Es grünt so grün, wenn Irlands Blüten blühen

Zeitgeist Irland 24 – Irish Spring, Irish Waves, Irish Heartbeat, Neue Schmiede, Bielefeld, 14.3.2024; Harmonie, Bonn, 21.3.2024; Troisdorf, Stadthalle, 23.3.2024

12. Juni 2024

Lesezeit: 5 Minute(n)

Unter dem Motto „Zeitgeist Irland 24“ fördert die Regierung der Republik Irland in diesem Jahr allerhand irische Kunstprojekte in Deutschland, seien sie schon lange bekannt, seien sie extra dafür neu konzipiert. Dazu gehören selbstverständlich auch Konzerte mit irischer traditioneller und Folkmusik. Der folker besuchte drei davon: das Irish Spring – Festival of Irish Folk Music, das Irish Wave Festival und das Irish Heartbeat Festival, also zwei inzwischen schon altehrwürdige Festivaltourneen, über deren Geschichte der folker 2023 berichtete, und ein noch neues, lokales Event.
Text und Fotos: Michael A. Schmiedel

Das 2001 von Rainer Zellner von Music Contact gegründete und seit 2023 unter Daniela Wildes und Markus Dehms Agentur Heimat PR laufende Irish Spring – Festival of Irish Folk Music (ISF) gastierte 2024 erstmals in der Neuen Schmiede in Bielefeld, und zwar gleich an zwei Abenden (der folker war am ersten davon zugegen). Nach der Begrüßung durch eine Vertreterin des Veranstaltungsorts übernahm mit Deirdre Moynihan eine der Musikerinnen des Abends die weitere Moderation. Kristine Talamo-Spiegel und Servais Haanen waren also nicht mehr dabei, die viele Jahre lang durch das Programm geführt hatten.

Inni-K

Das Konzert begann mit Inni-K mit einer Solistin, die mit Gesang, Gitarre und Geige eine klare, feine Musik darbot. Es war ein sanfter Opener, der die Ohren und Herzen des Publikums auf sehr angenehme Weise in den Abend führte. Es folgte das Geschwistertrio The Moynihans mit aus Zuschauerperspektive von links nach rechts Diarmaid Moynihan (Uilleann Pipes, Whistles), Moderatorin Deirdre Moynihan (Fiddle, Gesang) und Donncha Moynihan (Gitarre). Die Spannung in ihrer Musik speiste sich aus sehr druckvollen Tunes, bei denen die auf den Pipes gespielten Marches besonders tief berührten, und sehr kunstvollem, eher klassischem Gesang. Noch druckvoller wurde es dann mit 3’oh bestehend aus Shane Meehan (Fiddle), David Munnelly, (Akkordeon) und Shane McGowan (Gitarre), von denen letzte beide regelmäßigen ISF-Besuchenden von früheren Teilnahmen in anderen Konstellationen bekannt sein dürften, sowie Sängerin Anne Brennan und der tschechisch-irischen Sean-Nós-Tänzerin Aneta Dortová. Letztere praktizierte auf ihrem Tanzbrett eine wahrhafte Fußpercussion. Die obligatorische Festivalsession aller Musikerinnen und Musiker rundete den Abend wie ein Feuerwerkshowdown ab.

3'oh mit Aneta Dortová

Das Irish Wave Festival in Bonn war keine Tournee, sondern Bestandteil des ebenfalls nur in Bonn, dort aber auf siebzehn Bühnen stattfindenden Over the Border Festivals von Manuel Banhas Agentur 2Gether Concert, das seit 2016 Folk- und Weltmusik aus ganz verschiedenen Musikkulturen in die ehemalige Bundeshauptstadt bringt. Es war somit ein Festival im Festival und bestand aus zwei Teilen mit unterschiedlichem Programm. Hier besuchte der folker den zweiten Konzertabend, der zehn Tage nach dem ersten stattfand.

Festivalsession beim Irish Spring Festival mit allen Beteiligten

Zwei Bands präsentierten ihre Kunst dem Publikum, nämlich Ben Bulben aus dem benachbarten Königswinter und Kíla aus Irland. Die Königswinterer brachten sieben Köpfe auf die Bühne: Bernd Lausberg-Willhof (Keyboards), Christoph Anthony (Fiddle, akustische Gitarre, Gesang), Joe Thar (Gesang, akustische und elektrische Gitarre, Mandoline), Thomas Riegler (Schlagzeug, Percussion), Myra Anthony (Gesang, Querflöte, Whistle), Claudia Anthony (Querflöte, Whistle, Low Whistle, Gesang, E-Pipe) und Stefan Boenigk (Bass). Seit den Neunzigern bieten sie deftigen Folkrock, bei dem an diesem Abend Schlagzeug und Bass die Geige leider übertönten, Gesang und Flötenspiel aber auch in etwas verträumtere Gefilde entführten. Kíla vertraten dann eine ganz eigene Spielart des Irish Folk oder besser der irischen Weltmusik: Rossa Ó Snodaigh (Cajon, Tin Whistle, Fingerpfeifen), James Mahon (Uilleann Pipes), Brian Hogan (E-Bass), Dave Hingerty (Schlagzeug), Rónán Ó Snodaigh (Bodhrán, Gesang, Cajon), Colm Ó Snodaigh (Querflöte, Gesang) und Seanan Brennan (Gitarre) boten ein zweistündiges Feuerwerk an sehr perkussivem, teils auch gospelähnlichem gälischem und etwas englischem Gesang, vorgetragen vor allem von Rónán Ó Snodaigh, der mit kehliger Stimme sang und barfuß auf der Bühne tanzte. Das Schlagzeug dominierte hier nicht, sondern untermalte sogar eher dezent, während Bodhrán und Cajon den Rhythmus bestimmten. Als Gast erschien auch eine Bekanntschaft von einer Session vom Vorabend auf der Bühne: die Fiddlerin Sabrina Palm aus Bonn, derzeit sicher wichtigste Irish-Folk-Musikerin der Region. Auch hier endete das Festival mit einer gemeinsamen Session aller Musikerinnen und Musiker des Abends.

Ben Bulben

Troisdorfer Irish-Folk-Fans dürften dieses Jahr überrascht gewesen sein, statt des seit Jahren gewohnten ISF nun das Irish Heartbeat Festival (IHF) in ihrer Stadthalle vorzufinden. Das IHF tourt seit 1990 – anfangs unter dem Namen St. Patrick’s Day Celebration Festival – unter der Leitung von Petr Pandulas Agentur Magnetic Music durch Deutschland. Dass es nun in Troisdorf gastierte, hat etwas mit dem Veranstalterwechsel des ISF zu tun. Eine gewisse Konkurrenz zwischen den beiden Touren gibt es, anders als 2023 beschrieben, also wohl doch. Ganz in St.-Patrick’s-Grün gekleidet, moderierte Pandula selbst die Show, deren erster Act aus dem Duo Léda bestand. Trotz seines griechischen Namens – léda heißt „Glück“ – setzt es sich aus der Irin Éadaoin Ní Mhaicín (Harfe, Fiddle) und der Kanadierin Emily Jean Fleck (Piano, Gesang) zusammen. Ähnlich wie der Opener des ISF sorgten sie für einen eher ruhigen, getragenen, gelegentlich aber auch flotten Einstieg ins Festival. Ihnen folgte mit Geraldine MacGowan (Gesang, Bhodhrán) die Grand Dame des Irish Folk zwischen ihren Compagnons Kevin Griffin (Banjo) und Michael Coult (Gitarre, Querflöte). Die 74 Jahre sah man der Sängerin aus Doolin nicht an, und ihre recht tiefe, samtige Stimme transportierte ihre Songs auf sehr angenehme Weise, während der sechzigjährige Kevin Griffin sein Banjo mit einer Routine spielte, als mache er es so nebenher, und dabei seinem Instrument Töne und Tempo entlockte, die mitrissen. Der dreißig Jahre junge Michael Coult begleitete beide auf der Gitarre oder spielte ein paar Tunes auf der Querflöte.

Kíla mit Sabrina Palm_

Nummer drei des IHF war die sicher ungewöhnlichste Formation aller drei Festivals: die in bunte Kostüme gekleideten Armagh Rhymers aus Nordirland, deren Tier- und Korbmasken auf den Köpfen an die schwäbisch-alemannische Fastnet erinnerten. Außer dass sie auf Mandoline und Tin Whistle (Sarah Barry), Gitarre (Annie June Callaghan), Banjo (Larry Harte), Fiddle (Dee Armstrong –  eigentlich bei Kíla) und Schlagzeug (Robby Perry – eigentlich bei Dead Can Dance) auf deftig-rustikale Weise flotte Tunes und Songs zu Gehör brachten, gab es auch etwas zu sehen, nämlich ein Schauspiel, in welchem der heilige Patrick gegen Oliver Cromwell kämpfte und ihn besiegte. Das mutete an wie eine Theatergruppe aus Inspector Barnaby, also skurril, schräg, exaltiert.

Léda

 

Was bleibt als Fazit dieser drei irischen Frühlingsfestivals? Glück hatte, wer alle drei besuchen konnte, denn trotz ähnlichen Aufbaus war keines wie das andere, jedes war eigen und bot trotz gemeinsamer Herkunftskultur unterschiedliche Klänge, Melodien und Performances. Das darf in den folgenden Jahren gerne so weitergehen!

Geraldine MacGowan Trio
3
Aufmacher:
The Armagh Rhymers

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