„There once was a ship that put to sea …“ Klingt bekannt? Sollte es, denn der Schotte Nathan Evans hatte mit „Wellerman“ via TikTok Anfang 2021 einen veritablen Hit. Gelernt hatte er das Shanty vom 2018er-Album des englischen Quartetts The Longest Johns, die zwar nicht in den Hitparaden landeten, aber durchaus auch von dem Shantyhype profitierten. Neben erhöhten Albumverkäufen erhielten sie einen Plattenvertrag bei einem großen Label. Das ist oft eine gute Nachricht mit einem ekligen Pferdefuß, denn solche Label erwarten Umsätze, und wie garantiert man die? Richtig, indem man sich möglichst nah an einem möglichst breiten Geschmack orientiert, also indem Ecken und Kanten wegproduziert werden. Wie würde nun das neue Album klingen? Wie ein richtig gutes Shantyalbum! Natürlich haben The Longest Johns ausgiebig Gebrauch von den legendären Real World Studios gemacht, die das Label spendiert hatte, aber gut die Hälfte der Songs sind weiterhin Shantys pur, vier kernige Stimmen und sonst nichts. Die andere Hälfte hat ein Instrumentalkleid verpasst bekommen, das sich jedoch bis auf ein, zwei Ausnahmen als sehr passend herausstellt. Als gutes Beispiel kann der „Hog Eye Man“ dienen, dessen rhythmische Banjobegleitung das Lied mit einem fröhlichen Mitgehtakt ausstattet. Das liegt nicht zuletzt an der Tatsache, dass die Band die Instrumente größtenteils selbst bedient. Klippe umschifft! Und dann gibt es grandiose Lieder (nur bedingt aus der Shantyecke) wie den wütenden „Workers Song“ mit dem Gastgesang eines gewissen Seth Lakeman oder das kurze „Johnny Come Down To Hilo“. Sollte Nathan Evans noch ein TikTok-Video einspielen wollen, wäre das ein ganz heißer Kandidat. Darüber hinaus haben alle vierzehn Songs einen sehr hohen Mitsingfaktor, was Dank des Beiheftes auch kein Problem ist. Vielleicht ist es das, was wir in Zeiten wie diesen auch brauchen: Kräftig unsere Stimmen erschallen zu lassen! Und The Longest Johns sind die Vorsänger.
Mike Kamp
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