Das Buch von Thomas Kraft ist endlich das deutsche Kompendium zum Americana-Genre. Ein Buch, das nicht nur eine ganze Menge Künstler und Künstlerinnen aufführt, sondern auch die Entwicklungen der amerikanischen ruralen Populärmusik einleuchtend und unterhaltsam nachzeichnet. Von den Folk- und Kirchenliedern der europäischen Eingewanderten, die vermischt mit Blues und Gospel der afroamerikanischen Bevölkerung zum frühen Country wurden, bis hin zu Countryrock, Nashville-Mainstream und Americana. Der Geschichte des Americana sind zwei Kapitel vorangestellt. Im ersten Kapitel beleuchtet Kraft die aktuellen politischen Diskussionen in der Countrymusik um beispielsweise Jason Aldeans umstrittenen Song und das dazugehörige Video „Try That In A Small Town“ oder Oliver Anthonys „Rich Men North Of Richmond“. Im zweiten Teil geht Kraft auf die USA als zerrissenes Land ein und schildert die politischen Auseinandersetzungen und gesellschaftlichen Gräben im Zeitalter des „Trumpismus“. Danach folgt die bereits erwähnte Genese des Americana. Sie erinnert an die schwarzen Wurzeln der Countrymusik und ihre Protagonisten, erzählt von der Entdeckung der ersten Countrystars wie der Carter Family und von Jimmie Rodgers 1927 in Bristol, Tennessee/Virginia, den Geburtsstunden des Americana vierzig Jahre später bei den Sessions von Bob Dylan & The Band im Keller von Big Pink, stellt die Outlaw-Bewegung der Siebziger und den heutigen Country-Mainstream dar und führt dann hin zum modernen vielfältigen Americana mit Musikschaffenden wie Rhiannon Giddens, Jason Isbell oder Brandi Carlisle. Im vierten, abschließenden Teil stellt Kraft dann einen Kanon des Americana von fünfhundert Alben auf. Dem versierten Münchner Musikbuchautor – er hat schon Bücher zu Cohen, Punk und den Beatles veröffentlicht – ist hier ein fakten- und kenntnisreiches Werk gelungen, das gerade auch wegen seiner politischen Betrachtungen Bestand haben wird.

Thomas Waldherr