WOMEX 2025

Von Finnland durch die ganze Welt / Diverse Spielorte, Tampere, 22.-26.10.2025

25. November 2025

Lesezeit: 5 Minute(n)

folker präsentiert:

Zum zweiten Mal nach 2019 gastierte die in diesem Jahr zum 31. Mal stattfindende Weltmusikmesse WOMEX im finnischen Tampere, 180 Kilometer nördlich von Helsinki. Sie ist der weltgrößte Branchentreff für die verschiedenen lokalen Musiken des ganzen Globus. Neben der Messe mit zahlreichen Ständen von Agentinnen, Bookern und Labels konnte man bei rund sechzig Showcases Neues und Altes erleben.

Text und Fotos: Willi Klopottek
Hildá Länsman

 

Traditionsgemäß wird die WOMEX mittwochsabends mit einer Show von Kulturschaffenden aus dem Gastgeberland eröffnet. Herausragend bei der Eröffnung war der Auftritt der altgedienten Sámisängerin Ulla Pirttijärvi mit ihrer Gruppe Áššu, die – von Percussion, Gitarre und afrikanischer Laute begleitet – bewies, wie virtuos und kraftvoll der Joik aus dem hohen Norden Europas klingt. Sie wurde von Kimmo Pohjonen abgelöst, der seit 1999 zeigt, dass man mit Akkordeon, Loops und elektronischen Effekten ganz allein eine aufregende, mal leise, mal explosive Show auf die Bühne bringen kann. Die Eröffnungsveranstaltung wurde beendet von Värttinä, der Gruppe, in deren Zentrum drei starke Frauen stehen, die die karelische Traditionen Ostfinnlands weltweit bekannt gemacht haben. Das bereits 1983 gegründete Ensemble war nun mit einem neuen Album zurück und begeisterte den Saal mit toller vokaler Präsenz. Auch im weiteren Verlauf der WOMEX war Finnland gut vertreten, vor allem durch die Tochter Ulla Pirttijärvis, Hildá Länsman. Sie hatte einen Showcase mit dem Sounddesigner Tuomas Norvio und wurde zusätzlich von Visuals unterstützt. Eine ganz ausgezeichnete, kraftvolle und variable Stimme in passender Verbindung mit Beats und Synthieklängen.

The Klezmatics

 

Rund um die Welt

Ein weiterer Höhepunkt war der fesselnde Auftritt der New Yorker Band The Klezmatics. Diese Innovatoren der Klezmermusik feiern ihr vierzigjähriges Bestehen, haben gerade ihr 1991er Meilensteinalbum Rhythm + Jews auf Vinyl wiederveröffentlicht und bereiten ein ganz neues vor. Stimmlicher Glanz kam aus den baltischen Staaten und aus Italien. The Baltic Sisters (siehe auch Artikel aus folker #3.25 hier) überzeugten mit traditionellem – gelegentlich von der traditionellen Kokle-Zither unterstütztem – Chorgesang. Eine der Sängerinnen hatte einen zusätzlichen Showcase mit drei Mitmusikschaffenden. Unter dem Bandnamen Sutartronica wurde ganz spannend litauische Gesangstradition mit Elektronik verbunden. Die rituellen Traditionen Süditaliens zelebrierte das Trio Yaràkä, das auch verwandte Elemente aus Rumänien und sogar aus dem Amazonas mit einband.

Lateinamerika war unter anderen mit Bands aus Kolumbien und Brasilien vertreten, zudem trat mit La Santa Cecilia eine Gruppe auf, deren Mitglieder aus Mexiko und den USA stammen, die verschiedene Latinstile geschickt miteinander verband und vor allem mit ihrer Sängerin Marisol „La Marisoul“ Hernández glänzte. Vom afrikanischen Kontinent kamen drei Gruppen, die besonders auffielen. Kankou Kouyaté et Les Étoiles de Garaná präsentierten mitten in der Nacht einen unwiderstehlichen Drive mit ihrem druckvollen malischen Mix. Die Dur-Dur Band entstand bereit in den Achtzigern und war damals in ihrer somalischen Heimat eine feste Größe. Nun, verjüngt als Dur-Dur Band Int., brachten sie den Saal mit einem Sound zum Tanzen, der auch an Äthiopien erinnerte. Auch die kapverdische Legende Mário Lúcio, der seit Jahrzehnten aktiv ist, bewies, dass er nichts von seiner Ausstrahlung verloren hat.

The Baltic Sisters

 

Orientalische Klänge sind auf der WOMEX immer gut vertreten. Die israelische Sängerin Liraz, die iranische Wurzeln hat, begeisterte das Publikum mit Liedern, die sich an der iranischen Popmusik der Sechziger- und Siebzigerjahre orientierten. Kazdoura ist ein Duo aus Kanada, das hier mit Verstärkung auftrat und deren Mitglieder aus dem Libanon und aus Syrien stammen. Sie überzeugten mit einer rockigen Form levantinischer Musik, in der auch elektronische Elemente eine Rolle spielen. In eine ganz andere Richtung ging das Ensemble Jawa, das von aus Syrien stammenden Musikern in Belgien gegründet wurde. Sie brachten gekonnt die Musik der Sufis aus Aleppo auf die Bühne und beeindruckten auch dadurch, dass sie einen Derwischtänzer begleiteten.

Kankou Kouyaté

 

Einen ganz erstaunlichen Showcase spielte Malkit Singh mit seiner Gruppe. Er war einer der ganz Großen der knalligen Bhangra-Musik, die die Nachkommen indischer Eingewanderter in Großbritannien entwickelt hatten. Diese Musik war mittlerweile fast vergessen, aber Singh zeigte, dass der Bhangra nichts von seiner Faszination verloren hat. Aus China kamen Manhu und spielten eine erstaunliche Form von Folkrock auf der Basis traditioneller Lieder aus Yunnan. Ebenfalls begeisternd, aber ganz anders war das südkoreanische Duo Dal:um. Die beiden Frauen spielen unterschiedliche Arten der Wölbbrettzither und verbanden elegische mit stark perkussiven Elementen.

Liraz

 

Die WOMEX Awards

In jedem Jahr zeichnet die WOMEX am Abschlusstag Kulturschaffende aus. In diesem Jahr ging der Artist Award an Noura Mint Seymali aus Mauretanien, die sich stark für Frauenrechte in ihrer Heimat einsetzt. Mit Schlagzeug, E-Bass, E-Gitarre und traditioneller Laute im Rücken brachte Seymali mit ihrer energiegeladenen Stimme den Saal zum Tanzen. Eine würdige Preisträgerin!

Dal:um

 

Auf der Abschlussveranstaltung sollten neben Noura Mint Seymali auch die im Vereinigten Königreich beheimateten Syrian Cassette Archives (SCA) mit dem Professional Excellence Award ausgezeichnet werden, deren Betreiber es sich zur Aufgabe gemacht haben, Musikkassetten mit syrischer Musik zu archivieren. Während der Zeremonie erklärten diese aber, sie würden den Preis nicht annehmen. Sie seien am Vortag von jemandem informiert worden, dass eine für einen Showcase eingeladene israelische Künstlerin an einer Fundraisingveranstaltung zugunsten der israelischen Armee teilgenommen habe und mit dem israelischen Staat verbunden sei. Sie hatten dann die WOMEX aufgefordert, öffentlich zu erklären, dass diese Einladung ein Fehler gewesen sei. Die WOMEX hatte dies jedoch abgelehnt. Wie sich herausstellte, ging es um die oben erwähnte Liraz, die im November 2024 an einer Fundraisinggala in New York teilgenommen hatte, bei der aber nicht Geld für die israelische Armee gesammelt worden war, sondern für die Unterstützung verwundeter israelischer Soldaten und Soldatinnen. Veranstalter war nicht der israelische Staat, sondern eine NGO. Im Übrigen ist Liraz öffentlich als Gegnerin der Netanjahu-Regierung aufgetreten und setzt sich für eine Zwei-Staaten-Lösung ein.

Noura Mint Seymali

 

Im kommenden Jahr zieht die WOMEX zum zweiten Mal nach Las Palmas, Gran Canaria. Da darf man wieder gespannt sein, welchen Acts vom ganzen Globus eine Bühne und die Chance geboten wird, in der folgenden Saison Musikbegeisterte mit offenen Ohren in vielen Ländern mit Konzerten und Alben zu beglücken.

www.womex.com

Videolinks:

Ausschnitte aus der Eröffnungsveranstaltung: www.youtube.com/watch?v=gnOruVfBNrg

Ausschnitt aus dem Auftritt Noura Mint Seymalis: www.youtube.com/watch?v=ClppbKFmAhI

Ausschnitt aus dem Showcase von Dal:um: www.youtube.com/watch?v=WuUd41LR2ms

Videoclip „This Is WOMEX“: www.youtube.com/watch?v=nGKMBY4MpB4

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Aufmacher:
Värttinä

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