„É Proibido Proibir“ – Der Skandalsong der brasilianischen Tropicálistas (vor allem Gilberto Gil, Caetano Veloso, Gal Costa, Os Mutantes, Tom Zé). Er drückte deren Motto aus: „Es ist verboten zu verbieten“. Entsprechend experimentierfreudig war die Musik der Tropicalisten mit Einflüssen der Beatmusik, psychedelischen Rockmusik, Avantgarde, afrobrasilianischen Rhythmen und Performancekunst. Als Caetano Veloso dieses Lied 1968 mit der Rockband Os Mutantes voller Fuzzgitarre und psychedelischen Einlagen bei einem Songwettbewerb aufführte, der damals noch von eher schlagerhaften Darbietungen beherrscht wurde, fingen die linken Studenten unter den Zuschauern laut zu buhen an und bewarfen die Bühne mit Obst, Gemüse und Eiern. Veloso hörte auf zu singen und begann einen leidenschaftlichen Monolog, in dem er die linken Studenten wegen ihres Konservatismus anprangerte, welcher Einflüsse amerikanischer Rockmusik als imperialistisch verpönte. Veloso beendete seine Schmährede, indem er sagte: „… wenn Sie in der Politik genauso sind wie in der Ästhetik, sind wir erledigt!“ (Vor einigen Jahren wurde ein zehnminütiger Mitschnitt davon veröffentlicht.)
Das Lied geriet dennoch zur Hymne der Auflehnung gegen die Militärdiktatur, die zwischen 1964 und 1985 Zehntausende von Menschen zensierte, folterte und verschwinden ließ. Es hat bis heute Nachwirkungen. Am 55. Jahrestag des brasilianischen Militärputsches zelebrierte Bischof José Francisco Falcão in Brasilia 2019 eine Messe, bei der mehrere ranghohe Generäle und die Witwe eines besonders berüchtigten Generals des damaligen Regimes anwesend waren. Während der Messe äußerte der Bischof, dass es in den Siebzigern einen „Dummkopf“ gab, der “É Proibido Proibir“ sang. Ihm würde er gerne „Rattengift verabreichen“. Auch wenn sich die Songs von damals etwas gewöhnungsbedürftig anhören, brachten sie in die Música popular brasileira neue Elemente ein. Die künstlerischen Konzepte wirken noch heute bei so eklektizistischen brasilianischen Musikern wie den Cibelle oder Lucas Santtana nach, die auf unkonventionellste Art weit auseinanderliegende Einflüsse miteinander verbinden. (Eine sehr gute Dokumentation zu Tropicália ist die CD „Tropicália – Revolution in Brazil: Music and Culture under Dictatorship”, Soul Jazz/ Indigo 2005 oder Marcelo Machados Film „Tropicália“, Mr. Bongo Films/ harmonia mundi 2014.)
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