Mit Gurnemanz gründete sich 1972 in Deutschland eine Band, die einen ganz eigenen, offenen und wegweisenden Folk spielte – allerdings weit unter dem Radar einer größeren Hörerschaft. Das lag auch daran, dass sie ihre Alben selbstständig und ohne Label produzierten. Nach sieben Jahren löste sich diese innovative Formation 1979 auf. Doch die Bandmitglieder blieben in Kontakt. Zum fünfzigjährigen Jubiläum veröffentlichen sie nun ein Album mit Archivaufnahmen. John Cremer, der schon früher den Livesound und Aufnahmen die machte, hat die Stücke neu gemastert. Das entstandene Album ist eine echte Sensation: Denn diese Wiederveröffentlichung zeigt gerade im Nachhinein wie wegweisend diese Band für die deutsche Szene war, wie sehr sie Neuerungen im europäischen Folk aufnahm und vorantrieb und wie zeitlos ihre Musik ist. Die fünf Bandmitglieder brachten in ihren selbst geschriebenen Liedern Folk und Rock und damit akustische und elektrische Instrumente zusammen. Die englischen Songs sind geprägt von der wunderbar klaren Stimme von Manuela Schmitz. Ihr Gesang erinnert sofort an die damalige englische Folkszene mit ihren starken Sängerinnen wie Maddy Prior von Steeleye Span oder Jacqui McShee von Pentangle. Ähnlich den Vertretern dieser englischen Folkrockszene ist die Musik von Gurnemanz facettenreich und experimentierfreudig. Akustische Instrumente wie Gitarren, Flöte oder Mandoline bringen Folkflair in die Songs, elektrische Gitarre, E-Bass und Schlagzeug ergänzen dies mit Progrock- oder dezenten Blueselementen. Spannend aus heutiger Sicht: Der poetische Folksong „Vertrieben“ ist in deutscher Sprache gesungen und handelt von einem Mann, der seiner Geliebten nachtrauert. Diese empfehlenswerte Veröffentlichung ist eine Wieder- und Neuentdeckung für Fans der deutschen Folkszene, die sich für die Anfänge interessieren. Zum Schluss des Albums gibt es auch noch eine Überraschung. Den Titeltrack hat die Band 2021 nach über vierzig Jahren noch mal neu eingespielt. Gurnemanz lebt!
Udo Hinz
0 Kommentare