Texte und Fotos: Michael A. Schmiedel
Hamburg ist eine Stadt mit viel Wasser und viel Musik. Beides kommt zusammen an der Elbphilharmonie, die aber nicht der Ort des fünften DeutschFolk- und zugleich ersten Nord Folk Festivals war. Was aber nicht schlimm war, denn …
… beides, Wasser und Musik, kommt auch zusammen am Goldbekhaus, das am Goldbekkanal liegt, der später in die Außenalster mündet. Das aus zwei Gebäuden bestehende Goldbekhaus ist ein Stadtteilkulturzentrum in Winterhude und beherbergt zwei Säle, mehrere Seminarräume, eine Küche, sowie ein Restaurant. Es eignete sich vorzüglich als Festivalort für Deutsch-, Nord- und Balfolkies.
In dem einen Saal befindet sich die Bühne zum Hof, auf welcher Melf Torge Nonn (2. v. l.) für das Team des Nord-Folk- und Alexander Peters (r.) für das Team des DeutschFolk-Festivals das Doppelfestival eröffneten und hier zusammen mit Kristina Künzel (l.), Henrike Eckhardt (m.) und Pay Bandik Nonn (2. v. r.) ein kleines Eröffnungskonzert darboten, unter anderem mit dem sehr schönen „Highlife Schottisch“ von Heinrich Nicol Philipp aus dem Jahr 1784, der das Zeug hat, zu einer Hymne des neuen Deutschfolk zu werden – wenn auch ohne Text.
Gleich zum Auftakt am Donnerstagabend gab es auch einen Hauptact, nämlich Hepta Polka, deren Mitglieder in Hamburg, Berlin und Kopenhagen zu Hause sind und deren Tanzmusik eine absolut mitreißende Mischung skandinavischer bis balkanischer Provenienz ist, gewissermaßen mit Deutschfolk in der Mitte. Anschließend gab es eine offene Session mit allen, die wollten und konnten.
Das Freitagsprogramm begann am Nachmittag mit einigen Workshops wie „Balfolk Intro“, „Mit der Tradition ringen“ und „Folkliedersingen“, Letzteres mit Waldzitherguru Tim Liebert alias Doc Fritz (im Foto links, siehe auch Artikel zu Liebert in folker #4.25). Auch eine offene Bühne gab es parallel.
Das Abendprogramm bot einen Wechsel von Zuhörkonzerten auf der Bühne zum Hof und Tanz im (anderen) Saal. Hier das deutsch-dänische Duo Plønk mit Björn Kaidel (links) und Christian Mohr Levisen, die eine sehr feine, eher leise Musik auf ihren Waldzithern darbrachten.
Ebenfalls auf der Bühne zum Hof gab das Duo Muckenpensel aus Bonn ein Konzert mit eigenen und tradierten deutschen, schottischen und anderen Liedern. Katja Muckenschnabl konnte dabei auch ein Kazoo oder gar eine Trompete mit Schalldämpfer mit den eigenen Lippen imitieren, was sie etwa bei einem jazzigen Zwischenspiel zu „Es saß ein klein wild Vögelein“ einsetzte.
Im (anderen) Saal spielten die Bands Feather & Fox, Solid Ghost und das Pabameto Quartett (Foto) zum Tanz auf. Man sieht auf der Bühne auch die beiden Zwillingsbrüder Melf Torge und Pay Bandik Nonn, die bereits bei Hepta Polka und im Eröffnungskonzert zu hören gewesen waren. Dass Musikschaffende in verschiedenen Ensembles auftraten, war bei diesem Festival keine Seltenheit.
In einem Raum namens Deck 9d stellten Instrumentenbauwerkstätten ihre Produkte vor – zum Beispiel Nyckelharpas, Waldzithern, Gitarren, Mandolinen oder Blockflöten (Foto).
Der Samstag war der Haupttag des Festivals mit der Profolk-Session (Foto), offener Bühne, acht Workshops, Tanz und kleinen Konzerten tagsüber sowie Tanz und Konzerten am Abend. Unabhängig vom Festival fand auf dem Gelände auch ein Flohmarkt statt, dessen Ausstellende und Besuchende die Musik von der Gartenbühne kostenlos genießen durften.
Einen der Workshops bot das ehemalige Liederjan-Mitglied Jürgen Leo an (siehe auch Artikel zu Liederjan in folker #2.25, der mit dem Publikum von den „Likedeelern“ sang, also von Klaus Störtebeker und seiner Mannschaft, und mithilfe der Teilnehmenden auch Zauberkunststücke vorführte. Die Miniziehharmonika, die im Foto auf der großen montiert ist, war tatsächlich spielbar.
Die Landstreicher sind ein Ensemble der Flensburger Musikschule, die auch Pay Bandik Nonn (im Hintergrund am Kontrabass) absolviert hat. Sie spielten auf der Gartenbühne zum Tanz auf.
Auf der offenen Bühne gab es kleine Konzerte wie im Foto von einem Ensemble bestehend aus (v. l. n. r.) Ronja Lutz, Peggy Luck, Micha Hoffmann, Thomas Strauch und Matthias Rost. Hier singen und spielen sie „Was ist hier los?“ nach dem Charthit „What’s Up“ der 4 Non Blondes von 1992.
Auch am Samstagabend wechselten sich Tanz und Konzerte ab. Hier zu sehen die OS-Dorfmusik aus Hamburg-Osdorf mit ihren regionalen und allgemein deutschen Tänzen im Saal.
Jazzig ging es mit Way North auf der Bühne zum Hof weiter. Die Band bot eine experimentierfreudige folkjazzige Mischung von Musik skandinavischer und anderer Herkunft, bei der sich Martin Zamorano am Klavier und Finn Fenrik Stamer – auch bei Hepta Polka – an der Geige herrliche Duelle lieferten.
Wings & Tales aus Dresden wiederum spielten Balfolkmusik aus Deutschland, Irland und Skandinavien sowie eigene Stücke mit diesen Einflüssen.
Das Konzert von Silja (siehe auch Artikel in folker #3.25) hatte vor allem durch Geiger Mark Kovnatskiy einen starken Ostmitteleuropa- und Klezmereinfluss. Aus Kristina Künzels Sackpfeifen ertönten jedoch auch Melodien, die mittelalterlich, frühneuzeitlich oder orientalisch anmuteten, wogegen Ben Aschenbach seine Gitarre mit Akkorden, rhythmischem Schlagen auf die Saiten und Fingerpicking melodiös und perkussiv zugleich behandelte. Ganz große Musik!
Ein weiterer Höhepunkt war der Auftritt des eigens für das Festival zusammengestellten Nord Folk Orchesters unter der Leitung von Vivien Zeller, die auch Input zum Repertoire des Jugendfolkorchesters (JFO) in Rudolstadt beigetragen hat. Auch unter den hier Musizierenden waren JFO-Teilnehmende, die in dem Fall mit Musiksenioren und -seniorinnen zusammenspielten, sodass es ein generationenübergreifendes Orchester war. Der Klang war voll und füllte den Saal.
Einen Kontrast dazu bot der jetzt in Leipzig beheimatete Hannoveraner Liedermacher David Lübke (siehe auch Artikel in folker #3.22), der zur Gitarre oder zum Banjo (Foto) eigene nachdenkliche, lustige und verträumte Lieder vortrug. Dabei war die Art, wie er Wörter betonte, Lücken einbaute und zwischen langgezogenen und stakkatoartigen Passagen so, dass seine Stimme mehr als nur Melodie und Text transportierten.
Folk My Life! Diese Aufforderung ist zugleich der Name der Band, deren Mitglied auch Festivalmitorganisator Alexander Peters (rechts mit Gitarre) ist. Lieder und Tanzstücke aus Deutschland, Frankreich, Schweden und anderen Ländern – zum Beispiel aus der Bretagne, wie man auf dem Foto sieht, wo ein An Dro gespielt und getanzt wird.
Wie schon im vorherigen Jahr beim DeutschFolk-Festival in Dinker (siehe auch eigenen Fotobericht hier) gab es auch in Hamburg am Sonntagmorgen ein gemeinsames Frühstück und einen Fachvortrag. An Ersterem nahmen nur wenige Teil, wohl um ausschlafen zu können, um an Zweiterem wach zu sein. Norbert Feinendegen aus Bonn erläuterte die Geschichte der Hamburger Waldzither, wie sie aus zwei Vorbildern, nämlich der Thüringer Waldzither und der Portugiesischen Gitarre der Firma Böhm, Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts entwickelt und auf den Markt gebracht wurde.
Peggy Luck (im Foto rechts) führte ihren Workshop „Mit der Tradition ringen“, in welchem es um den Umgang mit tradierten, aber eventuell nicht mehr zeitgemäßen Texten ging, in drei Teilen durch, dessen letzter am Sonntagmittag stattfand. Jochen Wiegandt (ebenfalls Ex-Liederjan), der vorher noch Norbert Feinendegens Vortrag musikalisch begleitet hatte, beteiligte sich ebenfalls daran (Foto Mitte, links Jürgen Leo).
Die Zwillinge Torge und Bandik Nonn sind auch Mitglieder des Trad Quartetts (siehe auch Artikel in folker #4.25), gemeinsam mit Ursula Suchanek und Alexander Peters. Sie eröffneten das Abschlusskonzert. Der letzte Tanz war es noch nicht ganz, aber es wurde getanzt, als gäbe es danach lange keine Gelegenheit mehr dazu.
Aber auch ruhigere Töne zum Zuhören gab es noch einmal, wie im Foto von Kris van ’t Klooster (rechts) und Victor Lekeu als Teil des Trios Lifanu aus den Niederlanden. Auch Peggy Luck, Jürgen Leo und andere traten ein letztes Mal auf, wobei Leo etwas schelmisch sagte, dass das, was er jetzt spiele, nur zum Zuhören sei, man also keine schlürfenden Tanzschritte hören müsse. Tatsächlich gab es ein doppeltes Zielpublikum des Festivals: Tanzende und Zuhörende. Während erstere die Zuhörkonzerte als Pausen zwischen den Tänzen nutzten, schauten letztere bei den Tänzen den Tanzenden zu – oder tanzten teilweise mit. So hatte das Festival auch etwas von einem Brückenschlag zwischen der Liedfolk- und der Balfolk-Szene.
Eh in beiden Szenen zu Hause ist Altami, deren Mitglieder (v. l. n. r.) Tanja Bott, Michael Möllers und ein weiteres Mal Alexander Peters mit ihrem Auftritt erneut an das DeutschFolk-Festival 2024 in Dinker erinnerten, das zugleich Herkunftsort der Familie Dahlhoff ist, der die heutige deutsche Folkszene die intensiv genutzte, umfangreiche Sammlung an Tanzmelodien verdankt.
Ganz zum Schluss – also vor dem Aufräumen – gab es einen Abschiedskanon, angeleitet von Matthias Rost (Foto). So ging ein Doppeltevent zu Ende – zum einen das fünfte DeutschFolk-Festival, das die von der unter dem Dach von Profolk fungierenden DeutschFolk-Initiative initiierte Reihe fortsetzte, welche 2021 in Jena begann, wohin sie vom 21. bis 23. August 2026 auch wieder zurückkehren wird, um Lieder und Tänze aus Deutschland und deutschsprachigen Regionen der Nachbarländer zu pflegen; zum anderen das Nord Folk Festival, dessen zweiten Ausgabe vom 16. bis 18. Oktober 2026 wieder im Hamburger Goldbekhaus stattfinden soll, vor allem mit Tanzmusik aus verschiedenen europäischen Ländern. Das „Nord“ steht dabei einerseits für Norddeutschland, wo Hamburg liegt, andererseits aber auch für den starken nordeuropäischen Fokus des Repertoires. Deutschfolk präsentiert sich so eingebettet in andere Folkszenen und -traditionen mit fließenden Übergängen.
www.deutschfolkinitiative.de/festival
www.nordfolkfestival.de
Weitere Fotogalerien zum Festival:
Von Wolfgang Behnke: https://folk.behwo.de/NFF2025/index.html
Von Michael A. Schmiedel (ergänzt): www.folktreff-bonn-rhein-sieg.blogspot.com































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