, Sebastian Elsner, Rick Krüger und Björn Kaidel, eben „vier“ Personen, was sich im althochdeutschen Bandnamen ausdrückt. Ihre Musik ist sehr druckvoll, fast rockig, und erinnert zum Beispiel an Le Vent du Nord aus Quebec, ist aber Deutschfolk. Sie spielten auch 2023 beim Empfang des folker zu seinem 25-Jährigen in Rudolstadt.

„… und aus den Wiesen steiget der weiße Nebel wunderbar.“ Matthias Claudius hätte sicher seine Freude an dieser Szene auf dem nächtlichen Fußweg von Welver nach Dinker gehabt. Ob ihm auch das DeutschFolk-Festival gefallen hätte?

Im Gasthof Witteborg konnten sich Musizierende und Publikum beim gemeinsamen Frühstück näherkommen und am Sonntagmorgen bei einem Vortrag von Micha Möllers und Simon Wascher über die Wiederentdeckung und Digitalisierung der Sammlung Dahlhoff informieren.

Es war hauptsächlich die private Initiative von Simon Wascher, Micha Möllers, Tanja Bott und anderen, das Staatsarchiv in Berlin dazu zu bringen, die alten Handschriften zu digitalisieren, allen Interessierten verfügbar zu machen sowie sie als Faksimile (Foto) zu drucken.

Das Abschlusskonzert fand am Arbeitsplatz der Dahlhoffs, in der Kirche in Dinker statt. Mit je zwei bis drei Stücken waren noch einmal zu hören: das Pipenbock-Orchester (Foto), Tim Liebert, Jörg Fröse, das Jugendfolkorchester, Gunnar Wiegand, die TradTöchter, Altami, Peggy Luck & Thomas Strauch, Simon Wascher und Dahlhoff – die Band.

Selbstverständlich war nicht das gesamte Jugendfolkorchester zugegen, sondern nur drei seiner Mitglieder, die beim Rudolstadt-Festival 2024 aufgetreten waren: Sophia Holler, Fabia Bartuschka und Alex Peters, der auf dem DeutschFolk-Festival viele Funktionen einnahm.

Die Mitglieder der verschiedenen Bands und Duos mischten sich auch mal ganz neu. So begleitete Vivien Zeller von den TradTöchtern mit ihrer Geige Simon Wascher mit seiner Drehleier …

…und die zweite Hälfte der TradTöchter, Ursula Suchanek, spielte zusammen mit Peggy Luck & Thomas Strauch. Die Liedermacherin und Profolk-Vorsitzende Peggy Luck mit ihren modernen Liedern bildete quasi den Gegenpol zu den zumeist seit Langem überlieferten Melodien und Liedern der anderen Musizierenden, nicht nur aus der Dahlhoff-Sammlung.

Die gotisch-barocke Kirche bot den passenden, festlichen Rahmen für den Abschluss dieses besonderen, im wahrsten Sinne kleinen, aber feinen Festivals, das in seiner dörflich-ländlichen Umgebung dort stattfand, wo man Volksmusik gerne verortet. Wohin wird die Reise der deutschen Folkmusik weiter gehen? Dieses Festival bot nur einen kleinen Ausschnitt der Musik und Musikschaffenden, die unter diesem Label geführt werden können. Die DeutschFolk-Initiative von Profolk bildet zwar eine Keimzelle, aber wer sich ihr noch alles anschließen und seine Musik künftig unter dem Label „Deutschfolk“ führen wird, bleibt abzuwarten.

Kirche und Gasthaus bilden seit je her zwei Kontrapunkte von Kultur im Allgemeinen und Musik im Besonderen. Der gemütliche Gasthof Witteborg steht hier auch für die familiäre Atmosphäre dieses vierten DeutschFolk-Festivals, bei welchem die Musikerinnen und Musiker auch die Organisation, die Kasse, den Fahrdienst vom und zum Bahnhof und anderes übernahmen. Das fünfte DeutschFolk-Festival wird unter dem Titel „Nord Folk Festival“ vom 25. bis 28. September 2025 in Hamburg stattfinden (Bewerbungen sind möglich bis 12. Januar). Dort wird die Atmosphäre anders sein, nicht dörflich, sondern großstädtisch – aber vielleicht genauso familiär.

www.deutschfolkinitiative.de

Zur Vorgeschichte des Festivals siehe folker #2.24 .

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