Robbie Robertson wurde als Mitglied der legendären Rockgruppe The Band bekannt, die Mitte der Sechziger bis Anfang der Siebziger Bob Dylans Begleitgruppe war. 1967 nahmen Dylan und The Band im Keller des Hauses Big Pink in West Saugerties, New York, die Basement Tapes auf, eine Mischung aus über hundert Songs aus Folk, Blues, Country und Rock ’n’ Roll. Sie wurden damit quasi zu den Urvätern des Americana-Genres.
Mit den Alben Music From Big Pink und The Band veränderten Levon Helm, Garth Hudson, Richard Manuel, Rick Danko und Robertson die Entwicklung der amerikanischen Populärmusik entscheidend. Songs wie „The Weight“ oder „The Night They Drive Old Dixie Down“ sind heute Klassiker in den USA. Robbie Robertson war Gitarrist, Sänger und Songwriter dieser Gruppe aus Multiinstrumentalisten.
Robertson und Helm waren sowohl die herausragenden Köpfe als auch das Gegensatzpaar von The Band. Infolge des Abschiedskonzertes und des daraus entstandenen Films The Last Waltz – heute ebenfalls ein Klassiker – kam es zum Bruch zwischen den beiden. Es ging um die Stilisierung Robertsons als Bandleader durch Regisseur Martin Scorsese. Später machte Helm Robertson zudem Vorwürfe, er hätte ziemlich unfair die Songcredits der großen Hits von The Band für sich alleine reklamiert.
Robertson sollte nie mehr mit The Band spielen, obwohl der Rest der Gruppe mehrere Reunionprojekte hatte. Stattdessen arbeitete er als Musikproduzent, betätigte sich als Schauspieler und Komponist im Filmmetier und brachte drei viel beachtete Soloplatten heraus – Robbie Robertson (1987), Storyville (1991) sowie Contact From The Underworld Of Redboy (1998). Daran anknüpfend beschäftigte er sich als Sohn eines jüdischen Kanadiers und einer Mohawk-Angehörigen intensiv mit seinen indigenen Wurzeln.
Robertson war viele Jahre lang eng mit Scorsese befreundet, arbeitete mit ihm zusammen und schuf Filmmusiken unter anderem für Raging Bull (Wie ein wilder Stier), The Color of Money (Die Farbe des Geldes), Shutter Island, The Wolf of Wall Street und The Irishman. 2019 veröffentlichte Robertson sein letztes Soloalbum, Sinematic. Im darauf enthaltenen Song „Once Were Brothers“ verarbeitete er auf seine Weise die Zeit mit The Band und veröffentlichte unter demselben Titel zum Thema auch einen Dokumentarfilm.
In den letzten Jahren konzentrierte er sich darauf, die Albumklassiker des Backkatalogs von The Band klanglich aufzuarbeiten und mit Outtakes versehen neu zu veröffentlichen. 2012 hatten sich Robbie Robertson und Levon Helm kurz vor dessen Tod versöhnt. Nun ist von The Band nur noch Garth Hudson am Leben.
Robertson starb nach langer Krankheit im Kreis seiner Familie. Die US-Rockmusik hat einen ihrer interessantesten und bekanntesten Köpfe verloren.
Thomas Waldherr
Foto: Don Dixon
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