Mit einem leichten Grinsen im Gesicht und dem ihm so eigenen kauzigen Humor wirft Richard Thompson einen Blick zurück auf seine lange Musikkarriere. Und während er erzählt, begleitet er sich wie nebenher auf der Gitarre. Und das macht er auch in seinen Songs unglaublich virtuos. „Is there a surer pair of hands?“, fragte der Guardian angesichts der flinken Finger Thompsons – die Auftritte des „guitar maverick“ bezeichnet man dort gerne als „raucous“ – will heißen: laut, rau, lärmend. Den Ausdruck darf man als passend nehmen für die Auftritte des mittlerweile 76-jährigen Troubadours, und wohl auch für sein nicht eben pflegeleichtes Durchs-Leben-Gehen.
Text: Gerd Döring
Den 1949 im Londoner Stadtteil Notting Hill geborenen Musiker hat es schon vor Jahren in die Staaten verschlagen, wo er mittlerweile in New Jersey lebt und arbeitet. Gerade hat er seine rastlosen Aktivitäten beiderseits des Atlantiks – US-Tour, Sommertermine in der alten Heimat England, dann wieder Konzerte in den USA – unterbrochen für eine kleine Clubtour durch Deutschland.
In der Fabrik in Hamburg startet Richard Thompson seine Deutschlandreise auf vertrautem Terrain, und in den voll besetzten Reihen vor ihm sitzen Fans aller Altersstufen. Den Abend beginnt er mit bekannten, vertrauten Stücken – von Ship To Shore, seinem neuen, bei Wrasse Records erschienenen Album, wird er später gerade einmal zwei Songs vorstellen, das launige „Singapore Sadie“ und die weitaus düsterere Geschichte vom „Old Pack Mule“. Auf der Covergrafik des Albums sieht man ihn als alten Seebären, flankiert von zwei Möwen. Von solch maritimer Anmutung ist sein Auftritt in Hamburg weit entfernt. Wie gewohnt erscheint er mit schwarzem Barrett auf dem Kopf, und mit energischem Spiel und kräftiger Stimme wandert er in zwei Stunden durch seine nunmehr über vierzig Jahre währende Karriere.
Was nicht jedem im Publikum gefällt: Thompson hat die Stratocaster zu Hause gelassen und bestreitet den Abend mit seiner akustischen Lowden. Für zwei Stücke holt er einen Überraschungsgast auf die Bühne: Julian Dawson begleitet ihn auf der Mundharmonika, auch der in Hamburg kein Unbekannter. Den zweiten Teil des Abends bestreitet Thompson dann gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, der Sängerin Zara Philips.
Mit „Genesis Hall“ geht es weit zurück in die Anfangsjahre, als er mit Fairport Convention dem britischen Folkrock zu erster Blüte verhalf. Den Rückblick auf Vergangenes ergänzt er mit „Down Where The Drunkards Roll“ und dem grandiosen „I Want To See The Bright Lights Tonight“, beides Songs, die er noch gemeinsam mit seiner ersten Frau Linda Thompson eingespielt hat. Das ist lange her. Mit kräftigem Anschlag und immer noch fester Stimme kommen spätere Stücke hinzu – „Valerie“ etwa aus dem Jahr 1986, das hintersinnige „If Love Whispers Your Name“ vom 2020er Album Dream Attic und natürlich auch „1952 Vincent Black Lightning“, einer seiner Signature-Songs, der notorisch in jedem seiner Konzerte verlangt wird.
In „Beeswing“, das er Annie Briggs und Nick Drake widmet, erzählt er anrührend von Liebe und Verlust. Auch seine 2021 bei Faber in London erschienene (und leider noch nicht übersetzte) Autobiografie trägt diesen Titel, und der Untertitel „Fairport, Folk Rock and Finding My Voice 1967-75“ stellt klar, hier erzählt einer von der schwierigen Suche nach dem eigenen Weg. Den hat Thompson beschritten, und er genießt die selbst gewählte Freiheit, die er nun seit über vier Jahrzehnten mit einem treuen Fanzirkel teilt – ein Musician’s Musician, der wie kaum ein anderer stimmige Geschichten in packende Musik verpackt.
Aber Thompson pflegt auch sachte, sentimentale Erinnerungen. In „Walking The Long Miles Home“ erinnert er sich an seine nächtlichen Fußmärsche durch London: zehn Meilen, die er als Teenager nach langen Nächten mit Jazz und Folk im Marquee Club hinter sich bringen musste. Aber der Aufwand hat sich gelohnt, seine Lehrmeister dort waren Alexis Korner und John Mayall, die Yardbirds und Brian Auger – aber auch schottische Folkies wie Alex Campbell und Hamish Imlach. Der junge Richard, Sohn eines schottischen Vaters, der Folk und Jazz liebte, hat seinen Weg gefunden zwischen Blues, Rock und Folk – ein Spagat zwischen seinem Idol Jerry Lee Lewis und seinen schottischen Wurzeln, die er immer noch hochhält: „When you’re dealing with the tradition, you have to know your place in the firmament.“
Zwei Stunden lang erlebt das Publikum in Hamburg einen famos aufspielenden Richard Thompson, der sich mit gleich drei Zugaben für den langen Applaus seiner Fans bedankt.







Wir waren auch dabei. Wie Schreiber der Zeilen Gerd Döring berichtet, so haben wir es auch empfunden: intensiv. Die stundenlange Anreise mit Bussen und Bahn haben sich gelohnt.