„Es geht einfach darum, zusammen Musik zu machen“

Das Jugendfolkorchester aus Sicht zweier Teilnehmerinnen

29. August 2025

Lesezeit: 5 Minute(n)

folker präsentiert: Jugendfolkorchester
Beim Rudolstadt-Festival 2025 kam es zur zweiten Auflage des im Vorjahr neu gegründeten Jugendfolkorchesters (siehe ausführlichen Artikel hier). Zwei Teilnehmerinnen des diesjährigen Jahrgangs boten sich dem folker für ein Interview an, nämlich die Geigerin Felicitas Rachuth (18) aus Bayern und die Harfenistin Lilli Senger (18) aus Österreich, die ebenfalls nun in Bayern lebt. Es fand am Rudolstadt-Festival selbst, im Anschluss an das Sonntagskonzert auf der Heidecksburg hinter der großen Bühne statt.
Interview: Christoph Schumacher, Michael A. Schmiedel; Foto: Michael A. Schmiedel

Wie fühlt ihr euch nun nach dem letzten Konzert des Jugendfolkorchesters auf dem Festival?

Felicitas: Da ist schon ein bisschen Erleichterung, es ist aber auch eine große Freude gewesen mit den Menschen, mit denen man jetzt die ganze Zeit zu tun hatte, auf der Bühne zu stehen. Auch wenn ich noch nicht so viel in anderen Orchestern gespielt habe, fühlte ich mich beim Jugendfolkorchester menschlich direkt gut aufgenommen. Es ist halt nicht dieses „Konkurrenz-Ding“ wie in anderen Orchestern. Es geht einfach darum, zusammen Musik zu machen und diesen großen Klang zu genießen, und nicht darum, dass man irgendwie nach vorn kommen möchte.

Wie seid ihr zum Jugendfolkorchester gekommen?

Lilli: Mir hat eine Freundin den Hinweis geschickt und gemeint, schau doch da mal hin …

Felicitas: Und ich bin über meine Mutter dazugekommen, die mir vom letzten Jahr erzählt hat – sie war 2024 in Rudolstadt sehr beeindruckt und meinte, das wäre auch was für mich.

Beide: Und dann haben wir uns zusammen beworben. Wir kennen uns schon sehr lange und haben unabhängig voneinander dieselbe Idee gehabt, dass wir da mitmachen sollten.

Ihr habt das Musizieren nach Noten gelernt, aber beim Jugendfolkorchester spielt ihr nach Gehör?

Felicitas: Ich habe zwar klassischen Geigenunterricht genossen, aber immer auch schon Volksmusik gemacht und auch schon immer das Auswendigspielen, dieses Einfach-miteinander-Musizieren erlebt. Das ist für mich ganz normal und sogar natürlicher.

Aus welcher Region kommst du?

Felicitas: Bayern.

Ist es denn ein Vorteil, wenn man zum Beispiel aus Bayern kommt und ein Zwiefacher auf dem Programm steht? Wird diese Expertise nachgefragt?

Felicitas: Man wird schon bei der Anmeldung gefragt, was für Erfahrungen man hat, also auch, welche Einflüsse es gab. Expertisen kann man in seinem Bewerbungsvideo darstellen, aber die werden nicht explizit erfragt.

Lilli: Es gibt schon Leute, die davor nur klassische Musik gemacht haben, aber das wird nicht bewertet. Wir beide – ich komme ja aus Österreich – haben schon öfter Zwiefache gespielt, und mit dem Wissen konnte man das schon nutzen im Sinne davon, wie das eben klingen kann und was man tun kann, dass es noch „cooler“ wird.

Felicitas: Bei der Begleitung haben wir dann mal gezeigt, wie wir das halt kennen – man kann sich also schon auch einbringen in diesem Orchester.

Felicitas Rachuth

Wie funktioniert das, wenn Stücke, die man nur aus kleineren Ensembles kennt, für ein Orchester mit so vielen Stimmen arrangiert werden, das ohne Dirigat auskommen soll?

Felicitas: Das ist bei den einzelnen Stücken recht unterschiedlich. Bei manchen Stücken wussten wir, wenn es Applaus gibt, fängt danach eine Key-Person [in einer Schlüsselposition musizierende Person; Anm. d. Verf.] an und wir passen uns da ein. Bei anderen Stücken wissen wir, da zählt Jürgen Treyz ein, bei anderen fängt der Kontrabass an und so weiter.

Lilli: Manchmal fängt eine Instrumentengruppe an, bei der die Beteiligten sich untereinander den Einsatz geben, und dann weißt du halt, wann du einsteigen musst. Es fangen selten oder fast nie alle gleichzeitig an.

Felicitas: Die Sängerinnen führen schon manchmal im Stück, wie ich es bei einem Ritardando gemacht habe, oder einmal am Schluss durch eine recht theatralische Bewegung.

Sind die Teilnehmenden in irgendeiner Form bei der Auswahl des Repertoires beteiligt?

Lilli: Wir können Vorschläge machen. Ein Stück hat auch Markus Fabian geschrieben, der selbst mitspielt, und der Zwiefache wurde von einem aus dem jüngeren Ensemble vorgeschlagen. Es ist nicht so, dass wir das spielen müssen, was die Dozenten ausgesucht haben, sondern die Stücke werden gemeinsam erarbeitet.

Felicitas: Wir haben im Vorhinein feste Arrangements bekommen, aber vor Ort haben wir auch noch ganz viel verändert, konnten eigene Vorschläge einbringen.

Wie werden diejenigen ausgewählt, die singen?

Lilli: Gudrun hat so mehr spontan mal vorsingen lassen, und verschiedene wurden vorgeholt. Ein anderes Mal wurden bestimmte Leute angesprochen und die Stimme zum Lied passend besetzt – zu unterschiedlichen Liedern passen halt unterschiedliche Stimmen.

Singen alle?

Felicitas: Weiß ich nicht … Singen in dem Sinne, dass man es sich traut, ja, wir hatten auch alle einen Gesangsworkshop. Es passiert schon, dass man die Sachen, die man gerade spielt, einfach mal singt. So zum Spaß, beim Essen, im Bus …

Lilli: Ja, das ist super.

Lilli Senger

Gibt es noch eine Geschichte aus der Vorbereitungswoche?

Lilli: Es war schon eine lustige Woche. Was es für mich gut beschreibt: Ein Tag mit 24 Stunden fühlt sich an wie 24 Tage. Es ist so intensiv und anstrengend. Schon allein beim Mittagessen wird so viel geredet und gelacht, dann macht man ein bisschen Mittagspause und es ist wieder ewig lang Probe …

Felicitas: Und dann ist es uns passiert, dass wir „gestern bei der Probe“ gesagt haben, aber es war der Vormittag desselben Tages gewesen! Eine sehr intensive Zeit, aber auch toll – jede Minute kann man so genießen.

Lilli: Was ich auch noch sehr schön und spannend finde, ist die Altersspanne, die von 12 bis 27 Jahre geht. Ich fand es voll schön, besonders in den Tuttiproben, wenn sich die Älteren und die Jüngeren gegenseitig helfen, bis hin zum Singen zur guten Nacht für die Kleinen, die um zehn ins Bett mussten.

Wie sehen eure musikalischen Zukunftspläne aus?

Lilli: Ich bin an einer Schule mit Musikzweig und habe dort noch E-Bass-Unterricht, aber das Jugendfolkorchester hat mir jetzt zusätzlich Motivation gegeben, auch anderweitig etwas in diese Richtung zu tun.

Felicitas: Ich habe vor, auch weiter Volksmusik zu machen, was ich ja eh schon tue, Folkmusik vielleicht auch gerne mehr, aber da bin ich noch nicht ganz so drin … Im Jammäßigen in der Volksmusik komme ich schon ganz gut mit, aber beim Folkjam, da brauche ich schon noch ein bisschen. Das Repertoire ist unterschiedlicher und so viel größer als bei der Volksmusik.

Lilli: Aber das Jugendfolkorchester hat viel dabei geholfen, ein Gefühl dafür zu bekommen.

Felicitas: Ich spiele noch Geige in einer Indiepopband, aber das ist auch wieder etwas ganz anderes.

Und bewerbt ihr euch auch für das nächste Mal?

Felicitas: Ja, natürlich! Aber jetzt hat man schon ein besseres Gefühl, weil sie sich vielleicht an einen erinnern, einen schon besser kennen und ein Gefühl dafür haben, wie man spielt. Aber ich glaube, es ist trotzdem relativ neutral auch davon abhängig, ob es gut passt von den Instrumentenkonstellationen her.

Lilli: Und es ist auch ein cooles Projekt, weil es so wichtig ist, andere Leute zu treffen. Diese Volksmusik oder auch Folkmusik ist zwar kein Tabu, aber so ein bisschen, na ja, eine schräge Sache. Hier sieht man dann: Oh, es gibt auch Leute, die so alt sind wie wir und das machen. Das ist also gar nicht so komisch, abstrus und seltsam …

Felicitas: … und deshalb ist es auch wichtig, dass Menschen mitmachen, die nicht aus dem Folk kommen, sondern bis jetzt nur klassische Musik gemacht haben oder Jazz oder Unterschiedliches und merken: Oh, das ist ja auch voll cool.

Beide: Wir möchten auf jeden Fall wieder dabei sein, auch wenn wir im nächsten Jahr unser Abitur machen.

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Aufmacher:
Lilli Senger und Felicitas Rachuth mit Christoph Schumacher

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