Das Trio Suonno d’Ajere („Traum von gestern“) bewahrt das neapolitanische Lied der 1920er- bis zu den 1960er-Jahren, ein Genre, das die aktuelle Musikszene kaum mehr aufgreift. Die Sängerin Irene Scarpato, der Mandolinist Marcello Smigliante Gentile und der Gitarrist Gian Marco Libeccio entledigen sich der sentimentalen Opulenz der Schmachtfetzen, reduzieren die Lieder auf ihre Essenz und schaffen eine zeitlose Aktualität. Scarpato studierte Opern- und Jazzgesang, orientierte sich am Fado und Tango bis zum Cante Flamenco. Diese Bandbreite reizt sie nicht aus, sie hilft ihr aber, die Intensität ihres Gesangs effektvoll einzusetzen. Besonders schön kommt das in „Ammore Busciardo“ im Duett mit dem Sänger Raiz zum Tragen. Dessen rauchiges Organ kontrastiert wunderschön mit der operngeschulten Stimme Scarpatos. Die Freiheit von Libeccio, das Lied mit seinen bluesigen Gitarrenriffs mit dem Mississippidelta zu verbandeln, ist eine Klasse für sich. Eine komplett andere Verbindung entsteht in „Il Vesuvio A Parigi“, wenn die schöne Pariserin Neapel besucht. Wie so oft in neapolitanischen Liedern bleibt die Liebe ein Traum. Musikalisch funktioniert sie problemlos.
Martin Steiner
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