Allein steht er auf der Bühne, eingehüllt in royalblauen Scheinwerferschein, von vorne lenkt warmweißes Licht alle Aufmerksamkeit auf ihn. Im Rücken das Instrumentarium des späteren Hauptacts, füllt Ray Coopers Musik auch ohne Band den Saal. Das Publikum lauscht konzentriert den wohlklingenden Folksongs, die der hochgewachsene Endsechziger auf Gitarre, Cello oder Mandoline begleitet.
Text: Stefan Backes
Es war selbstverständlich, dass er einsprang, als seine alten Kumpel von der Oysterband ihn fragten, ob er sie bei deren Deutschlandtour unterstützen würde – Fiddler Ian Telfer hatte kurzfristig aus familiären Gründen zu Hause bleiben müssen. Genauso selbstverständlich war es, dass er mit eigenem Material im Vorprogramm auftrat. Um sich anschließend ins Bandgefüge einzureihen, als lägen nicht zehn Jahre zwischen seiner Entscheidung, sich auf Familie und Solokarriere zu konzentrieren, und diesem Abend.
Das war im Frühjahr 2023. Inzwischen hat Ray Cooper, der seit über zwanzig Jahren in Schweden lebt, sein fünftes Soloalbum herausgebracht. Es trägt den Titel Even For A Shadow. Darauf die gewohnte Mischung aus vor allem eigenem Singer/Songwriting und einigen neu arrangierten traditionellen Liedern. Und wieder gelingt es dem Briten bestens, seine Stärken als Geschichtenerzähler und wachsamer Beobachter des Zeitgeschehens wie seiner eigenen Befindlichkeiten auszuspielen. In musikalischer Hinsicht teils mit expliziteren Americana-Anklängen als zuvor, aber weiterhin erkennbar folkig, gelegentlich sogar an den Oyster-Sound erinnernd.
Die ersten fünf Songs würden fast alle als Singleausklopplungen durchgehen, so klar und musikalisch ihre Strukturen, so eingängig ihre Melodien. Auch inhaltlich haben sie Tiefe zu bieten. Heraus sticht dabei der bereits vorab in drei verschiedenen Versionen als Single veröffentlichte Talking Blues „Falling Like Thunder“, hier in einer weiteren, vierten Fassung. „Ich bin mit falschen Vorstellungen aufgewachsen“, schreibt Cooper dazu. „Über Fortschritt, Ereignisse der Geschichte, westliche Überlegenheit. Mit nur mühsam verborgenem Rassismus. Aus den Ideen in diesem Lied hätte man mehrere Lieder machen können, aber es musste alles raus …“
Mit den ersten beiden traditionellen Songs wechselt das Album ein wenig die zuvor eher melancholische Tonalität, um sie im Duett mit der von Garmarna und Triakel bekannten Folkmusikerin Emma Härdelin bei der englisch-schwedischsprachigen Version des Standards „Black Is The Colour/En Vacker Vän“ wieder aufzunehmen. Bei zwei weiteren Songs hat sich Cooper weibliche Gesangsverstärkung dazugeholt: Die englische Folksängerin Kathryn Roberts bereichert mit ihrer klaren Stimme „Going Underground“, und die vom schwedischen Schwesterntrio Baskery bekannte Sunniva Bondesson unterstützt sowohl bei „Wind And Steel“ als auch beim bereits erwähnten „Falling Like Thunder“.
Fast alle Instrumente hat Multiinstrumentalist Cooper selbst eingespielt, neben den oben erwähnten weitere wie Piano, Bass, Harmonium oder die baltische Kastenzither Kantele. Unterstützung bekam er von diversen Gästen an Schlagzeug, Geige oder Nyckelharpa, „Wind And Steel“ kann sogar mit einer effektvollen Bläsersektion aufwarten. Mit dem Jimmy-Webb-Cover „Adios“ endet das insgesamt eher nachdenkliche Album mit Fokus auf dem Unterwegssein schließlich mit einem kleinen Hoffnungsschimmer im Blick auf die Möglichkeit neuer Wege in der Zukunft.
Aufgenommen wurde der Großteil des Materials in Coopers Blockhüttenstudio im Garten mit Overdubs aus Devon, Hamburg und Berlin, produziert hat Al Scott, der seit den Neunzigern auch für den Sound der Oysterband-Alben verantwortlich zeichnet.
Zwei Jahre hat Ray Cooper letztlich an den Songs gearbeitet. „Zwischen meinen Touren habe ich immer wieder Aufnahmen gemacht und geschrieben“, erklärt er. „Das stellte sich als sehr positive Herangehensweise heraus. Ich konnte mit frischen Ohren zum Album zurückkehren und mir unterwegs die Demos anhören.“ Auf den über vierzig Solotourneen der letzten zwölf Jahre blieb zudem viel Zeit zum Nachdenken. „Viele meiner Songideen kommen mir beim Autofahren. Das ist auch die einzige Zeit, in der ich Musik höre. Diese Lieder sind meine Erinnerungen, imaginäre Gespräche und Gedanken. Even For A Shadow ist wie eine Autofahrt und die Art von Radio, die ich dabei gerne hören würde, aber selten finde.“
Aktuelles Album:
Even For A Shadow (Westpark Music, 2024)
Aufmacherbild:
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