Inanna

Kurdische Musikerinnen treten auf Aula, Universität zu Köln, 25.10.2024

14. November 2024

Lesezeit: 4 Minute(n)

Die kurdische Kultur lebt von ihrer Vielfalt – diese Aussage bewahrheitete sich beim Konzert „Inanna“ am 25. Oktober in Köln. Inanna, die antike mesopotamische Göttin, die mit Macht und Weiblichkeit in Verbindung gebracht wird, verkörpert den feministischen Ton des Abends. Dreizehn Musikschaffende teilten sich die Bühne, um die Rolle kurdischer Frauen in der deutschen Musiklandschaft zu feiern. Das Konzert begleitete die Veröffentlichung des Song- and Storybooks Kurdische Musikerinnen in Deutschland.

Text: Rose Campion

Die Aula der Universität zu Köln war voller Spannung, aber nicht wegen des üblichen Vortragsprogramms über Zivilrecht oder Ökonomie. Stattdessen zog die hochkarätige Besetzung eines Konzertes ein internationales Publikum an – im Auditorium waren nicht nur die verschiedenen kurdischen Sprachen zu hören, sondern auch Farsi, Türkisch, Arabisch, Französisch, Spanisch, Englisch und Deutsch.

Diese sprachliche Vielfalt spiegelte sich auch in der Moderation des Abends wider. Sheyda Ghavami, kurdisch-iranische Sängerin und Aktivistin in Köln, und Rose Campion, Anthropologin aus Kalifornien am Institut für Europäische Ethnomusikologie der Universität zu Köln, stellten dem interessierten Publikum die Protagonistinnen der kurdischen Musik in Deutschland in einer zweisprachigen Moderation auf Kurmandschi und Deutsch vor.

V. l. n. r.: Valentina Bellanova (Ney), Sheyda Ghavami, Rose Campion (Moderation)

Foto: Roshan Efrin

Das Konzert wurde mit einer Instrumentalversion von „Lê Bukê“ eröffnet, arrangiert von der kurdisch-armenischen Geigerin Nûrê Dlovani. Darauf folgte der Auftritt von Şehrîbana Kurdî, einer Vorreiterin für kurdische Musikschaffende in Europa und einer der bekanntesten Kulturschaffenden aus den nordkurdischen Regionen. Ihr Lied „Ez Keçim Keça Kurdan Im“ („Ich bin ein kurdisches Mädchen“) veranschaulicht die Schönheit und die Herausforderungen, die das Leben als kurdische Frau mit sich bringt. Kijan Ibrahim Xayat griff in ihrem Lied „Ba Wek Xom Bim“ eine ähnliche Botschaft auf. Mit ihrer Opernstimme, die sie am Konservatorium in Sulaimaniyya in der kurdischen Autonomieregion des Irak ausgebildet hatte, sang sie „Lass mich ich selbst sein“ auf Sorani und Niederländisch.

Die nächsten drei Lieder in Kurmandschi, der am meisten gesprochenen kurdischen Sprache, zeigten die unterschiedliche Herangehensweise an die Aufführung traditioneller Musik. Zunächst sangen Yalda Abbasi und Dîlan Top Lieder aus dem regionalen Repertoire und begleiteten sich dabei auf Dotar beziehungsweise Tembûr. Nur wenige Wochen zuvor hatten Yalda Abbasi und Nûrê Dlovani mit dem Trio Sêreng für ihre innovative Mischung aus Kulturen und Traditionen den Creole-NRW-Preis 2024 für Weltmusik gewonnen. Danach verlieh Dîlan Top, ein junger Star der kurdischen Musik, traditionellen alevitischen Klängen eine neue Note. Hêvîn Efrîn folgte mit ihrem eigenen Lied „Penaberım“ („Ich bin geflüchtet“). Sie berichtete, dass in ihrer Heimat in Nordsyrien „das Singen auf Kurdisch an sich schon ein politischer Akt ist“.

V. l. n. r.: Valentina Bellanova (Ney), Sheyda Ghavami (Gesang), Milad Mohammadi (Tar)

Foto: Sara Ghorbani

Abgerundet wurde die sprachliche und musikalische Vielfalt des Abends durch Astare Artner und Sheyda Ghavami. Artners „Farewell Song“ ist eine jenseitige, spirituelle Ode in Zaza, einer Sprache, die von der UNESCO als gefährdet eingestuft wird. Ghavami sang ebenfalls in den kurdischen Minderheitensprachen Gorani und Sorani, die beide hauptsächlich in südkurdischen Regionen gesprochen werden. Alle Künstlerinnen kamen für das letzte Lied „Le Gulan“ auf die Bühne, das sie für ein Publikum sangen, das begeistert klatschte und mitsang. Fünf versierte Instrumentalistinnen und Instrumentalisten begleiteten die Musikerinnen durch das vielfältige Repertoire des Abends: Valentina Bellanova an der Ney, Nûrê Dlovani an der Violine, Amirhossein Liaghat an der Daf, Milad Mohammadi an der Tar und Mazlum Rewşen an der Gitarre.

V. l. n. r.: Valentina Bellanova, Nûrê Dlovani, Yalda Abbasi, Sheyda Ghavami, Kijan Ibrahim Xayat, Dîlan Top, Astare Artner, Mazlum Rewşen, Hêvîn Efrîn, Milad Mohammadi, Amirhossein Liaghat

Foto: Sara Ghorbani

Zwischen den Liedern präsentierten Rose Campion und Sheyda Ghavami Auszüge aus ihrem neu erschienenen Buch, das auf Forschungsarbeiten an der Universität basiert. Die Texte geben Einblicke in das Leben und die Karrieren dieser Musikschaffenden, wie sie sich im Leben in der Diaspora zurechtfinden, was es bedeutet, eine kurdische Frau in der Musikwelt zu sein, und mit welchen Herausforderungen sie in Südwestasien und Europa konfrontiert sind. Campion fasste die Botschaft des Abends zusammen: „Die kurdische Identität und Kultur umfasst eine Fülle von Bedeutungen. Sie zeigt, wie eine Kultur ihre Stärke in ihrer Vielfalt finden kann.“

Besonders eindrucksvoll waren die Auszüge aus Ghavamis Memoiren, die ebenfalls in dem Buch enthalten sind. Campion und Ghavami lasen in einer Mischung aus Kurdisch und Deutsch die Geschichte ihrer unrechtmäßigen Inhaftierung im Iran und ihres Kampfes, einen Platz in der deutschen Gesellschaft zu finden. Ghavami schreibt: „Das Asylverfahren in Deutschland fordert mehr als es fördert – wir brauchen Unterstützung, um unsere Zukunft hier zu gestalten. Wir müssen immer für alle Frauen auf der Welt zusammenstehen, damit wir frei leben können.“

Das Buch Kurdische Musikerinnen in Deutschland, ein Projekt des Landesmusikrats NRW und des Instituts für Europäische Musikethnologie Köln, steht unter www.musikwelten-nrw.de/kmid kostenlos zum Download oder als Druckversion zur Verfügung.

 

 

Redaktioneller Hinweis: Wie erkennbar, stammt der Artikel von einer der Beteiligten an der Veranstaltung selbst. Normalerweise versuchen wir, das journalistische Prinzip zu wahren und unabhängige Kollegen oder Kolleginnen vor Ort zu haben. Leider war dies in diesem Fall nicht möglich, da wir jedoch die behandelte Thematik zu wichtig finden – und den Artikel auch zu gut –, wollten wir nicht auf eine Veröffentlichung verzichten. Eine unabhängige Rezension des vorgestellten Buches wird in Ausgabe #1.25 des folker zu lesen sein.

V. l. n. r.: Astare Artner (Tembûr), Nûrê Dlovani (Geige), Valentina Bellanova (Ney), Milad Mohammadi (Tar), Mazlum Rewşen (Gitarre), Amirhossein Liaghat (Daf)

Foto: Sara Ghorbani

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