Er ist, so hat er angekündigt, zum letzten Mal in Europa unterwegs. Mit einem neuen Album im Gepäck und einer agilen Band feiert Mulatu Astatke das Finale einer großen Karriere, die den Mann aus Ostafrika zu den großen Festivalbühnen brachte. Nicht zuletzt seine Filmmusik für den Jim-Jarmusch-Film Broken Flowers brachte ihm weltweit Aufmerksamkeit und Anerkennung. Ob es wirklich bei seinem Rückzug bleibt – nach einem solchen Konzert, wie dem im September in der Hamburger Elbphilharmonie?
Text: Gerd Döring
Mit „Mulatu“, dem Signetstück seines aktuellen Albums, wollte Astatke diesen Abend eigentlich enden lassen; eine vielfarbige Rückschau auf die Jahre seines Schaffens, die er – am Keyboard sitzend – mit fast versonnenen Klängen durchwandert. Die Band ist dabei durchaus gefragt, hält sich aber meist dezent zurück. Aber, das Publikum macht es dem Senior nicht einfach. Langer, sehr langer Applaus vom begeisterten Publikum holt den Musiker und seine Band wieder auf die Bühne, und so endet der Abend doch ausgelassen mit einem umjubelten Finale.
Für seine Ausbildung musste der Mulatu Astatke als Jugendlicher Äthiopien verlassen. Pilot sollte er werden und in Europa studieren. Er aber entdeckte in England den Jazz für sich, studierte am Trinity College in London und am Berklee College in den USA. Später, wieder zu Hause, ließ er diese Erfahrungen in seine Musik einfließen, gründete er sein „African Jazz Village“ und begann mit dem, was als „Ethio Jazz“ eher unzureichend gelabelt wurde: einer famosen Mixtur äthiopischer Traditionen mit westlicher Harmonielehre und Instrumentierung. Seine erste Gruppe, das Ethiopian Quintet, gründete er noch während seines Studiums in den USA, damals schon mit Musikschaffenden aus der Karibik – ein Einfluss, den man auch in Hamburg in den Kompositionen des Abends hören kann.
Mit „Yèkèrmo Sèw“ interpretiert er in den kurzweiligen anderthalb Stunden eines seiner bekanntesten Stücke neu. Wie selbstverständlich verbindet er hier eine äthiopische Melodie mit einem Hard-Bop-Standard von Horace Silver. Leider nicht mit in Hamburg sind die Instrumentalisten seines Jazz Village Club, die auf dem Album mit Instrumenten wie Krar, Masinko und Washint die westliche Instrumentierung ergänzen.
Aber eine agile Band aus Musikschaffenden ist dabei, allen voran James Arben (Saxofon und Flöte), der auch als Bandleader fungiert. Neben ihm steht Trompeter Byron Wallen, am Cello sitzt Danny Keane, der sein Instrument zuweilen mit ruppigem Schlag einsetzt. Mit Neil Charles am Kontrabass und den beiden Schlagwerkern Richard Olatunde Baker (Percussion) und Jon Scott (Drumset) unterstützt zudem eine Rhythmussektion, die den Latin-Touch von Astatkes Stücken ebenso beherrscht wie die Rhythmen Ostafrikas. Am Klavier sitzt mit Alexander Hawkins ein ausgewiesener Jazzpianist, der aber – nicht zuletzt nach etlichen Jahren an der Seite Astatkes – auch seine Fähigkeiten als Melodiker beweist. Mulatu Astatke selbst ist mehr Ideengeber als Solist. Ab und an spielt er Vibrafon, wechselt auch mal bedächtig zu Keyboard und Congas, lässt aber im Übrigen seinen weitaus jüngeren Mitstreitern viele Freiheiten, die sie mit energischem Spiel auch zu nutzen wissen.
So wird der Abend in Hamburg zu einer ausgelassenen Party, aber zugleich auch zu einer beeindruckenden Rückschau auf ein Lebenswerk.








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