Herbert Pixner

Gegenprogramm zum Kitsch

17. November 2019

Lesezeit: 4 Minute(n)

Große Konzerthäuser sind eigentlich nicht der natürliche Lebensraum der Steirischen Harmonika. Doch in den Händen von Herbert Pixner macht das volkstümliche Instrument in der feinen Umgebung eine ebenso gute Figur wie auf Kleinkunst- und Festivalbühnen. Gerade bespielt der Südtiroler mit seiner Band und den Berliner Symphonikern einige der besten Adressen im deutschsprachigen Raum.
Text: Guido Diesing

Vor zwölf Jahren war es, als Herbert Pixner vor der großen Entscheidung stand. Er unterrichtete Steirische Harmonika an verschiedenen Musikschulen und schlug sich mit seinem Herbert Pixner Projekt mit Volksmusik und eigenen Stücken durch. „Wir haben alles gespielt, was zum Überleben notwendig war, von Ausstellungen über Hochzeiten bis zu diversen Feiern.“ Doch immer wieder gab es diese Momente, in denen Zuhörer ihn ansprachen, wenn er eigentlich nur als Hintergrundmusik eigene Kompositionen gespielt hatte. „Was war denn das? Das klingt interessant und cool.“ Er spürte, dass es für seine Musik ein Publikum gibt, das wirklich zuhören will. „Wir standen vor der Frage: Weiter rumdudeln oder ein eigenes Programm machen und konzertant spielen? Wir haben uns für das Zweite entschieden, und es hat zum Glück hingehauen.“

Und wie. Mittlerweile gehört Pixner im Quartett mit seiner Schwester Heidi (Harfe), Manuel Randi (Gitarre) und Werner Unterlercher (Kontrabass) zu den erfolgreichsten Vertretern der alpenländischen Neuen Volksmusik, füllt Säle mit mehreren Tausend Zuschauern und kann auf seiner Website stolz auf zuletzt jährlich hunderttausend verkaufte Tickets verweisen – ein beachtlicher Erfolg für ein Projekt, das bis heute unabhängig von den großen Musikkonzernen arbeitet, ein eigenes Label betreibt und Booking und Vertrieb nicht aus der Hand gibt.

„Unsere Musik braucht diese bestimmte Intimität, wo man noch die Feinheiten spürt und hört.“

Stilistisch hat Pixner, der auf einem Südtiroler Bergbauernhof großgeworden ist und mit Volksmusik sozialisiert wurde, sich immer weiter geöffnet. Die Besetzung seines Projekts liest sich immer noch wie pure Volksmusik, tatsächlich aber ist deren Anteil auf dem Album Lost Elysion von 2018 deutlich zurückgetreten und hat Klangmalereien und Einflüssen aus Blues, Rock, Jazz und sogar ein wenig Funk und Countrymusik Platz gemacht. Eine große Rolle spielt dabei der vielseitige Gitarrist Manuel Randi, der viel Raum zum Austoben bekommt. „Wir haben diesmal ganz bewusst nur die E-Gitarre verwendet und versucht, verschiedene Sounds zu verbinden“, erklärt Pixner. „Auch mit der Steirischen Harmonika hab ich ein wenig in der Effektkiste gegraben, was sehr spannend war. Vielleicht wird das nächste Album dann wieder akustischer.

Vielfalt und Abwechslung stehen bei ihm ohnehin hoch im Kurs. „Man versucht natürlich immer wieder, mit neuen Klangfarben zu arbeiten.“ Dabei helfen ihm die Erfahrungen, die er als Jugendlicher in den örtlichen Blaskapellen seiner Heimat gesammelt hat. „Es war irgendwann eine ganz bewusste Entscheidung, weitere Instrumente wie Klarinette, Flügelhorn und Trompete mitzubringen. Ich hab mich immer relativ leicht getan, ein Instrument als Autodidakt zu lernen“, sagt er und fügt nicht ohne Selbstironie an: „Ich versuch’s halt so gut wie möglich, meine eineinhalb Oktaven, die ich auf einem Instrument schaffe, einzubinden und mit relativ wenig Übeaufwand trotzdem etwas Qualitatives zu spielen.“

Der Großteil der Stücke entsteht weiterhin an der Steirischen Harmonika. Ganz altmodisch nimmt der 44-Jährige Tapes mit seinen Entwürfen auf, die er dann an die Mitmusiker schickt. „Jeder hört mal rein, macht sich ein paar Gedanken dazu, und im Studio wird’s dann fertiggestellt. Ich bin keiner, der ein Notenblatt zur Hand nimmt und alles aufschreibt. Es sind ja auch keine großartig raffinierten Kompositionen. Man hat halt dieses Instrument, bei dem man sehr eingeschränkt ist und mit fünf Akkorden auskommen muss. Und wir sind hauptsächlich eine Liveband. Das Studio ist Mittel zum Zweck, um die Sachen zu dokumentieren und auszuprobieren.“

Herbert Pixner Projekt mit (v. l.) Werner Unterlercher, Herbert Pixner, Heidi Pixner, Manuel Randi

Foto: Three Saints Records

Aber wäre es nicht reizvoll, sich quasi als trojanisches Pferd in den Kommerz-Zirkus der volkstümlichen Musik einzuschleichen und dem großen Fernsehpublikum zu zeigen, wie lebendig und originell man auf Traditionen aufbauen kann? „Ich glaube, dass das Samstagsabendpublikum das überhaupt nicht interessiert“, winkt Pixner ab. „Die wollen Schlagerstars sehen und haben auch wenig Interesse an irgendwelchen Klangmalereien. Bei Carmen Nebel und Florian Silbereisen sind wir am falschen Ort. Was sollen wir da? Wir waren immer eine Art Gegenbewegung zu dieser volkstümlichen Mainstream-Kitsch-Abteilung und möchten das auch weiterhin sein.“ Dort sieht er sich in guter Gesellschaft: „Da gibt es viele kreative Leute – Hubert von Goisern, LaBrassBanda und viele andere, die vielleicht weniger bekannt sind, aber unglaublich spannende und tolle Sachen machen. Es gibt diese kleine Szene, die im Alpenraum versucht, sich vom Volkstümlichen abzuheben. Es wird wahrscheinlich nie riesengroß werden, aber das finde ich auch gut so. Wir haben gemerkt, dass die großen Festivals und Hallen mit vier- oder fünftausend Leuten für uns kontraproduktiv sind. Unsere Musik braucht diese bestimmte Intimität, wo man uns noch sieht, wo man noch die Feinheiten spürt und hört.“

Die aktuelle Tour wird dennoch eine größere Sache. Nachdem die Münchner Symphoniker wegen eines gemeinsamen Projekts angefragt hatten, man aber terminlich nicht zusammengekommen war, helfen nun die Berliner Symphoniker dabei, einige Klassiker aus dem Bandrepertoire komplett neu einzukleiden. „Mit zwei jungen Arrangeuren aus Südtirol und Oberösterreich habe ich die Stücke arrangiert und teilweise neue Intros und neue Zwischenteile geschrieben. Das ist das Schöne daran, wenn man seine eigenen Stücke hat, dass man sich nicht den Segen von einem anderen abholen muss. Das wird eine Konzertreihe, die sicher so schnell nicht wiederholt werden wird, was den ganzen Aufwand betrifft.“

2020 steht dann gleich die nächste besondere Tour an. Zur Feier des fünfzehnjährigen Bestehens des Herbert Pixner Projekts stößt das frühere Bandmitglied Katrin Unterlercher, die heutige Ehefrau des Bassisten, als zweite Harfenistin wieder zur Band. Pixner freut sich schon. „Gerade weil Heidi und sie sehr unterschiedliche Spielarten haben, werden sie sich sicherlich auf der Bühne gut ergänzen.“

Und als wäre all das noch nicht genug, bereitet der umtriebige Musiker gerade das Debütalbum einer weiteren Gruppe vor, an der er beteiligt ist. Die Italo Connection aus sieben bewährten Kräften der Südtiroler Musikszene verortet sich selbst „zwischen süditalienischer Beerdigungsmusik, Morricone, Tarantino und Celentano“. „Es ist ein unglaublich lustiges Projekt“, schwärmt Pixner, „eigentlich aus einer Not heraus entstanden, als ein Jazzfestival ein exklusives Projekt präsentieren wollte. Es ist ein wilder Haufen, wo viel improvisiert wird und unglaublicher Spaß auf der Bühne herrscht. Wir orientieren uns an den großen italienischen Klassikern und spielen auch ein bisschen mit den Klischees. Nach dem ersten Auftritt haben wir einstimmig beschlossen, dass das weitergehen soll.“ Das sollte man im Auge behalten.

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herbertpixner.beepworld.de

Aktuelles Album:
Lost Elysion (Three Saints Records, 2018)

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