Experten prophezeien seit Jahren das komplette Aus von gekaufter Musik in Form von CDs oder Vinyl. Doch wie steht es wirklich um die Beliebtheit der Tonträger? Der folker wollte es genauer wissen. Wir fragten deshalb die Fans dreier deutscher Liedermacher nach ihren Hörgewohnheiten.
Text: Erik Prochnow
Was das Hören von Musik betrifft, sind die Deutschen im internationalen Vergleich absolute Spitze. Mit rund 19,3 Stunden pro Woche hören sie im Schnitt etwa eine Stunde mehr als andere Nationen. Das ist das Ergebnis des „Engaging-with-Music“-Reports für das Jahr 2021 der International Federation of the Phonographic Industry (IFPI), dem Dachverband des Bundesverbandes Musikindustrie (BMVI). Die Studie unter 16- bis 64-jährigen Musikkonsumierenden in 21 Ländern untersuchte die Hörgewohnheiten, und da scheint der Trend eindeutig. Den größten Teil des Musikkonsums, rund 27 Prozent, verbringen die Deutschen mit Premium-Audio-Streaming, also dem bezahlten Abonnement etwa bei Spotify, I-Tunes oder Amazon. Unter den jungen Erwachsenen bis 25 Jahre beträgt dieser Anteil sogar fast 50 Prozent. Überraschenderweise liegt das Radio bei den Hörgewohnheiten mit rund 22 Prozent auf dem zweiten Platz. Danach folgt mit einem Fünftel der wöchentlichen Musiknutzung das Videostreaming über Plattformen wie Youtube. Weit dahinter kommt erst die gekaufte Musik etwa in Form von CDs, Schallplatten oder Downloads. Nur eine von zehn mit Musikhören verbrachten Minuten wird heute noch darauf verwendet. Nur werbefinanziertes Streaming und Livemusik sind noch weniger gefragt, wenn es um Musikkonsum geht.
Doch steht gekaufte Musik wirklich vor dem Aus, trotz des Vinyl-Revivals? Ist die CD ein Auslaufmodell? Um selbst einen kleinen Einblick in die aktuellen Hörgewohnheiten zu bekommen, hat der folker bei Fans der Liedermacher Heinz Rudolf Kunze, Philipp Poisel und Pippo Pollina nachgefragt. Die nicht repräsentative Onlineumfrage hat dabei einige interessante Ergebnisse zutage gefördert.
Ähnlich wie beim IFPI-Report nimmt auch unter den Fans dieser drei Musiker der Kauf von CDs oder Vinyl zu, je älter sie sind. Doch auch hier verlieren Tonträger zunehmend ihren Platz im Musikkonsum. Zum Teil wollen die Fans mit ihrem Kauf die Künstlerinnen und Künstler einfach nur noch unterstützen. Ein Großteil der Kaufenden möchte die Tonträger nicht missen, weil sie vor allem das Haptische mögen. „CDs und manchmal auch Vinyl haben eine große Bedeutung für mich. Sie sind einer Kultur gleichwertig, und ich liebe es, das Booklet zu lesen, die Fotografien und die Grafiken zu genießen“, sagt etwa Pollina-Fan Ulrike Grüninger. Neben dem Studium der Texte und Bilder legen diese Fans auch viel Wert auf das bewusste Hören des gesamten Albums. Anja Bruchhaus aus Bergneustadt: „Ich nehme mir dann ganz bewusst Zeit, zu hören und zu lesen. Das ist sehr wichtig für mich.“ Für die Fans sind die Lieder Teil eines Gesamtkonzeptes und Ausdruck der Biografie, Gedanken und Gefühle des Künstlers. Schließlich bietet gekaufte Musik auch die Möglichkeit, etwas Konkretes in den eigenen vier Wänden zu besitzen. „Die CD ist ein Sammlerstück, ein kleines Stück vom Musiker, denn da passen Autogramme super drauf“, sagt Rabine, die von Philip Poisel jede neue Platte kauft.
Streaminganbieter betrachten die Mehrheit der Fans durchaus kritisch, auch wenn sie deren Angebote zum Teil regelmäßig nutzen. „Achtzig Prozent der Heinz-Rudolf-Kunze-Fans sehen das ähnlich“, sagt der Leiter des Fanklubs Wunderkinder Karl-Heinz Prigge. „Die Streamingdienste sind die Enteignung der Künstler, und deshalb kaufen wir CDs und in kleinen Auflagen Vinyl, um die Musiker zu unterstützen.“ Der 67-Jährige hat deshalb sogar auch in seinem Büro jetzt wieder einen gebrauchten Dual-Plattenspieler. Am liebsten würde Prigge seine Alben in Plattenläden kaufen. „Doch davon gibt es immer weniger, und wenn doch, sind sie weit weg. Zudem ist es dort immer schwieriger, neue Alben zu hören“, bedauert der Kunze-Fan die Entwicklung. So ist auch er auf das Internet und sogar Streamingplattformen angewiesen. „Die Angebote sind verführerisch. Man bekommt ganz einfach die neueste Musik und kann unzählige Titel bequem überall hören.“
Der Trend zum Streaming hinterlässt somit zwangsläufig Spuren beim CD-Verkauf. Auch bei den älteren Musikhörenden sinkt die Bereitschaft dazu. Für Pollina-Fan Elke Rettig sind Tonträger nur noch in Ausnahmefällen interessant: „CDs nehmen bei mir einfach zu viel Platz weg. Wir haben daher ein Familienkonto bei Spotify und nutzen es täglich.“ Eine Alternative ist für viele immer noch das Radio, und zwar nicht nur beim Autofahren. Zudem nutzen viele Youtube, etwa, um neue Acts oder Alben anzuhören oder Konzertmitschnitte anzuschauen.
Was nahezu alle Fans vereint, ist die große Begeisterung für das Liveerlebnis. „Es ist das Nonplusultra“, sagt etwa Pollina-Anhängerin Grüninger und fährt fort: „Die Musik wirkt live tausendmal intensiver, weil es zu Resonanzen zwischen Musikern und Publikum kommt.“ Poisel-Fan Rabine bringt es auf den Punkt: „Live – das ist die Sahne auf dem Törtchen.“
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