Liebe Leserinnen, liebe Leser,
irgendwie hat der folker ein schlechtes Timing. Die Papierausgabe #2.24 ist knapp NACH den Wahlen zum Europäischen Parlament erschienen, und die kommende Ausgabe mit dem Schwerpunkt „Musik und Politik/Protest“ erscheint in der Woche NACH den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen. Alle drei Wahlen haben eines gemein, und ich weiß, ich wiederhole mich hier im Editorial: Sie lassen einen deutlichen Rechtsrutsch befürchten, und das nicht nur im deutschen Osten, nein, dieser negative Trend gilt europaweit.
Was ist los? Wie kann es sein, dass 16 Prozent (Ergebnis der Europawahl) eine Partei wählen, die nach gerade noch einmal bestätigtem Urteil bundesweit als „rechtsextremer Verdachtsfall“ anzusehen ist? Haben die denn gar nichts aus der Vergangenheit gelernt? Ich persönlich habe keine schlüssigen Antworten auf diese und andere drängenden Fragen, aber wir als Gesellschaft müssen diese Antworten dringend finden, wenn die Demokratie überleben soll. Für diese in drei Bundesländern sogar als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestufte Partei scheint das Gleiche zu gelten wie für einen gewissen orangefarbenen Herrn auf der anderen Seite des Atlantiks: Eigentlich zutiefst negative Nachrichten schaden überhaupt nichts, im Gegenteil, sie werden sogar als Wahlwerbung positiv aufgenommen. Unfassbar!
Die Folk-, Lied- und Weltmusikszene ist eigentlich durch die Bank kein Betätigungsfeld für rechte Schwurbler – dachte ich. Und dann erreichte uns eine Abokündigung. So was ist immer eine traurige Sache, denn auch wenn ich mich erneut wiederhole: Wir brauchen jedes einzelne Abo, sei es online oder Print, und wir brauchen vor allem dringend neue Abonnentinnen und Abonnenten. Aber diese Kündigung war anders, und ich möchte sie euch im Wortlaut nicht vorenthalten (Tippfehler nicht korrigiert):
„Sehr geehrtes Team vom folker. ich kündige hiermit mein Abo des Folkers zu sofort. Ich kann diese links-konforme Grütze nicht mehr lesen, ohne dass mit schlecht wird. Meine Hefte dürft Ihr gern anders verkaufen, damit genug Geld für die Gender-Sternchen und -Doppelpunkte übrig ist.
Gruß, XX“
Wie um alles in der Welt ist dieser Mensch zu einem folker-Abo gekommen? Ist das nicht auch ein Beweis dafür, dass sich die Umgangsformen miteinander generell zum Schlechteren verändert haben und im Politischen ganz besonders?
Leider gibt es eine weitere unerfreuliche Nachricht, die ich euch nicht vorenthalten kann, auch wenn sie sich lediglich auf unser kleines Blatt bezieht. Seit der Ausgabe 2/2015 hat Rolf Beydemüller die Rezensionen im folker betreut, und er hat es auf seine unnachahmliche Art gemacht: freundlich, verbindlich, geduldig – und kompetent. Jetzt möchte Rolf „noch mal was anderes machen“, wofür wir vollstes Verständnis haben, dennoch lassen wir ihn nach so vielen Jahren der guten Zusammenarbeit ungerne ziehen. Herzlichen Dank für alles, Rolf! Der einzige Silberstreif dieser Nachricht ist: Rolf wird uns auch weiterhin in seiner Kernkompetenz Gitarre als Rezensent zur Verfügung stehen.
Einem „Bye-bye Rolf“ steht ein „Herzlich willkommen, Wolfgang“ gegenüber. Wolfgang Weitzdörfer ist der neue Mann im Rezisessel, und die Zusammenarbeit anlässlich dieses Heftes hat sich schon mal sehr gut angelassen. Schön, dass du dabei bist.
Aber das soll jetzt reichen. Irgendwann muss ja auch das – zumindest in weiten Teilen – wahrscheinlich negativste Editorial der folker-Geschichte enden. Ich wünsche euch einfach viel Vergnügen mit der „links-konformen Grütze“ in dieser Ausgabe.
Euer Herausgeber
Mike Kamp
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