Gyedu-Blay Ambolleys Einflüsse und seine kreative Fähigkeit, westafrikanischen Highlife mit Blues, Soul und Funk zu mischen, trug er erstmals 1975 auf dem Debüt Simigwa zusammen.Nach Jahren im Ausland kehrt der ghanaische Sänger, Gitarrist und Saxofonist mit 11th Street, Sekondi in die Heimat zurück.
Text: Olaf Maikopf
Der 1947 geborene Gyedu-Blay Ambolley stammt aus der Hafenstadt Sekondi-Takoradi im Westen Ghanas, einem Gebiet, das sich bis zur Elfenbeinküste erstreckt. Seine ersten musikalischen Prägungen waren die Militärmusik seines Vaters, der Flöte spielte und während des Zweiten Weltkriegs Soldat war, sowie frühe Highlife-Musik von lokalen Tanzbands wie Broadway. Als Highlife in den Fünfzigern so etwas wie die Nationalmusik Ghanas geworden war, hörte man im Wesentlichen nur zwei Hauptvarianten: die Rhythmen der Conga und dazu die Klänge von Gitarren oder groß besetzte Bands. Doch sein Ursprung liegt viel weiter zurück. „Als während der Sklaverei und dann Kolonisation die Menschen aus Westafrika nach Europa, Amerika und in die Karibik verschleppt wurden, trafen sie dort auf verschiedene Kulturen. Aber sie vergaßen nie, was sie in sich hatten, bevor sie gingen. Auf Musik bezogen waren es die Rhythmen und Lieder ihrer Heimat, die sich bald mit den Stilen der für sie neuen Kulturen vermischten. Als die Menschen dann irgendwann ihre Freiheit erlangten, keine Sklaven mehr waren, ginge viele von ihnen zurück nach Afrika und brachten ihre Musik mit. In dieser Zeit wurde zum Beispiel die spanische Gitarre bei uns eingeführt. Die Afrikaner fanden deren Klang faszinierend und lernten, sie zu spielen. Im Zuge dessen verknüpften sie das, was sie aus der Karibik mitbrachten, mit der lokalen Musik, die auf Trommeln basierte, so bekam unsere heimische Musik eine andere Dimension“, erklärt Gyedu-Blay Ambolley.
Damals wurde diese aus verschiedenen Einflüssen zusammengesetzte Musik noch Osibi genannt. Aus deren vielgestaltigen Variationen entwickelte sich allmählich ab den Dreißigerjahren eine als Highlife bezeichnete Musikrichtung. „Die ärmeren Westafrikaner, die kein Geld hatten, um auf den Partys der einheimischen Elite und der Kolonialherren zu tanzen, kommentierten diese Ausgrenzung mit den Worten, dass ihre gut situierten Landsleute ein besseres, höheres Leben führten, und so wurde Highlife dann zum Namen für die Osibi-Musik“, meint Ambolley. Unter diesem Begriff startete Highlife erst in Sierra Leone und Liberia und setzte sich dann auch in Ghana durch. Nach den frühen Big-Band-Bläsersounds und fröhlichen Texten, die von dem unübertroffenen E. T. Mensah und seiner Tempos Band populär gemacht wurden, veränderte sich die Musik später zu einem gitarrengetriebenen, sozial bewussten und tanzbareren Afrofunk.
In diesem jungen Genre galt der 1936 geborene Gitarrist Ebo Taylor als eine der führenden Figuren. Ambolley und Taylor lernten sich bereits in den frühen Sechzigern kennen. Damals leitete Taylor die Stargazers Dance Band, die laut Ambolley so faszinierende Musik spielten, dass sie seine Idole wurden. Tatsächlich war die Art und Weise, wie die Band das, was Taylor an Stilen aus anderen Teilen der Welt gelernt hatte, mit der ghanaischen Musik in Bezug brachte, neu und fantastisch. Zu der Zeit hatte der junge Ambolley schon Schlagzeug und Gitarre gelernt. 1963, mit fünfzehn, wurde er dann von Taylor in dessen Band aufgenommen. „Wir sind Freunde, er gehört zu denen, die mir die Augen und Ohren dafür öffneten, meine eigene Musik zu spielen, und gelegentlich treffen wir uns immer noch für Sessions.“
Im Ghana der Siebziger war der Highlife zwar populär, aber noch mehr waren die Menschen von James Brown, Wilson Pickett oder Ike & Tina Turner fasziniert, wollten sie beinah mehr als ihre einheimischen Hits hören. Als Ambolley sein erstes Album Simigwa herausbrachte, war darauf zwar lokal bezogene Musik zu hören, aber es hatte auch einige deutliche westliche Einflüsse. Die kopierte er allerdings nicht, sondern machte sie sich zu eigen, formte damit seine eigene Musik. „Am Anfang war das eine Herausforderung, aber die Leute begannen bald, sich einzubringen, denn was auch immer wir taten, es war absolute Tanzmusik.“ Tatsächlich gilt bereits seine Debütsingle „Simigwa-Do“ von 1973 als frühes Beispiel einer afrikanischen Rapmusik, und das sechs Jahre vor „Rapper’s Delight“ der Sugar Hill Gang. Die charismatische Bühnenpersönlichkeit, die mit der Afrobeat-Legende Fela Kuti und dem Highlife-Bandleader Ebo Taylor auftrat, ist seit seiner Mitwirkung an der gefeierten Compilation Ghana Soundz auf Soundway im Jahr 2002, die die Welt wieder in seinen typischen Simigwa-Stil versetzte, auch außerhalb Ghanas eine feste Größe bei jüngeren Hörern afrikanischer Musik.
Sein neuestes Album, 11th Street, Sekondi, betitelte Ambolley nach der Anschrift seines Geburtsortes, „weil die Musik, die man hier hört, in dieser Straße ihren Ursprung hat. Ganz egal welche musikalischen Veränderungen sich auf der Welt vollzogen haben, meine Vision war immer die gleiche. Denn woher ich komme, dort sind auch die Wurzeln meiner Musik, diese Wurzeln geben mir meine Stärke.“ Das pulsierende Sekondi-Takoradi ist die Hauptstadt der westlichen Region Ghanas, eine Hafenstadt mit Seeleuten, die von überall her Dinge mitbringen. In Ambolleys Jugendjahren interessierte er sich hauptsächlich für die eingeführten amerikanischen Vinylsingles und -LPs voller Jazz, Funk und sogar klassischer Musik. „Die ermöglichten es mir, Musiker wie Dizzy Gillespie, Miles Davis, John Coltrane, Wes Montgomery, Jimmy Smith, James Brown, Wilson Pickett und Stevie Wonder zu entdecken“, erinnert sich Ambolley, der dann später selbst für mehr als zwanzig Jahre in die USA ging. „Die Staaten sind einfach das Unterhaltungszentrum der Welt. Ich durfte im berühmten Apollo Theatre in Harlem und auch im House of Blues in Hollywood spielen. Diese Zeit hat mich musikalisch und persönlich verändert.“
Diese Einflüsse lassen sich in Momenten auch auf dem neuen Album nachhören. Dort gibt es eine ganze Reihe wunderbarer Lieder voller stechender Kritik, Weisheit und spielerischem Humor. Alles transportiert mit einem kraftvollen Gebräu aus Highlife, Afrobeat, Jazz und Funk, hart und kantig, aber gleichzeitig erstaunlich leicht. Dabei kann man mit jeder Note spüren, worum es Gyedu-Blay Ambolley in seiner Musik geht. „Ich möchte die Menschen erleuchten, um sie für aktuelle Themen zu sensibilisieren. So gibt es einen Song, in dem ich über Afrika, die Afrikaner und das, was auf dem Kontinent schiefläuft, spreche. Große Teile Afrikas leiden immer noch unter massiver Korruption und Neokolonialismus, und wie Fela nutze auch ich meine Musik als Informations- und Bildungsquelle.“ Doch seine Musik hat natürlich auch eine andere Seite, will ohne Umschweife zum Tanzen animieren. „Ja, denn Musik ist Nahrung für Körper und Seele“, beschließt Ambolley unser Gespräch mit einem Lächeln.
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