Ein Glücksfall für Berlin

Der Liedermacher Udo Langt

31. Mai 2022

Lesezeit: 5 Minute(n)

Viele der großen deutschen Liedermacher und Liedermacherinnen feiern dieses Jahr einen Jubiläumsgeburtstag. Längst ist eine neue Generation entlang ihrer Spuren unterwegs. Einen davon gilt es noch zu entdecken. Er stammt aus Buch, einem bilderbuchreifen Weiler irgendwo im Nirgendwo von Westmittelfranken nahe Nürnberg. Er ist Zimmermann und Liedermacher und heißt Udo Lang, nennt sich aber Udo langt, weil er meint, dass „Udo“ langt.
Text: Stefan Sell

​Er singt mit dem Schalk eines Karl Valentin und der kafkaesken Anarchie und Haltung eines Herbert Achternbusch. Was Letzteres betrifft, möchte Udo Langt ergänzt wissen: „mit Haltung und enormen Selbstzweifeln.“ Und stellt klar: „Ich bin nicht nur Zimmerer und Musiker, sondern auch Vegetarier. Gerade habe ich da einen Artikel gelesen über den bayerischen Vizeministerpräsidenten. Der hat in einem Interview preisgegeben: Wenn ein Bauarbeiter – wozu ja auch ein Zimmerer gehört – bloß einmal in der Woche Fleisch kriegt, dann fällt der am dritten Tag vom Gerüst. Mir ist furchtbar angst geworden von dieser Aussage. Aufgrund dessen habe ich in meiner Zimmerei sofort das Sicherheitskonzept geändert. Ich arbeite nur noch zwei Tage die Woche, und an den anderen Tagen hocke ich jetzt rum und denke über solche Aussagen nach.“

Udo Langt

Foto: Felix Krause

Der fränkisch dichtende Barde ist mehr als nur Zimmerer und Musiker, er ist ein Aktionskünstler, der auf wunderbare Weise die Absurditäten dieser Welt aufzuspüren weiß, ohne sich selbst darüber zu erheben. Das zeigt sehr anschaulich der Kurzfilm Irgendwann, da kommt die Wahrheit und schreibt die Fragen an die Häuser, den Felix Krause und Tobias Schalk zusammen mit ihm gemacht und schon auf verschiedenen Festivals gezeigt haben. Darin singt er: „Heute machen wir es so wie gestern, / Morgen machen wir es so wie heut’. / Ohne Zweifel in ’ner Richtung, / Ganz federleicht. / Solang es einen Schuldigen gibt, / Bleibt das Gewissen arrogant und unbefleckt. / Doch irgendwann kommt die Wahrheit / Und schreibt die Fragen an die Häuser. / Elegant und ohne Antwort / Fährt die Dummheit an die Wand. / Und wenn die Sonne nicht mehr mag, / Macht der Mond vielleicht noch weiter …“

„Ich bin mehr so der Typ, der über Land fährt“

Udo Lang

Man sieht ihn in seinem Bauwagen singend, spielend. Das Handy klingelt. Einer will ein Regal von ihm. Udo Langt macht sich auf von Sägewerk zu Sägewerk, um das passende Holz zu holen. Ohne Erfolg. Er fährt zu Ikea, kauft ein Bett und baut daraus das gewünschte Regal. Das ist so toll gemacht, so beiläufig intelligent und witzig gedreht und gespielt, dazu seine Musik – schneller und besser kann man sich über das Widersinnige unseres alltäglichen Lebens nicht informieren.

Ist er jemand, der sein Ding macht? „Ja, das kann man schon so sagen, dass ich ein Typ bin, der sein Ding macht. Aber generell muss das ja noch nichts Gutes heißen, wenn einer sein Ding macht. Hitler hat auch sein Ding gemacht. Manche sind so dreist, sie sagen: Es war nicht alles schlecht. Er hat auch die Autobahnen gebaut. Ich bin da mehr so der Typ, der über Land fährt.“

Nun macht er sich Corona trotzend im Sommer auf, über Land zu fahren – in seinem Bauwagen auf einem Fahrgestell. Den hat er selbst gebaut. Er dient zugleich als Wohn- und Schlafraum, Küche, Studio, Proberaum und Konzertsaal, alles auf achtzehn Quadratmetern. Noch steht er in dem weitläufig verträumten Garten eines dreihundert Jahre alten Barockschlosses. Doch bald schon sollen sich die Räder in Bewegung setzen. Denn er will mit seinem Haus auf Tour gehen. Als Erstes geht es nach Oberammergau zu den Mücke-Brüdern, ehemals Kofelgschroa. Denen steigt er aufs Dach und macht ihnen das Oberstübchen fit. Die Idee: tagsüber als Zimmerer bauen, abends Musik machen. Konzerte, spontane Jamsessions, kleine Bauwagenfestivals immer da, wo der Wagen gerade steht.

Wie ein fränkischer Dylan singt er mit Mundharmonika und Gitarre, entschleunigt wunderbar und lädt ein, innezuhalten. Er redet langsam, ja bedacht und hinterlässt etwas Tiefsinniges, das durch seinen Witz gleich wieder das Schwergewicht verliert und so leichter annehmbar ist. „Mir ist wichtig, meine Texte und meine Musik als Ventil zu nutzen. Dabei will ich ernst genommen werden, ohne meinen Humor vernachlässigen zu müssen.“ Und er hat seinen ganz eigenen Humor und Ton gefunden, sich am Weltgeschehen aufzureiben. So erzählt er, heilfroh zu sein, dass er nicht zu Jesu Zeiten gelebt hat. Hätte er da als Zimmerer das Maul aufgemacht, wäre er gleich gekreuzigt worden.

Hat er auch schon etwas in petto, wenn er unterwegs ist und nichts zu zimmern oder konzertieren hat? Ja, klar. Da wolle er vormittags Sprechstunden halten für 250 Euro die Stunde, Managercoaching anbieten. Und was würde er denen raten? „Kündigen Sie, am besten gleich!“

Wie heißt es im Intro zu seinem Soloalbum: „Wenn du wos verändern willst, / Musst schaua dass’d irgendwie geboren wirst. / Und dann musst di neispreizn in des Ding. / Wos andersch bleibt der fast nit iebri!“

Da bleibt noch die Frage, wieso er ein Glücksfall ausgerechnet für Berlin ist, wie es in seinem neuesten Song heißt? „Es ist ja so: Ich schreibe gerne Lieder und singe gern und leidenschaftlich. Das haben andere Leute auch schon festgestellt und gesagt: Hey, Udo, wenn daraus was werden soll, wenn du da Karriere machen willst oder so, musst du nach Berlin. So machen das Künstler. Ich stell das sehr infrage, ob ich ein Künstler bin, und was will ich in Berlin? Unabhängig davon, dass der Höhepunkt meiner Karriere meine Geburt war. Egal, was ich sag, die sagen immer wieder: Du musst nach Berlin zu den richtigen Leuten, da lernst du die richtigen Leute kennen. Da bin ich lieber bei den falschen.“ Und dann singt er weiter: „Berlin, mir tut es fast schon weh, / Wie du in deinem verfluchten Zwang / Stetig weiterwachsen sollst, / Dass in dir ein jedermann / Eine Behausung findet … / Berlin, drum sag ich heut zu dir: / Ich will dich nie mit mir belasten. / Ich bin ein Glücksfall für Berlin. / Ich kann auch ganz woandersch leben. / […] / Wie lang such ich schon nach ’nem Sinn. / Jetzt weiß ich endlich, wer und was ich bin: / Ich bin ein Glücksfall für Berlin!“​

 

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Aktuelles Album:

Udo langt (Eigenverlag, 2021)

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