Der zu frühe Tod der Fadista, nicht lange nach ihrem 69. Geburtstag, machte in Portugal und überall dort schnell die Runde, wo sie privat und musikalisch verbandelt war, zum Beispiel in Brasilien, wo Mísia vom Fado aus mit Sängerinnen wie Adriana Calcanhotto oder Maria Bethânia interessante, neue Anknüpfungspunkte und Kommunikationswege auslotete.
Susana Maria Alfonso de Aguiar alias Mísia war die Tochter einer katalanischen Tänzerin und eines portugiesischen Ingenieurs und um einiges älter, zumeist aber auch um einiges wagemutiger und innovativer als etliche der aktuellen, teils weltweit gefeierteren, allesamt wohlklingenden Fadosängerinnen. Die zierliche, optisch extravagant-elegante Mísia mit dem markanten schwarzen, die letzten Lebensjahre orange leuchtenden Pagenkopf hielt eine perfekte Gesangsstimme für weniger zentral als die damit transportierten Emotionen. Und der große Ruhm kümmerte die charismatische, hippieske Diva ohne Allüren wohl auch weniger als die Freude am Schönen, teils Unscheinbaren, auch abseits der Musik.
Als die dreimal wiederkehrende Krebserkrankung 2016 ausbrach, arbeitete Mísia lange unbemerkt weiter. Mit dem vorletzten Album Pura Vida (siehe folker 5/2019) machte sie diesen schweren Einschnitt publik und auch in ihrem Liedrepertoire hörbar, für das sie von jeher gern mit unterschiedlichsten, auch zeitgenössischen Poeten arbeitete. Die tradtionsbewusste Grenzgängerin öffnete den Fado anderen Instrumentierungen und Liedkulturen, verlieh ihm so eine Weltgewandtheit wie einst auf ihre Art Amália Rodrigues.
Katrin Wilke
Foto: C. B. Aragão
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