„Das Phänomen des Musizierens im öffentlichen Raum auf eigene Initiative und mit dem Ziel, kleine Geldspenden zu generieren, gab es schon in den Hochkulturen der Antike“, schreibt Sybe Wartena, Kurator der Sonderausstellung „Straßenmusik“, in der gleichnamigen Begleitbroschüre. Dass die Schau um drei Monate verlängert wurde (der folker berichtete, lässt vermuten, dass sie mehr Interesse findet, als erwartet. Zwei gute Gründe einer gesonderten Vorstellung.
Text: Kay Reinhardt
Sammlungen vieler Museen beinhalten historische Musikinstrumente, damit korrespondierende Bilder, Skulpturen, Plastiken und andere Gegenstände. Indem das Bayerische Nationalmuseum München (BNM) 38 Musikalia aus seinem Bestand ausstellt und publiziert, erfüllt es seinen klassischen Bildungsauftrag und verbindet darüber hinaus die Vergangenheit mit unserer Zeit.
An fahrenden Musikanten und Musikantinnen scheiden sich die Geister. Sie werden geliebt und gehasst, bewundert und verachtet, beschützt, verfolgt, reglementiert und abgestraft. Da sie als Menschen gelten, die in jeder Hinsicht frei leben (wer wünschte sich das auch heutzutage nicht?), lässt das Thema auf viele Museumsbesucher und -besucherinnen hoffen. Straßenmusikantinnen assoziieren heißblütige Schönheiten ebenso wie coole Femmes Fatales. Der Ohrwurm „Wilde Gesellen vom Sturmwind durchweht, Fürsten in Lumpen und Loden …“ erwacht und verheißt Unabhängigkeit, Abenteuer, Erotik und Crime.
Dem Thema auf wenigen Quadratmetern Ausstellungsfläche und durch Begleittexte vollumfänglich gerecht zu werden, war nicht der Anspruch der Ausstellungsmacher. Sie setzen Spots, regen an und nutzten die Chance, im Rahmen des Projekts einige Museumsstücke zu restaurieren sowie einen kleinen, feinen 92-seitigen Bestandskatalog inklusive zehn Seiten Literaturverzeichnis zu edieren. Im Kabinett erklingen Drehleier, Dudelsack, Hackbrett, Cister und weitere ausgestellte Instrumente „hörstationär“. Schade, dass kein Instrument als Replik ausprobiert werden kann, wie andernorts möglich – zum Beispiel in Füssen oder Markneukirchen. Straßenmusikanten wie die Chameleon Acousticband, die Honest Talk Band und Ralph Kiefer sind auf Videos zu erleben.
Kurios und bis heute nachvollziehbar sind die Meinungen einiger prominenter Staßenmusikhasser wie Charles Dickens und Theodor Fontane. Straßenmusikanten und -musikantinnen hätten sicher gern ihre Statements über Beweggründe, Ziele, Erlebnisse abgegeben. Auch „Liebhaberstimmen“ wären eine Bereicherung. So würde „oral history“ noch lebendiger.
Wer in Sachen „Song, Folk & World“ passioniert und bis Ende März in der Nähe von München ist, dem sei ein Abstecher ins Bayerische Nationalmuseum, das „Schatzhaus an der Eisbachwelle“, empfohlen.
Der Beitrag „Belästigung oder Vergnügen“ von Generaldirektor Frank Matthias Kammel im Katalog bringt uns dessen Liebe zu den Menschen und den Dingen näher. Erstmals präsentiert er zudem das kürzlich erworbene biedermeierliche Gemälde im Stile Spitzwegs „Drei herumziehende Musikanten“ von Theodor Hosemann (1807-1875). Vielen Kunstfreunden dürfte Kammel bereits als passionierter Sachverständiger in der Fernsehserie des BR Kunst + Krempel bekannt sein.
Im Textteil „Straßenmusik“ wirft Sybe Wartena seinen spannenden Blick als Kunsthistoriker unter anderem auf die Protagonisten der Szene und stellt mehrere Instrumente vor.
Ob fahrende Musikanten und Musikantinnen als Kunstschaffende, Kulturtragende, Geschäftsleute, Gewerbetreibende oder gar Schmarotzer angesehen werden – „Es ist Alles eine Frage der Perspektive“, weiß der bayerische Kabarettist Helmut Schleich.
www.bayerisches-nationalmuseum.de/besuch/ausstellungen/strassenmusik
Aufmacher: Ausschnitt aus dem Gemälde „Drei herumziehende Musikanten“ von Theodor Hosemann (1807-1875) (© Foto: Bayerisches Landesmuseum)
Literatur: Frank Matthias Kammel (Hg.), Straßenmusik – Fahrende Musikanten und ihre Instrumente, Begleitheft, München, 2023, 91 S.
Guten Tag, mein Name ist Victor Pribylov, ich bin Konzertmusiker (Akkordeonist) und Preisträger vieler nationaler (UdSSR) und internationaler Wettbewerbe.(www.victorpribylov.com) Ich bin wahrscheinlich der erfahrenste Straßenmusiker in Deutschland – ich spiele seit 1997 in meiner Freizeit auf der Straße. Ich muss sagen, dass das Spielen auf der Straße heute nicht nur eine kleine Spende ist – sondern sich in ein gutes Einkommen verwandelt hat. unter den Musikern, die auf der Straße spielen – viele Gewinner verschiedener Wettbewerbe und oft ist das Niveau der Musiker auf den Bühnen niedriger als das der Musiker auf der Straße. und es ist schade, dass die lokalen Behörden in ganz Deutschland, anstatt die Musik auf der Straße zu regulieren – z.B. durch eine Vorprüfung von Musikern, die auf der Straße spielen wollen, durch Lizenzen für das Spielen auf der Straße und andere Dinge, die die Straßen von bettelnden Musikern befreien würden, die mit ihrem Spiel wirklich ein Ärgernis darstellen – die Ordnungsämter versuchen, Musiker auf den Straßen Deutschlands zu verbieten. Ich kann mit absoluter Sicherheit sagen, dass die Leute auf der Straße sehr glücklich sind, wenn sie Straßenmusiker gut spielen sehen – die Leute kommen zu meinen Konzerten, nachdem sie mich zuerst auf der Straße gehört haben!, sie danken mir für die gute Musik – aber gleichzeitig kämpfe ich mit den Mitarbeitern des Ordnungsamtes wegen ihrer Irritation, der Demütigung von Musikern – in den meisten Fällen behandeln sie Straßenmusiker als Müll, der von den Straßen Deutschlands entfernt werden sollte und das ist schade!!!!.
Mit freundlichen Grüßen
Victor Pribylov