Malonda

Elektronischer Divenpop mit Haltung

18. März 2024

Lesezeit: 6 Minute(n)

Sie fordert heraus. Nicht nur mit ihrem klaren Bekenntnis zu Deutschland. Mit ihrer Musik stellt sie das Selbstverständnis, was deutsch zu sein hat, in Frage. Denn Achan Malonda, die Hildegard Knef und Marlene Dietrich zu ihren Vorbildern zählt, erschafft derzeit erfolgreich die neue Domäne der schwarzdeutschen Kunst. Im Gespräch mit dem folker erzählt sie, warum es dabei wichtiger denn je ist, politisch Stellung zu beziehen.
Interview: Erik Prochnow

Malonda, wie fühlst du dich in der Musikszene als schwarze Frau respektiert?

 Wir sind nicht an dem Punkt, wo zuallererst die Kunst betrachtet wird, unabhängig vom Geschlecht oder Migrationshintergrund eines Menschen. Die Kunst wird, bewusst oder unbewusst, als politischer Akt verstanden.

 Was heißt das konkret?

 Musik wird fast immer aus einem gewissen Verwertungsblick gesehen. Meine Produktförmigkeit liegt aber nicht auf der Hand. Es gibt schwarze Musikerinnen, die im Mainstream präsent sind. Das hat eine bestimmte Form, eine bestimmte Sprache und Ästhetik, in die ich so nicht reinpasse. Meine Präsenz ist immer auch die eines politischen schwarzen Körpers. Das, was für mich als Musikerin das Wichtigste ist – die Kunst und warum ich sie mache –, darüber wird kaum geredet. Weil die Leute es schwierig finden, mich irgendwo einzuordnen, habe ich es eben „elektronischen Divenpop“ genannt. Das ist neu und funktioniert.

Du machst doch aber auch politische Songs?

Es gibt für mich unterschiedliche Formen des politischen Schreibens. Zum Beispiel mit dem Anspruch, eine klare Botschaft zu verbreiten. Ich habe vor ein paar Monaten im Rahmen einer Kunstausstellung ein Konzert mit Liedern der linken deutsch-liberischen Liedermacherin Fasia Jansen gegeben. Sie hat Arbeitskämpfe, genauer Arbeiterinnenkämpfe, in Stahlwerken im Ruhrgebiet unterstützt und Lieder geschrieben, die dann in den Sechzigerjahren während der Streiks gesungen wurden. Das bewundere ich, und natürlich ist ihr Werk auch mit ihrer schwarzen Identität verknüpft. Aber meine Musik funktioniert anders oder hat eine andere Funktion. Ich schreibe über die Welt, wie ich sie sehe, ohne immer auszusprechen, wie sie sein sollte. Das tue ich auch aus meiner Identität heraus als schwarze deutsche queere Künstlerin. Ich will eine Tür aufstoßen, um darüber nachzudenken, was schwarze deutsche Kunst sein kann.

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Foto: Oumou Aidara

„Ich will eine Tür aufstoßen, um darüber nachzudenken, was schwarze deutsche Kunst sein kann.“

Auf deinem aktuellen Album sind mit „Deutschungshoheit“ und „Neujahrsansprache“ aber auch zwei Lieder, die eine explizite politische Botschaft haben?

Das stimmt. „Deutschungshoheit“ thematisiert den grassierenden Rassismus hierzulande. In „Neujahrsansprache“ beschreibe ich, wie es wäre, wenn ich die erste schwarze Kanzlerin wäre. Das hat mir große Freude bereitet. Das Stück ist keine Utopie, als Fakt wäre das natürlich utopisch. Von einer schwarzen Kanzlerin sind wir sehr weit entfernt. Selbst die weiße Angela Merkel hat viel Frauenfeindlichkeit erlebt.

Gibt es in der Musikszene diesbezüglich mehr Toleranz?

Ich würde sagen, dass die Strukturen da noch verhärteter sind. Das Business ermöglicht viel weniger Freiräume für schwarze Künstler:innen als uns eigentlich zusteht. Am Publikum liegt das nicht. Es müsste deutlich mehr Zugang zu Bühnen und Mainstreamverwertung für uns geben. Aber vielleicht ist es gar nicht so schlimm, als nicht verwertbar zu gelten. Dennoch, von irgendwas muss man schließlich leben. In das aktuelle Musikbusiness passe ich aber mit meiner Kunst nicht wirklich rein.

Was sind die Hindernisse?

Das sind rassistische, misogyne, auch transfeindliche, ableistische und natürlich klassistische Strukturen. Dieses Business, das sich als verbindend versteht, Musik für alle produzieren möchte, ist nicht für alle zugänglich. Für Frauen, vor allem für schwarze, noch viel weniger als für Männer. Musik, die Grundbestandteil einer Kultur ist, sollte anders sein, um mehr Menschen zu erreichen.

Was zeichnet aus deiner Sicht schwarze deutsche Musik aus?

Ich habe darüber gerade einen Podcast mit der schwarzen deutschen Kommunikationswissenschaftlerin Natasha A. Kelly produziert. Sie antwortete darauf, dass es das als spezifischen Tonfall noch gar nicht gibt. Für mich eröffnet das natürlich schöne Möglichkeiten. Ich bin schwarz, deutsch, eine queere Frau und kann erschaffen, was ich will. Gleichzeitig ist es etwas beängstigend, da ich auf dieser Ebene quasi im luftleeren Raum arbeite und nicht weiß, ob meine Kunst überhaupt relevant ist.

Die Resonanz auf dein aktuelles Album ist doch aber sehr groß?

Ja, ich kriege viel Feedback vom Publikum. So wie das Album aufgenommen und rezensiert wurde, war es für mich schon gigantisch. Ich hatte anfangs gedacht, da kräht kein Hahn nach. Die Auseinandersetzung mit meiner Musik ist das Zollen höchsten Respektes, unabhängig davon ob die Menschen das Album mögen oder nicht. Dann werde ich als Musikerin wahrgenommen, mit einer Haltung, die vielleicht Reibung erzeugt. Ich will auf jeden Fall, dass meine Musik auch jenseits meiner eigenen Identität und für alle funktioniert.

Der Titel des Albums, Mein Herz ist ein dunkler Kontinent, weist schon über deine Identität hinaus?

Genau, beim Titel geht es nicht um Afrika. Der Titel bildet sehr gut die Tiefe meiner Gefühle, Ängste und Wünsche ab, so groß wie ein Kontinent und dunkel. Es ist ein Wortspiel, das auch auf die rassistischen Vorurteile meiner Herkunft hinweist, und das ich mir als schwarze deutsche Musikerin erlauben möchte.

Würdest Du sagen, dass dein Lied „Manchmal bin ich einsam“ angesichts der Diskussionen über das Thema in der Bundesregierung ebenfalls politisch ist?

Definitiv. Denn es geht auch um Depressionen, die in der Gesellschaft weitverbreitet sind. Zuerst thematisiere ich aber meine eigene Depression, die Erfahrung, plötzlich nicht mehr bei sich zu sein. Ich bin neugierig, was die Leute mit dem Song verbinden, wenn sie ihn hören. Erst dann entfaltet ein Lied seine volle Wirkmacht. Wenn ein Musikvideo produziert ist, habe ich zwar alles gesagt, aber die Kunst existiert auch außerhalb von mir und hat über mich hinaus eine Bedeutung. Es geht dann gar nicht mehr darum, was ich möchte, sondern wie die Musik aufgenommen wird und was die Menschen daraus machen. Dann ist es Perfektion. Musikalisch und vom Text her entspricht dieser Song für mich am ehesten meiner Vision der Figur Malonda und der elektronischen Divenmusik.

Foto: Oumou Aidara

„Es ist wichtiger denn je, dass wir uns den fundamentalen Wahrheiten über dieses Land endlich stellen.“

Gibt es da nicht eine Verbindung zu einem weiteren Song auf dem Album, „Scheißangst“?

Bestimmt. Dieser Song formuliert eine Selbstbestimmung. Ich lade die Angst zum Tanz ein, sie anzunehmen und mit ihr zu leben. Es geht hier um Panikattacken, die ich mal bekommen habe. Es war für mich furchtbar, ich konnte nicht atmen.

Wie erlebst du die öffentliche Auseinandersetzung mit diesen Themen?

Es wird ungern darüber gesprochen und sie werden nicht akzeptiert. Sie führen eher zu einer Stigmatisierung. Das hat etwas mit dem Kapitalismus zu tun, der allen suggeriert, immer funktionieren zu müssen. Dennoch sind die Probleme weitverbreitet. Um das dennoch irgendwie zu thematisieren, bemüht man dann den Anglizismus „Mental Health“, der aber Distanz erzeugt. In Deutschland tut man sich generell mit Wahrheiten schwer.

Inwiefern?

Zum Beispiel nimmt der rassistische Diskurs in Deutschland zu, ohne dass er als solcher betitelt wird. Alle Parteien übernehmen inzwischen die Argumente rechter Parteien. Egal wie sie es nennen, ob „migrationskritisch“, „Obergrenze“, „Rückführung“, das ist nur Wording. Niemand will der Wahrheit ins Gesicht sehen, dass es zuallererst ein rassistischer Diskurs ist. Als Friedrich Merz vor über zwanzig Jahren zum ersten Mal über Leitkultur sprach und Wahlkampf damit machte, haben die Grünen ihn als rassistisch bezeichnet. Heute führen sie die Debatte selbst.

Kommt dir dabei nicht manchmal der Gedanke, auszuwandern?

Darüber denke ich auch nach, klar. Aber ich komme aus Deutschland, und es ist wichtiger denn je, dass wir uns den fundamentalen Wahrheiten über dieses Land endlich stellen. Ich denke immer an die Menschen, die nicht gehen können oder die ausgewiesen werden, obwohl sie bleiben möchten, und die Generationen, die nach mir kommen. Da kann man nicht einfach weglaufen. Der Ausblick auf 2024 und die vielen Wahlen ist nicht rosig. So schlimm wie es zurzeit ist, war es etwa in den Neunzigerjahren nicht. Die Hütte brennt. Meine Form der Auseinandersetzung war es schon immer, das Thema mit einer Selbstverständlichkeit zu behandeln und auf die Bühne zu bringen. Ich sage klar, ich bin Teil der deutschen Kultur. Wenn ich zum Beispiel Hildegard Knef oder Marlene Dietrich als Inspirationsquelle angebe, ist das für mich keine kulturelle Aneignung, sondern es ist Ausdruck meiner selbst innerhalb Deutschlands. Allerdings war ich politisch noch nie so ratlos wie jetzt.

Heißt das, du wirst selbst noch politischer in deinen nächsten Projekten?

Das ist eine spannende Frage. Das neue Album hat schon einen Titel und ein Konzept. Es geht um meine Erfahrung im Musikgeschäft, aber auch darum, wie Deutschland eigentlich ist. Es kann schon sein, dass ich in den Songs deutlicher politisch Stellung beziehe. Im Vorfeld kann ich das aber nicht sagen.

Wie läuft dein kreativer Prozess ab?

Wenn ich loslege mit einem Projekt, lasse ich mir gerne Zeit. Ich brauche einen bestimmten Vibe. Ich liebe es zwar, wenn ein Plan funktioniert und ich die Kontrolle über Dinge behalten kann. Aber wenn jemand die richtigen Fragen stellt, über die ich noch nicht nachgedacht hatte, bin ich offen, dass sich das Ganze in eine andere Richtung entwickelt. Gleichzeitig liebe ich es, mit anderen zusammenzuarbeiten. Aktuell bin ich etwa in einem Schreibprozess mit dem Musiker Jens Friebe. Entscheidend ist aber, wie das Publikum meine Vorstellung von schwarzer deutscher Musik aufnimmt. Wenn da draußen ein schwarzes Mädchen sitzt und sagen kann, „Das ist mein Vorbild!“, dann habe ich meinen Job sehr gut gemacht.

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Aufmacher:
Malonda

Foto: Oumou Aidara

Aktuelles Album:
Mein Herz ist ein dunkler Kontinent (Springstoff, 2023)

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