editorial folker #1-24
Von akuter Brisanz, bunt statt braun und emotionaler Wucht
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
wir planen die inhaltlichen Schwerpunkte im folker etwa ein Jahr im Voraus und ahnten nicht, von welcher gestiegenen Brisanz der Fokus dieser Ausgabe zum Zeitpunkt ihres Erscheinens sein würde. Sicherlich, die radikale Rechte, die Braunen, die Faschisten – egal welche Namen sie sich geben mögen oder wir ihnen geben – werden seit geraumer Zeit erschreckend immer stärker, und es steht zu befürchten, dass die Wähler in Europa sowie im Osten der Republik rechten Strömungen in den Parlamenten weitere Prozentpunkte bescheren und Parteien wie die SPD oder die Grünen sich mancherorts mit einstelligen Ergebnissen wiederfinden werden.
Doch die ans Licht gekommenen ungeheuerlichen Pläne in Potsdam versammelter Hasserzeugender setzen allem die Krone auf. Es sind unter anderem genau die kreativen Menschen unseres Schwerpunktes „(Post-)Migrantische Musik in Deutschland“, die, ginge es nach den Faschisten, das Land verlassen sollen. Ganz ehrlich, hätte zur Jahrtausendwende jemand diese Entwicklung prognostiziert, ich hätte der Person gesagt: „Was rauchst du denn? Lass es besser sein, es trübt offensichtlich deinen Blick zu sehr.“
Fassungslosigkeit jedoch hilft uns nicht weiter. Mut machen die riesigen Proteste der letzten Wochen. Millionen von Menschen zeigen, dass sie mit der radikalen Rechten nichts zu tun haben wollen, dass sie aufstehen und dagegenhalten wollen. Die Mehrheit schweigt nicht mehr! Der folker schließt sich diesen Aktionen natürlich an, und daher ist unser Protest eine Ausgabe wie diese, in der wir den kreativen kulturellen Beitrag Eingewanderter in Deutschland (und darüber hinaus) ausdrücklich feiern. Ganz einfach: Bunt statt braun!
Und während wir uns diesen unerquicklichen Umtrieben erwehren müssen, geht das Töten in der Ukraine und im Gazastreifen, in Israel und im Westjordanland (und darüber hinaus) weiter. Auch dazu können, wollen und dürfen wir auf unsere, mit Musik verbundene Art Stellung beziehen, trotz aller verständlichen Sensibilitäten, die diese Themen begleiten. Wir haben lange überlegt, wen wir für einen solchen Beitrag aus künstlerischer Perspektive gewinnen könnten, und dann die israelisch-kanadische Singer/Songwriterin und Jüdin Yael Deckelbaum gefragt. Seit Jahren setzt sie sich aktiv für Verständigung ein und beweist eindrucksvoll, dass sie beide Seiten des Konflikts sehen kann. Zu unserer großen Freude sagte sie zu, eine Kolumne für den folker zu schreiben. Und was soll ich sagen? Redaktion und Verlag hat Deckelbaums Artikel schlicht umgehauen ob seiner emotionalen Wucht und Tiefe. Es macht uns ungemein stolz, einen solchen Beitrag (siehe Seite 50) in unserem kleinen Magazin zu haben, einen Beitrag, dem wir viele Leserinnen und Leser wünschen und, dass er national und international Wellen schlägt. Weshalb wir ihn aus Gründen der Dringlichkeit bereits Mitte Februar zuerst auf folker.world veröffentlicht haben – in kompletter Länge sowie im englischen Original! Bedarf es eines weiteren Beweises, wie wichtig es ist, neben oder anstatt eines Printabos dieses informative Portal mit einer Mitgliedschaft zu unterstützen?
Die Lektüre dieser Ausgabe mag ausnahmsweise nicht immer erfreulich sein, aber die Aussagen sind in diesen Tagen so notwendig wie schon lange nicht mehr. Lest mit offenen Augen und besonders mit offenem Herzen.
Euer Herausgeber
Mike Kamp
PS: Ein wichtiger Hinweis noch an alle Label, Agenturen und sonstigen Bemusternden in Sachen Rezensionen. Bitte sendet eure Tonträger oder DVDs ab sofort an folgende Adresse: folker, Wolfgang Weitzdörfer, Postfach 501252, 42905 Wermelskirchen (findet sich auch im Impressum und auf folker.world). Herzlichen Dank.
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