Mit Drehleier weltweit erfolgreich

Patty Gurdy exklusiv im Interview

21. August 2025

Lesezeit: 5 Minute(n)

Audio mp3: »Mit Drehleier weltweit erfolgreich«, 6:27 min

Gelesen mit der Stimme von Erik Prochnow und einer Person die nicht genannt werden möchte. Wir danken Ihr herzlich! Die Stimmen dieser Lesung wurden freundlicherweise zur Verfügung gestellt und dürfen ohne ausdrückliche Genehmigung nicht weiterverwendet werden.

Patricia Büchler alias Patty Gurdy ist ein Phänomen. Mit an traditionellen Folkstilen vor allem keltisch-nordischer Provenienz angelehnter, poporientierter Musik trifft sie seit Jahren einen Nerv und hat insbesondere bei jungen Menschen enormen Erfolg. Die Drehleierspielerin, Sängerin, Songwriterin und Influencerin verzeichnet über fünfzig Millionen Plays auf Spotify, rund fünfhunderttausend Follower auf Youtube und Posts auf Instagram, die mehr als 30.000 Likes bekommen. Das sind Zahlen, die nur wenige andere mit vergleichbarem Instrumentarium erreichen. In einem exklusiven Interview verrät Patty Gurdy ein paar Geheimnisse ihres Erfolges. Ein längeres Porträt über die Musikerin erscheint Anfang September in der Printausgabe #3.25 des folker im Rahmen eines umfangreichen Schwerpunkts zum Thema Bordunmusik und ist demnächst auch im f+-Bereich hier auf folker.world nachzulesen.
Text: Martin Wimmer

Hast du einen Bezug zum Begriff Folk? Ist das ein Genre, dem du dich zugehörig fühlst?

Ja, absolut. Das Wort kann natürlich erst mal für vieles stehen, zum Beispiel für American Folk oder für traditionelle Weltmusik. In meiner poporientierten Musik habe ich vor allem zentraleuropäische Einflüsse, deswegen nenne ich das, was ich mache, der Einfachheit halber gerne „Celtic Folk-Pop“, weil die Leute dann ungefähr die Region erkennen.

Auch Begriffe wie Mittelalter, Gothic, Metal werden im Zusammenhang mit deiner Musik genannt. Fühlst du dich damit gemeint oder eher nicht?

Mittelalter habe ich auf jeden Fall mit drin. Da mache ich jetzt aber nichts Authentisches, deswegen würde ich das mehr als Einfluss nennen. In der Musik konzentriere ich mich auf Poppiges, gerne Tanzbares oder auch mal sehr Expressives. Aber ich mache natürlich viele Collaborations, und da sind teilweise Metalkünstler dabei. Daher trifft man mich auch mal in diesen Szenen an.

Warum machst du überhaupt so viele Kollaborationen?

Weil ich mich nicht stoppen will, das zu tun, was mir einfach so unfassbar viel Spaß macht. Ich möchte mich nicht selbst in eine Genrebox stecken. Wenn einer meiner Lieblingskünstler auf mich zukommt oder mir zusagt für eine Collab, dann bin ich Feuer und Flamme und kann gar nicht Nein sagen. Patty Gurdy bedeutet für mich vor allem, dass ich ganz viele Freiheiten als Künstlerin haben darf und mich vielleicht ein bisschen von alten Mechaniken der Musikindustrie lösen kann.

Welche Künstler oder Vorbilder inspirieren dich?

Aktuell sind meine Vorbilder Künstlerinnen und Künstler, die wie ich medienübergreifend arbeiten und total inspirierend ihre eigenen Welten schaffen. Vor denen habe ich den allergrößten Respekt. Etwa Grimes: eine verrückte Indiekünstlerin aus Kanada, die keine Grenzen in ihrer Kunst kennt, sich ihr eigenes Universum schafft. Und ansonsten kamen wichtige Einflüsse tatsächlich auch aus der Rockrichtung – zum Beispiel in der Jugend Evanescence mit ihrem Gothic Rock.

Gab es bestimmte Vorbilder für dich an der Drehleier?

Besonders beeinflusst hat mich mein Lehrer Cliff Stapleton. Als ich ihn das erste Mal habe spielen sehen, ist mir der Mund offengeblieben. Man konnte jeden Ton in seinem Gesicht ablesen, weil er das so fühlt – das hat mich inspiriert.

Magst du ein bisschen über dein Hauptinstrument erzählen?

Wenn ich hauptsächlich Soloinstrumentalmusik machen würde, würde ich vielleicht andere Drehleiermodelle spielen. Ich liebe es, dass meine Instrumente starke, eigene Klangfarben haben, die sich auf einer Bühne behaupten können. Ich spiele Hurdy-Gurdys von Barnaby Walters, Wolfgang Weichselbaumer oder Walter Simons. Aber eben nicht nur so traditionell, sondern ich baue den Sound auf meine Weise in meine Musik ein.

Du coverst viele Songs, auch ältere. Ed Sheeran, Kate Bush, Gary Moore, „Moonlight Shadow“ von Mike Oldfield, „Sweet Dreams“ von den Eurythmics. Woher kommt diese Auswahl?

Das ist einfach das, worauf ich Bock habe. Manche Songs sind zwar schon älter, aber ich bin trotzdem mit ihnen aufgewachsen. Es sind einfach Klassiker. Ich probiere manchmal ein paar Lieder an und gucke dann, was auf meinem Instrument gut funktioniert. Wenn es funktioniert, dann will ich es der Welt zeigen.

Du nutzt sehr intensiv Social Media. Was möchtest du Musikschaffenden mitgeben, die damit Schwierigkeiten haben?

Es ist leider irgendwo eine Grundlage geworden, ohne die man von Musik fast gar nicht leben kann. Und ich glaube, solange man Social Media angeht mit dem Gedanken „Ich muss“, solange wird es auch wehtun. Bei mir hat sich das gedreht, als ich gesehen habe, dass Social Media ein ganz starkes Werkzeug ist, mit dem ich exponentiell Wirkung für meine Arbeit erzielen kann.

Erweitert Social Media dein Publikum?

Absolut. Mittlerweile haben wir eigentlich alle Generationen abgeholt. Aber für mich ist am wichtigsten, dass ich damit einen Hebel habe, meine Botschaften zu verbreiten: In meiner Musik geht es viel um Gemeinschaftsgefühl. Meine Fans nennen sich ‚Gurdians‘. Aus guardian, ‚Beschützer‘, und gurdy, ‚Drehleier‘, wurde Gurdians, weil meine Community aufeinander und auf mich aufpasst. Mental Health ist uns wichtig, einander nicht fallen lassen, füreinander da sein auch in schlechten Zeiten.

Foto: Promo

Du kombinierst Musik in deinen Videos mit einprägsamen visuellen Elementen, Landschaften, Mode, Accessoires – wie wichtig ist das für dich?

Man kann Dinge wirklich besser vermitteln, wenn man Menschen mit mehr als nur einem Sinn anspricht. Das fühlt sich für mich ganz natürlich an. Ich habe Grafikdesign studiert, das war für mich schon immer ein Kommunikationsmittel. Und ich freue mich, dass ich Musik und Bild nicht mehr voneinander trennen muss. Manchmal ist es auch gut, Regeln zu brechen. Das habe ich schon im Designstudium gelernt. Regeln sind dazu da, gebrochen zu werden.

Du machst so viel selbst: Bist du im Herzen eher Musikerin, Sängerin, Songwriterin, Influencerin oder Managerin – was beschreibt dich am besten?

Ich glaube, mein Antrieb ist, die Welt zu beobachten, zu sehen, wo Konflikte sind, zu lernen, warum sie da sind, und dann zu gucken, wie ich mit meiner Kunst Aufmerksamkeit darauf lenken und Menschen zusammenbringen kann, um mehr Lebensqualität für alle zu erzielen. Dass Menschen einbezogen werden, die sonst nicht gesehen werden. Insofern bin ich tatsächlich das alles. Für mich ist das Bild eines sozialen Treffpunkts hilfreich, den Soziologen ‚Dritter Ort‘ nennen. Darum heißt mein letztes Album auch Tavern. Ich kann nicht alle Menschen persönlich treffen, also habe ich mir diese Taverne als einen idealen Ort vorgestellt, an dem man sich begegnet, Geschichten hört und gemeinsam zu einer besseren Welt beiträgt.

Aktuelles Album: Tavern (Eigenverlag, 2024)

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Werbung

L