Sverre Indris Joner & Carlos del Puerto ft. The Cuban Opera Orchestra
Clasicos a lo Cubano – Live in Havana
Indris Pro AS/ Galileo MC
Norwegen, Kuba/ Classic goes Cuban
Fangen wir mal mit Klassik an. Dass es möglich ist, Klassik und kubanische Rhythmen zusammenzubringen, hat bei uns schon seit Jahren das Dresdner Trio Klazz Brothers bewiesen und dabei sehr verblüffende Einspielungen hinbekommen. Noch länger hat sich der norwegische Pianist Sverre Indris Joner mit solchen Verbindungen beschäftigt, dazu geht er besetzungsmäßig ins Orchestrale. Das Prinzip ist bei ihm, bei bekannten Stücke der Klassik wie Mozarts „Kleiner Nachtmusik“ bis Tschaikowskys „Nussknacker Suite“ das Orchester mehr swingen zu lassen und sie mit kubanischer Rhythmik zu unterlegen. Dazu haut Joner in typischer Salsa-Manier in die Tasten und synkopiert die Melodien. Die Stücke geraten dadurch in einen unerwarteten Drive. Hinzu kommen der füllige Orchesterklang und dass das Spiel mit der Wiedererkennung sehr unterhaltsam ist. Die alten Herren Beethoven, Strauss und Chopin werden plötzlich tanzbar. Wer hätte das gedacht? Das Ganze hat Joner mit seinen Musikern des Hovedøen Social Club, dem Münchner Rundfunkorchester und dem norwegische Rundfunkorchester KORK vor Zeiten schon einmal eingespielt, was sich in Kuba und Mexiko erfolgreich verbreitete. Nun traf er in Havanna auf das Cuban Opera Orchestra und spielte unter schwierigen Umständen seine kubanisierten Klassiker erneut live ein. Da so etwas für Kubaner alles andere als ein Widerspruch ist, hatten nicht nur alle ihren Spaß, es wurde auch vorgeführt, wie man lustbetont selbst mit schwerer Klassik umgehen kann.
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UB40
UB45
SoNo Recording Group LLC/ Evo Music
Großbritannien/ Reggae-Pop
UB40 soll eine der erfolgreichsten Reggae-Bands aller Zeiten mit 100 Millionen verkauften Alben, 50 UK-Top-40-Singles und 10 UK-Top-Ten-Alben sein. „Soll“ deshalb, weil man sich bei UB40 unsicher sein kann, ob es sich überhaupt um eine Reggae-Band handelt. Sie ginge auch als Popgruppe mit Reggae-Anleihen durch, zumal ihr Erfolg zu einem großen Teil auf Coverversionen aus anderen Stilen basiert. Trotz des ungeheuren Erfolges brachte es die Band fertig, in die Insolvenz zu kommen und sich in zwei miteinander streitende Bands aufzuteilen. Zudem kamen Todesfälle dazu. Von der einst kapitalismuskritischen Attitüde – UB40 ist ursprünglich ein britisches Arbeitslosengeldformular – blieb nichts übrig, hört man sich „Sing Our Own Song“ an, was auf jeden Kindergeburtstag passen würde. Zum 45. Jubiläum will man mit dem neuen Album UB45 und einer Tour nochmal abräumen. Viel Neues bietet man nicht und was neu ist, ist nicht unbedingt gelungener als das Alte. UB45 besteht zur einen Hälfte aus neuen Songs, zur anderen aus Neueinspielungen früherer Erfolge. Gastsänger Matt Doyle ist zudem bei den Kritikern umstritten. Große Unterschiede in der Machart der Songs gibt es nicht. Mainstream-Reggae eben, insofern fehlen die Höhepunkte. Kaum Instrumentalsoli, keine Experimente, kein Neustart also. Das übliche Ködern mit besserer Klangqualität bei den alten Nummern und ein paar neuen Titeln für die Sammler. Damit kann man kein Comeback erwarten. Hätte man z. B. das Original von „Tyler“ mit seinem dubbigen und kreativen Schluss erst jetzt veröffentlicht und wäre die uninspirierte neue Version die alte gewesen, dann hätte noch etwas Hoffnung bestanden. Und auch die eingängige Soul-Nummer „Gimmie Little Sign“ von Brenton Wood wird hier als „Gimme Some Kinda Sign„ nur runtergeschrubbt. Als schöner Schmuse-Reggae geht’s durch, Überraschungen werden keine geboten.
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HOTEL BOSSA NOVA
Trés Maneras
Enja/ Soulfood
Deutschland/ Brazil Jazz
Eine feste Größe im in Deutschland durchaus beliebten Genre des brasilianisch gefärbten Jazz ist mit inzwischen acht Alben die Wiesbadener Band Hotel Bossa Nova um Sängerin Liza da Costa. Trés Maneiras – drei Wege sind sie diesmal gegangen. Der erste Schwerpunkt betont ihre handwerklichen Qualitäten und das perfekte Zusammenspiel von Band und Gesang, insbesondere in „Postman“. Bei diesem Stück kann man sogar einige Bluegrass-Einflüsse hören. Hier kommt jeder mal zum Zuge, ohne dass die Beschwingtheit verloren geht. Im zweiten Bereich fügt die Band den Songs einige dezente elektronische Sounds zu. Hier wahrt sie besonders gut das Verhältnis zwischen Pop und Jazz. Und drittens gibt es Lieder mit intimer Atmosphäre, in der sich da Costa besonders gut vermitteln kann. Dazu rhythmische Raffinessen im Hintergrund. Die Band hat über die Jahre einen eigenen Sound gefunden, der relaxed ist, aber wesentlich anspruchsvoller wirkt als die Welle brasilianischer Lounge Music oder vieler Latin-orientierter Smooth Jazz-Interpreten. Brazil Jazz auf hohem Niveau.
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Flavia Coelho
Ginga
Vagh & Weinmann music/ PIAS France
Brasilien, Frankreich/ MPB
Vor einiger Zeit ließ die in Frankreich lebende, brasilianische Sängerin Flavia Coelho mit ihrem lebensfrohen Gesang und zeitgemäßen Arrangements aufhören. Bei ihrem neuen Album weiß man dagegen nicht so recht, was man davon halten soll. Den Songs fehlt oft die Fülle, die Arrangements sind zu routiniert. So hat „Nordestina“ einen versierten Beat, aber ohne Keyboards oder Bläser wirkt alles steriler als die Musik auf den Vorgängeralben. Fülle kann man eben nicht durch mehr Autotuning erzeugen. Zu sehr dominieren Samples und Homerecording, zu wenig klingt es nach einer Band, die zusammenspielt. Dabei ist Coelho eher für die Bühne geschaffen und so fehlt ihr hier der energetische Kick. Die Melodien sind meist einen Tick zu simple, was eigentlich nur gut bei einem Reggae wie „Doca Manhãs“ funktioniert. Am gelungensten ist noch der Rap „Lapa“, der angenehm Laid-Back rüberkommt.
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Lau Ro
Cabana
Far Out Recordings
Brasilien, England/ Psychedelischer Ambient Folk
In „Assim“ zwitschern Vögel, ein Cello besänftigt uns, eine verträumte Stimme singt zu dezentem Bossa Nova-Rhythmus, später gesellen sich leise pfeifende Flöten dazu, es rauscht beständig. Ein musikalischer Nachmittag im Garten? Tatsächlich nahm der/die nichtbinäre Sänger/in und Komponist/in Lau Ro aus Brighton mit brasilianischen Wurzeln das Album in einer Gartenhütte auf. Warum nicht. Gesellen wir uns dazu, schließen die Augen und hören zu. Irgendwo zwischen Dream Pop, verträumtem Bossa Nova, Ambient Folk, trippiger Tropicália und einem Schuss Syd Barrett liegt das Universum von Lau Ro. Ab und zu wird man aufgeweckt von Fuzzgitarren und nervösen Trompeten. Dann wieder flirrende Sounds zu einem verschlafenen Rhythmus, durchwachsen von einer leise quiekenden Caixa. Einfache Arrangements mit dezenten Klängen, manchmal wie eine hingehauchte Session. Wenn man sich darauf einlässt, entdeckt man bislang unbekannte musikalische Kristalle und wird Zeuge einer neuen Klangästhetik. Erneut präsentiert das Far Out-Label einen Namen mit einer unverbraucht wirkenden Klangwelt aus der neuen brasilianischen Singer/Songwriter-Avantgarde. Lau Ro war bislang in der Psychedelic Folk- und Rockband Wax Machine tätig. Ihre Musik ist der Blick einer durch Auswanderung der Familie entwurzelten Person auf ein Brasilien der Kindheit und der dortigen Musik der 1960er und 1970er Jahre.
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Ibelisse Guardia Ferragutti & Frank Rosaly
Mestizx
International Anthem
Bolivien, Puerto Rico, Niederlande/ Tribal Music
Der Begriff „Mestizx“ bezeichnet in Südamerika Menschen gemischter Abstammung und das trifft auf Ferragutti & Rosaly als Personen wie auch ihre Musik in mehrfacher Hinsicht zu. Die Sängerin Ibelisse Guardia Ferragutti wuchs in Bolivien und Brasilien auf, Frank Rosaly ist ein puerto-ricanischer Schlagzeuger, Komponist und Sounddesigner. Beide trafen sich in Amsterdam, wo sie ihre mystische Tribal Music praktizieren. Es ist eine Melange aus Ambient-Pop, lateinamerikanischen und afrikanischen Rhythmen, freien Jazzimprovisationen, rituellen Gesängen und experimentellen Geräuschen. Ein Soundscape, der die Melodien ihrer Ahnen und Kindheit sowie die Geräuschwelt der südamerikanischen Natur zu einer Art andiner Schamanenperformance verbindet. Hypnotisch bis chaotisch in der Wirkung, wirkt die Musik wie eine Mischung aus Jam Session und Stammesritual.
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