Kick La Luna

Dreißig Jahre Female World Music

11. Mai 2022

Lesezeit: 4 Minute(n)

Mitten im Technohype der Stadt Frankfurt am Main gründete sich 1992 dort die Gruppe Kick La Luna als rein akustische Band. Ihre Verbindung von ethnischer Musik mit Funk oder Pop war außergewöhnlich wie auch, dass dies eine rein weiblich besetzte Formation wagte. Damals kopierten Weltmusikgruppen in Deutschland meistens traditionelle Stile. Aber gegen alle Trends anzuspielen, zahlt sich nun seit dreißig Jahren aus.
Text: Hans-Jürgen Lenhart

„Tanze aus der Reihe“ heißt einer ihrer bekanntesten Titel. Kick La Luna legten sich nie auf weltmusikalische Genres fest und das lange, bevor es Begriffe wie Crossover oder Mestizo in der Szene gab. Beständige Neugierde und die Interessen der einzelnen Mitglieder lieferten dabei eine immer umfangreicher werdende musikalische Weltreise. So kam es zu einer Mischung aus afrokubanischen Melodien, brasilianischen Grooves, Modern-Salsa-Arrangements, Soulgesang, Balladen, Liedern der Maori, Funkriffs oder gar einer Fußballhymne.
Vor allem aber sind die fünf Musikerinnen beeindruckende Instrumentalistinnen. Percussionistin Anne Breick ist Dozentin an der Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Künste und hat ihre eigene Trommelschule. Kommt die Brasilianerin Angela Fronteira mit ihren unerreichten Drumsoli dazu, ist so mancher Schlagzeuggott vergessen. Bassistin Uli Pfeifer hat den Funk im Daumen und bereichert mit ihrem tiefen Timbre den Kick-La-Luna-Sound. Sie ist zudem mit dem Latin-Groove-Trio Friends in High Places unterwegs. Seit 2016 ist Christiane Sattler dabei und heizt als Latinpianistin ein. Aufgrund ihrer Vielseitigkeit hatte sie schon Engagements in über fünfzig Bands. Mit derartigen Qualitäten räumt die Gruppe mit dem Klischee auf, Frauen würden nur als Sängerinnen Karriere machen. Dennoch sorgt die kraftvolle Soulstimme von Frontfrau Elke Voltz für Gänsehaut. Die meisten Songs der Band stammen aus ihrer Feder. Mittlerweile hat sie zudem vier eigene Alben veröffentlicht. Die ganze Band verblüfft zudem mit brillant gesungenen A-cappella-Einlagen. Wenn bei den „Kicks“ jede Musikerin zwischendurch auch eigene Wege geht, führen diese gerade zur beständigen Inspiration ihres Sounds.

„Wenn dich jemand ernsthaft fragt, wann die richtige Band kommt, muss du schon ganz schön schlucken.“

Die Frauenband hat im Laufe der Zeit genügend Vorurteile erfahren. Dazu Anne Breick: „Wenn wir mit vielen CDs auf dem Buckel unsere Instrumente auf der Bühne auspacken und dann jemand ernsthaft fragt, wann die richtige Band kommt, muss man schon ganz schön schlucken.“ Statt Fragen, warum sie gerne mit Frauen zusammenspielt, wünscht sie sich, „… dass auch hinterfragt wird, warum Männer fast nur mit Männern Musik machen, vor allem an Instrumenten“. Das Publikum der Band merkt laut Uli Pfeifer schnell: „Kick La Luna ist keine Castingband, sondern hier stehen starke Persönlichkeiten auf der Bühne, Musikerinnen, die etwas zu sagen haben und ihr Handwerk verstehen.“ Für Elke Voltz ist es gar ein Vorteil, eine Frauenband zu sein: „Wir können althergebrachte Klischees abbauen, Vorbilder sein und neue Maßstäbe setzen.“ Da wundert es nicht, dass sie in ihren Texten Mut und Vertrauen auf eigene Stärken besonders gegenüber dem weiblichen Teil des Publikums vermitteln.
Ihren ersten Auftritt hatte die Band 1992, damals noch mit Gitarristin Jutta Keller, 1994 veröffentlichte sie ihr Debütalbum Kick La Luna. Danach folgten relativ schnell Gastspiele im Fernsehen und im Ausland. 1996 gründete man als eigenes Label Turbulent Records. Inzwischen haben Kick La Luna es auf stolze zehn Alben gebracht, darunter das 1998 von Edo Zanki koproduzierte Lucina Lacht oder 2002 Bridges To You mit „Strong Tears“, einem ihrer Songklassiker. Die Band wagte auch ungewöhnliche Songs in deutscher Sprache wie eine funkige Version von Daliah Lavis „Willst du mit mir geh’n“ oder den in hessischer Mundart gesungenen „Kappe-Rap“. 2011 präsentierten Kick La Luna zur Eröffnung der Frauen-Fußball-WM in Deutschland sogar die Hymne „Hier sind wir!“. Jutta Keller verließ die Band 2006. Für sie kam bis 2016 die bekannte brasilianische Gitarristin und Sängerin Zélia Fonseca.
Das zehnte Album Nicht ohne uns zum dreißigjährigen Jubiläum verspricht schon mit dem gleichnamigen Titelsong als Reggaeton eine größere Anbindung an moderne Sounds sowie ungewöhnliche Rhythmen wie einen Fünfachteltakt im Song „Time To Change“. Laut Voltz „… haben wir uns zudem mit ‚Endangered Species‘ von Dianne Reeves eines Coversongs bedient, den wir musikalisch wie inhaltlich stark finden, da er sich gegen Rassismus und Gewalt gegen Frauen wendet“. Anne Breick ergänzt: „Es wird auch der Modern-Salsa-Style nicht fehlen, den unsere Keyboarderin Christiane Sattler mit eingebracht hat und der unsere gemeinsame Zeit in Kuba aufleben lässt. Unser afrobrasilianischer Song der ersten Stunde, ‚Gandalami‘, erhält dadurch ein neues Gewand.“ Das neue Album wirkt zeitgemäß, keyboardlastiger, sogar durchaus loungig. Dennoch ist mit „Ide Were Were“ ein Lied der Yoruba aus Westafrika zu hören, und der Titelsong „Nicht ohne uns“ betont, dass Frauen die Hälfte der Menschheit ausmachen.

„Wir können althergebrachte Klischees abbauen, Vorbilder sein und neue Maßstäbe setzen.“

Inzwischen haben sich Kick La Luna längst auch international einen Namen gemacht. Voltz erinnert sich: „Wir spielten auf einigen großen Festivals wie in den Nuenzigern auf dem größten Frauenmusikfestival der Welt in Michigan in den USA. Dort auf der Bühne als einzige deutsche Band vor Tausenden Frauen auftreten zu können, war schon mega. Auch 2006 als Vertretung Deutschlands bei der UNESCO in Paris eingeladen worden zu sein, ist ein berührendes Erlebnis in unserer Bandhistorie gewesen.“ In der Musikerinnenszene sind die Kicks sehr bekannt. Kein Wunder, war Anne Breick doch Mitgründerin des Frankfurter Frauen Musik Büros sowie des ersten deutschen Frauenmusikmagazins Melodiva. Als Band für ein rein weibliches Publikum verstehen sie sich aber schon lange nicht mehr. „Zu uns kommen einfach offene und bewusste Menschen, die intensiv Musik erleben und authentische Musik mit uns teilen wollen“, meint Anne Breick dazu.

Aktuelles Album:

Nicht ohne uns (Eigenverlag, 2022)

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