Liebe folker-Freundinnen und -Freunde,
fünf Tage liegen die Europa- und Kommunalwahlen zurück, und leider haben sich die Worte aus Mike Kamps Editorial zum neuen folker bewahrheitet: „Alle … Wahlen [dieses Jahres] haben eines gemein …: Sie lassen einen deutlichen Rechtsrutsch befürchten, und das nicht nur im deutschen Osten, nein, dieser negative Trend gilt europaweit.“ – „Wie kann es sein“, fährt er fort, „dass [in Deutschland] 16 Prozent … eine Partei wählen, die nach gerade noch einmal bestätigtem Urteil bundesweit als ‚rechtsextremer Verdachtsfall‘ anzusehen ist?“
Die – eher konsternierende – Antwort darauf findet sich möglicherweise in der kontrovers diskutierten Umfrage des WDR zum Thema Rassismus für die Fußballdoku Einigkeit und Recht und Vielfalt, die ebenfalls derzeit Wellen schlägt. Wie auch immer man zu den teilweise suggestiv gestellten Fragen stehen mag – dass ein Fünftel der Befragten sich eher weiße Nationalspieler und keinen türkeistämmigen Kapitän wünschen, deutet darauf hin, dass es wieder hoffähiger geworden ist, sich rassistisch und ausgrenzend zu äußern. Sollte es die vielbeschworene Cancel Culture wirklich geben, hat sie womöglich dazu geführt, dass sich die Grenzen des Sag- und Zeigbaren in die entgegengesetzte Richtung verschoben haben: Politische Korrektheit triggert politische Unkorrektheit.
Inwiefern sich solche Trends auch in der Musik spiegeln beziehungsweise wie und wo sich politische Aspekte in der Musik von heute finden, wollen wir in der Septemberausgabe genauer beleuchten.
Womit wir endlich zur erfreulichen Nachricht der Woche kommen. Denn inmitten dieser Gemengelage ist klammheimlich die folker-Ausgabe #2.24 erschienen. Deren Schwerpunkt diesmal einen vertieften Einblick in die Vielfalt des Indiefolk gibt, sowohl in künstlerischer Hinsicht als auch kulturell und geografisch. Wir stellen zahlreiche Beispiele vor von den (Wahl-)Berlinern der Mighty Oaks über die angesagten irischen Lankum oder Vimma aus Finnland bis zu futuristischen Klängen der Post-Tropicália Brasiliens. Pam Pam Ida aus Oberbayern decken ein Spektrum von tiefsinnig-poetisch bis kabarettistisch ab, die Grammy-geehrte Singer/Songwriterin Sarah Jarosz widmet sich dem Folkpop, und die Düsseldorf Düsterboys aus Essen (!) werden in Rudolstadt zu Gast sein. Nicht zu vergessen Stornoway aus England mit einem Comeback und die australische Newcomerin Jessie Monk.
Jenseits des Schwerpunkts hat Reinhard Mey dem folker anlässlich seines neuen Albums eines seiner ausgesuchten Interviews gegeben. Weitere Artikel beschäftigen sich u. a. mit der walisischen Harfenistin Cerys Hafana, die auch in Rudolstadt sein wird, dem Großmeister des iranischen Tarspiels Ali Ghamsari oder der Musik Osteuropas, wie sie sich in diesem Jahr auf dem Budapester Ritmo-Festival präsentiert hat oder von dem Musiker und Historiker Hnat Chotkewytsch in der Ukraine geprägt wurde. In der Kolumne geht es diesmal um den Onlineweiterverkauf von Konzerttickets, und ein kleines Festival-Special in der Rubrik „nah dran“ erweist der Sommerfestivalsaison die Ehre. Darüber hinaus gibt es weitere Artikel, Wissens- und Bemerkenswertes aus der Szene sowie auf wieder über 20 Seiten Rezensionen aus allen Bereichen des folker-Spektrums.
Viel Spaß heute Abend allen Fußballbegeisterten beim Eröffnungsspiel der Europameisterschaft (auch wenn es in Anbetracht des deutschen Gegners – Schottland – Redaktionsmitglieder gibt, bei denen zwei Herzen in der Brust schlagen ;-). Hoffen wir, dass die Potenziale des Sports, Menschen zusammenzubringen, sowie das Abschneiden der deutschen Mannschaft ein wenig dazu beitragen können, die derzeit vorhandenen trennenden Kräfte etwas zu relativieren und das Gemeinsame und die Gemeinschaft über unterschiedliche Hautfarben, Weltbilder und Positionen hinweg wieder stärker in den Vordergrund zu rücken. In diesem Sinne einen guten Start in die EM und den Sommer.
euer Team vom folker
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