Die Generation der brasilianischen Stars der Sechziger kommt so langsam in die Jahre. Nun ist mit Gal Costa die erste der zentralen Figuren der Tropicália-Bewegung mit 77 an den Folgen einer Nasenhöhlenoperation gestorben. Costa gehörte zu den Doces Bárbaros, der einzigen, wenn auch kurzlebigen brasilianischen Supergroup mit außer ihr Caetano Veloso, Gilberto Gil und Maria Bethânia. Auch auf dem wichtigsten Album der Tropicalisten, Tropicália – Ou Panis Et Circenses, war sie mit vier Liedern vertreten.
Musikalisch bewegte sich Costa anfangs zwischen brasilianischen Stilrichtungen und psychedelischen amerikanischen Einflüssen, später kamen Funk- und Rockelemente hinzu. Ein Aufreger war 1973 das Cover ihres Albums Índia. Hier sah man lediglich ihr knappes Bikiniunterteil, umgeben von indigenem Schmuck – Symbole für sexuelle Befreiung sowie die Einbeziehung der Musik der Urbevölkerung. Die damalige Militärdiktatur fand das zu anstößig und verbot das Cover umgehend. Seitdem galt sie jedoch als Brasiliens Sexsymbol.
Interessanterweise hat Gal Costa offen lesbisch gelebt und zeigte sich damit wie überraschend viele ihrer Musikkolleginnen und -kollegen im völligen Kontrast zur zuletzt ultrakonservativen Politik in Brasilien. Besonders gut gelangen ihr leicht bluesige Balladen. Ihr größter Hit nach „Baby“ von 1965 wurde allerdings 1982 die Temponummer „Festa Do Interior“.
Obwohl sie eine der bekanntesten Sängerinnen Brasiliens war, stand sie international immer etwas im Schatten Maria Bethânias. Dennoch: Im Biopic Meu Nome É Gal, das 2023 in die Kinos kommen soll, wurde zuletzt ihr Leben verfilmt.
Hans-Jürgen Lenhart
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