Es ist kaum zu glauben. Das ist bereits Liwas ungefähr 31. Album, was natürlich eine Primzahl ist. Der Gründer der bis heute erfolgreichen Flowerpornos überrascht mit einem weiteren starken Soloalbum nach dem hochgelobten Vorgänger Eine andere Zeit. Die vierzehn neuen Songs knüpfen da an, wo die alten aufgehört haben. Der 63-Jährige erzählt tiefgehende, berührende Geschichten über fiktive Menschen wie die Ehepaare Czecho und Debussy, die kleinen Gangsterrapper Lil Kill und Lil Die, Luzie, Marion, Lotte, Adam Lovesz, Mari On oder die vom Schicksal verfolgte Christiane. Es sind archetypische Stellvertreter*innen, deren Leben zwischen der Mitte des 19. und des 21. Jahrhunderts an verschiedenen Orten in Europa vorbeizieht. Liwa beherrscht wundervoll die große Kunst des Geschichtenerzählens, deren Grenzen sich zunehmend auflösen und mit den Leben der Zuhörenden verschwimmen. Hypnotische Songs, die süchtig machen. Eingespielt hat der im Wendland beheimatete Musiker das Album mit seiner neuen Formation Leuchturmband. Doch besonders wird das Album auch dadurch, dass Liwa sich Unterstützung von einer zweiten Stimme holte. Die Saxofonistin Luise Volkmann setzt mit ihrem Instrument einfühlsam ganz eigene, fast gesanglich anmutende Akzente. Das Ergebnis ist eine Mischung aus Liedermachergenre, psychedelischem Folkrock und dem spirituellen Jazz der Spätsechziger und Siebziger. Ein faszinierendes, fesselndes Album, das, wie der buddhistische Begriff des Bardo (der leere Raum zwischen den Dingen) es andeutet, wahrlich aus der Zeit gefallen scheint.
Erik Prochnow
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