Für viele Irish-Folk-Fans gehört es zu den Pflichtterminen im Frühjahr – das Irish Spring Festival schickt in diesem Jahr bereits zum zwanzigsten Mal Musiker von der Grünen Insel auf Tournee durch Deutschland. Für Organisator Rainer Zellner wie immer ein Spagat – einerseits will er die Erwartungen des Publikums erfüllen, andererseits für Überraschungen und Entdeckungen sorgen.
Interview: Guido Diesing, Foto: Folkert Kakrow
Es ging auf die Jahrtausendwende zu. Axel Schuldes, der mit Carsten Linde bis zu dessen Ausstieg für das Irish Folk Festival verantwortlich gewesen war, fragte Rainer Zellner, ob er Lust habe, gemeinsam eine neue Festivaltournee mit irischen Musikern zu organisieren. Zellner hatte aus der Arbeit für Rüdiger Oppermanns Klangwelten-Festival bereits Erfahrungen mit dem Konzept, mehrere Künstler gemeinsam auf Tour zu schicken. Er sagte Ja, und die beiden entwarfen das erste Irish Spring Festival, das 2001 stattfand. Jetzt geht das Festival ins zwanzigste Jahr.
Mit welchen Zielen und Visionen hast du Irish Spring vor zwanzig Jahren gegründet?
Ich mache solche Produktionen nicht aus Kalkül, sondern versuche, mit dem, was mir selbst gefällt, die Erwartungen des Publikums zu befriedigen. Ich wollte keinen Irish-Pub-auf-Reisen machen, sondern hochkarätige irische Folkmusik auf die Bühne bringen, keine große, laute Rockproduktion, sondern das Ganze im authentischen Stil belassen.
Was macht für dich die Faszination der irischen Musik aus?
Es ist eine Musik, die lebt, tanzbar ist, eine große Fröhlichkeit hat und im sozialen Umfeld verankert ist, gerade in den Gegenden Irlands, wo noch Gälisch gesprochen wird. Das ist keine ausgedachte Musikform, die irgendeiner Mode unterliegt, sondern es ist bis heute so, dass auch junge Künstler diese Musik lieben und weiterentwickeln.
Wie stark bestimmen die Erwartungen der Zuschauer die Programmplanung?
Ich will das Genre in all seinen Facetten zeigen, muss aber natürlich viele Faktoren berücksichtigen. Es muss Momente zum Mitklatschen geben – das ist nun mal so beim deutschen Publikum –, es muss Instrumentals und Songs geben, es müssen Frauen dabei sein, die Abfolge des Abends muss ein Erlebnis ergeben. Es soll ja nicht einfach nur ein Konzert sein. Irische Musik lebt immer auch vom Mitmachen, von dem, was die Zuhörer den Musikern entgegenbringen, von der Wechselwirkung. Ich glaube, dass man das Publikum manchmal unterschätzt. 2006 habe ich am Vorabend der Tournee Bauchschmerzen bekommen, weil die Gruppe Millish aus den USA vorhatte, auch schräge Taktarten vom Balkan zu spielen. Doch die Leute waren hin und weg, und ihre CD war die bestverkaufte der Tournee. Das hat mich unheimlich froh gemacht, weil es der Beweis dafür war, dass man die Klischees nicht bedienen muss. Wenn die Musiker gut sind und eine Verbindung zum Publikum herstellen, dann ist alles möglich.
Umgekehrt vertraut das Publikum auf deine Auswahl, auch wenn ihm die Namen vieler Künstler vielleicht noch nichts sagen …
Genau. Entscheidend ist die Farbe dessen, der die Programme zusammenstellt. Da muss jemand mit einem roten Faden oder einer Idee drangehen, dass die Leute neugierig werden: Was wird er nächstes Mal bringen? Und es scheint zu funktionieren. Wir sind bei den 35 Terminen, die wir spielen, zu 85 bis 90 Prozent ausverkauft.
Wie findest du neue Bands? Suchst du vor Ort, durchstöberst du Spotify und Youtube, oder bieten dir Agenturen Nachwuchskünstler an?
Mit Agenturen arbeite ich eigentlich überhaupt nicht. Das ist auch gar nicht nötig. Die ersten Jahre hatte ich Axel Schuldes als Hilfe, der als Herz des Irish Folk Festivals unendlich viele Kontakte hatte. Und wenn du Künstler gut behandelst und gelegentlich selbst vor Ort bist, ist das kein Problem. Ich frage die Künstler, die mir gefallen, wem sie es gönnen würden, bei der Tournee mitzufahren. Das ist für mich viel wert, dass ein Netzwerk entsteht, das sich bei uns auf alles erstreckt, auch auf Tourneeleitung und Sound. Das soll in der Familie bleiben.
War das Festival von Anfang an erfolgreich?
Nein, im ersten Jahr hatten wir die Tournee in den Mai gelegt. Das war ein Totalflop, weil wir in eine Hitzewelle gekommen sind und in den Ferien gespielt haben. Dann habe ich sie früher ins Jahr gelegt, und es hat sich über die Jahre erweitert. Die ersten zehn Jahre war es keine leichte Arbeit, doch danach hat es plötzlich einen Ruck getan, und es wurde voller. Jetzt musste ich einfach mal Stopp sagen, denn 35 Tage sind das Maximum. Man muss ja auch schauen, dass die Musiker das überleben. Viel erfolgreicher können wir nicht mehr werden, sonst müssten wir die vertrauten kleineren Hallen verlassen, und daran habe ich kein Interesse. Dieses Erlebnis von fünf- bis sechshundert, auch mal siebenhundert Besuchern – das passt so.
Worauf kann sich das Publikum beim Jubiläumsprogramm freuen?
Ich finde, zum Zwanzigjährigen kann man ruhig auch auf Leute zurückgreifen, die gut angekommen sind und mit denen man schon eine engere Beziehung hat. Zum einen ist das David Munnelly, ein kreativer wilder Geist und für mich einer der legendärsten Knopfakkordeon-Spieler überhaupt, zum anderen Connla, eine Band, die wir schon mal präsentiert haben, als sie noch ganz am Anfang stand. Seitdem waren sie viel in Amerika unterwegs. Da möchte ich zeigen, wohin sich eine Band entwickelt hat, die für uns eigentlich fast nicht mehr bezahlbar ist. Für die Emotionen haben wir Niall Hanna, einen fantastischen Sänger aus Nordirland, der mir empfohlen worden ist. Und dazu die in Irland lebende tschechische Stepptänzerin Aneta Dortová.
Worauf freust du dich selbst bei der zwanzigsten Ausgabe am meisten?
Das Spannendste ist immer, wie die ganze Show sich entwickelt, was passiert, wenn alle zusammen unterwegs sind, dieses besondere Erlebnis. Wir werden kein großes Tamtam machen wegen der zwanzig Jahre. Es ist vielleicht nett, mal einen Rückblick zu machen, aber das ist alles im Fluss, so wie Folkmusik auch im Fluss ist. Immer weiter, solange es Spaß macht.
Also noch mal zwanzig Jahre?
(lacht laut) Wohl nicht. Einen Plan gibt’s nicht, aber mit 84 mach ich das bestimmt nicht mehr. Aber man fühlt sich ja auch irgendwie verpflichtet. Jetzt hat man die Leute hungrig gemacht, und dann muss man sagen: „Nee, sorry, Leute, das war’s jetzt.“ Ich schaue, was passiert. Ich muss ja jetzt schon 2021 buchen. Wenn ich wirklich aufhören will, muss ich das mindestens zwei Jahre vorher ankündigen, damit die Veranstalter wissen: Da kommt nichts mehr. Oder jemanden finden, der sagt, er macht’s weiter. Mal sehen. Irgendwann wird das schwierig werden für die Szene: Die Musiker werden immer jünger und die Veranstalter immer älter. Da kommt nicht viel nach auf diesem Level. Dabei ist der Bedarf da, zum Irish Folk kommen viele Alte, die das noch aus den Sechzigern und Siebzigern kennen, aber du hast immer auch einen gewissen Teil junge Leute im Publikum.
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