Milton Nascimentos bekanntester Titel von seinem bahnbrechenden Album Clube da Esquina (1972) ist „Cais“. Wenn ein Lied einen zum Weinen bringen kann, dann dieses. Gitarre, der Klang einer Orgel, minimale Perkussion und eine sehnsuchtsvolle Stimme, mehr braucht es hier nicht. Am Schluss ein stakkatoartiger Piano-Teil. Das wirkt wie Aufwachen aus einem Trip. Auch harmonisch sind Nascimentos Kompositionen hochinteressant. Sagen wir es so: Seine Akkorde dürften in deutschen Schlagern so gut wie nie vorkommen. Das Stück zeigt, nicht alle großen Stars der brasilianischen Musik klingen nach Samba und Bossa Nova oder kommen aus Rio. Und der Tropicálismo war auch nicht die einzige wichtige künstlerische Bewegung Brasiliens. Nördlich von Rio liegt der Bundesstaat Minas Gerais, ohne Zugang zur Küste, etwa so groß wie Frankreich. Die Musik ist hier ganz anders, sanfter und spiritueller. Von hier kommen Milton Nascimento und die künstlerische Bewegung Clube da Esquina (Der Club an der Ecke). Betörende Melodien, die Vorherrschaft von Klang und Atmosphäre gegenüber Rhythmen, die Perkussion der Indianer und Chormusik oder der Einsatz von Streichern sind Charakteristika dieser Musik. Nascimento singt sehr hoch mit viel Hall, als käme er aus einer anderen Dimension.
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