Altenheimspiel im Urknallhaus

Ostfolk der frühen Jahre

13. April 2022

Lesezeit: 3 Minute(n)

Malzhaus, Plauen, 29.-30.10.2021

Nach dem zweimaligen coronabedingten Verschieben konnte es Ende Oktober nun endlich stattfinden: das „Altenheimspiel“. Ein Treffen der DDR-Folkszene der frühen Jahre im Plauener Malzhaus im Vogtland, welches Konzertmoderator Dieter Beckert liebevoll als „Urknallhaus“ des Ostfolk vor 45 Jahren bezeichnete. Nebenbei feierte man auch dreißig Jahre Wiedereröffnung der Spielstätte nach der Zwangsschließung zu DDR-Zeiten.

 

Text: Reinhard „Pfeffi“ Ständer

Der Freitagabend des Veranstaltungswochenendes stellte mit der Präsentation der Fotoschau „Das Malzhaus und der Folk im Osten“ eine gewisse Einstimmung auf das Fest dar, umrahmt von einem kleinen, feinen Programm in der Galerie, welches der Dudelsackspieler und -lehrer Peter Schultze alias Schottenschulle mit einer Pipesfanfare eröffnete. Die einheimische Gruppe Landluper bot einen Querschnitt aus ihrem Repertoire, auch mit vogtländischem Liedgut. Von der Berliner Formation Windbeutel stellten sich „Drei alte Noten“ vor, gefolgt vom Trio Stamm/Lemmer/Wetzker, in den Siebzigern bekannt als Enniskillen, eine der Bands, die nahezu ausschließlich Irish Folk spielten, und diese Stilrichtung gab es von den dreien auch im Malzhaus zu hören. Höhepunkte des ersten Abends: die Folkländer aus Leipzig, die seit diesem Jahr wieder regelmäßig zusammen spielen, sowie ein Kies-Gedenk-Special zu Ehren des verstorbenen Ex-Wacholder-Mitglieds Matthias Kießling. Eine kleine Session beendete den Abend.

Am Samstagnachmittag konnte man in der Galerie zunächst einer Ausstellungsführung zur Fotoschau folgen, bei der Wolfgang Leyn Wissenswertes und Skurriles über die Protagonisten auf den Fotos vermittelte. Zur Buchvorstellung Die Vogtlandreise luden Autor Dieter Kalka und Illustrator Jürgen B. Wolff ein. Kalka hatte das Buch extra zum Altenheimspiel vor einem Jahr geschrieben. Anschließend stellte Bernhard Hanneken sein Deutschfolkbuch vor (siehe auch Beitrag in folker #1.21) – in der Diskussion mit Wolfgang Leyn, Jo Meyer, Peggy Luck und Tim Liebert alias Doc Fritz, der auch zur Waldzither sang, wurde über die Anfänge des Folk in Ost und West sowie Gemeinsamkeiten, Unterschiede und den historischen Kontext diskutiert.

Das Abendkonzert begann wieder mit Schottenschulle und seinem Dudelsack sowie im Duo mit Barbara Blickensdorf von ihrer damaligen gemeinsamen Berliner Gruppe Skye. Mit Angelika Scheel von der Gruppe Brummtopf und Wolfgang Mahrle von Saitensprung war die Erfurter Szene mit traditionellen Folkstücken aus Deutschland und Irland vertreten. Ganz anders der Auftritt von Erik Kross, einst bei Wacholder, Folkländer und Heureka, mit Improvisationen auf dem Hackbrett. Das Duo Tricolora um Dietmar „Alphorn“ Schulz sowie Bob, Helga und Inka Lumer mit Musik aus der Bretagne, Schottland und den USA, damals als Gruppe Bordun bekannt, folgten.

An Matthias „Kies“ Kießling wurde mehrfach erinnert. Das Thema der Endlichkeit zog sich durch das Treffen der Altvorderen – bis hin zu Jürgen B. Wolffs Idee einer „Funeral Society“, einer Musikergesellschaft, die bei künftigen Trauerfeiern spielen könnte. Treffend dazu sangen Schottenschulle, Heidi Ruppel und Jürgen B. Wolff Otto Reutters Gassenhauer „Bevor de sterbst“. Schwarzen Humor hat die Szene auf jeden Fall.

Schräger und absurder Höhepunkt des Galerie-Konzertes: Jens-Paul Wollenberg und die Münzenberger Gevattern-Kombo (zu dritt), dabei gab es neben bekannten Liedern wie „La Marmotte“ eine spezielle Version des uralten DDR-Rocktitels „Sagen meine Tanten“ von Scirocco. Das Publikum tobte vor Begeisterung. In einer Slideshow wurden den ganzen Abend im Hintergrund große Schwarz-Weiß-Fotos aus alten Zeiten gezeigt, passend zu den jeweiligen Musikern, die auf der Bühne standen.

Den Abschluss bildeten zwei Sessionkonzerte im Kellergewölbe. Folkländer nebst Duo Sonnenschirm begeisterten noch einmal mit beliebten Songs. Anschließend die Berliner Band JAMS mit norddeutscher Folklore bis hin zu Weltmusikklängen.

Großes Lob gebührt dem Malzhaus-Team für die umsichtige Organisation, in Pandemiezeiten nicht ganz einfach. Das Gleiche gilt für die, die das Altenheimspiel initiierten – Jürgen B. Wolff, Schottenschulle und Heidi Ruppel. Es ging zu wie bei einem Klassentreffen: Viele trafen sich nach dreißig oder mehr Jahren erstmals wieder. Vielleicht sieht man sich ja noch einmal, bevor dann die Funeral Society aufspielt.

 

www.malzhaus.de

 

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