Das Musikschaffendenkollektiv Banda Comunale positioniert sich lautstark und öffentlich gegen rechts. Was treibt die Beteiligten an? Im Gespräch berichten zwei Bandmitglieder über ihre Motivation und Ideale.
Text: Wolfgang Weitzdörfer Fotos: Banda Comunale
Es gibt stillen Protest, es gibt lauten Protest. Es gibt Protest, der innerhalb der eigenen Blase passiert, sodass die Protestierenden sich nicht in Gefahr begeben, auf Widerstand zu treffen. Und es gibt Protest, der dort passiert, wo es wehtut. Wichtig ist aber vor allem, dass es überhaupt Protest gibt. Die Rede ist hier von Protest gegen Rechtsextremismus, Neonazis, rechte Gewalt und rechte Strukturen. Zu denen, die dorthin gehen, wo es alles andere als ungefährlich ist, die Stimme gegen rechts zu erheben, gehört die Banda Comunale aus Dresden. Denn natürlich macht es einen Unterschied, ob man sich in einer AfD-Hochburg deutlich positioniert oder ob man das etwa im westfälischen Münster macht, wo die Partei unter fünf Prozent liegt.
Die Banda Comunale ist aber nicht nur eine laute Stimme gegen rechts, sondern auch eine großartige Band. Gegründet wurde das Kollektiv 2001. Aus einem guten Grund. „Wir waren um die Jahrtausendwende in Dresden und schockiert darüber, wie selbstverständlich Nazis in der Stadt Flagge zeigen konnten“, sagt Gründungsmitglied und Klarinettist Michal Tomaszewski. Der größte Neonazi-Aufmarsch fand am 13. Februar statt, dem Jahrestag der Bombardierung Dresdens durch die Alliierten zum Ende des Zweiten Weltkriegs. „Dem wollten wir uns, ein kleiner Freundeskreis von Musikern, entgegenstellen, zusammen mit anderen, die sich gegen das Wiedererstarken der Nazi-Ideologie wehrten“, erklärt Tubist Alfred Haberkorn. „Also haben wir Blasmusik gemacht, spielten jahrelang um die zwanzig Konzerte pro Jahr.“ Dann kam Pegida.
Durch die selbst ernannten Patrioten und „Retter des Abendlandes“ weitete sich die Arbeit der Banda deutlich aus. „Wir gehen mit unserer Musik dorthin, wo es brennt. Wir haben in Erstaufnahmeeinrichtungen gespielt, in Gefängnissen, in der ersten Reihe unzähliger Demos, aber auch bei Kindergartenumzügen oder auf der großen Bühne in Rudolstadt, wo wir 2017 den Ruth-Preis überreicht bekamen“, erzählt Haberkorn. Dabei setzen sie vor allem darauf, dass die Musik „empowernd“ wirkt. „Wir sind Musiker, und unsere Musik macht überwiegend gute Laune“, erläutert Tomaszewski. Die grundlegende Motivation ist für die knapp zwanzigköpfige Formation mit Mitgliedern aus Syrien, Palästina, Israel, Russland, Polen, Schottland oder Deutschland*, Menschen mitzunehmen. „Ältere, Familien mit Kindern. Wir spielen und verbreiten gute Stimmung dort, wo sie eher selten zugegen ist: bei Demonstrationen gegen Menschenfeinde“, sagt er.
Dabei ist man keineswegs immer und ausschließlich einer Meinung, kein Wunder eigentlich bei so vielen unterschiedlichen Charakteren. „Wir sind sehr divers aufgestellt und haben eine aktive Debattenkultur innerhalb der Band“, beschreibt es Haberkorn. Wichtig sei daher, dass man innerhalb der Band gut befreundet sei. „Wir halten in der Gemeinschaft einiges aus“, sagt Tomaszewsi schmunzelnd.
Neben der Musik, die instrumental ist – eine Mischung aus Afrofunk, Balkan Brass, Klezmer, Cumbia und arabischen Klängen – und daher für sich steht sowie ihre politische Kraft aus dem Auftreten und den Äußerungen der Beteiligten zieht, ist man auch im virtuellen Raum präsent. „Wir betreiben eine Facebook-Plattform, wo wir uns explizit mit politischen Kommentaren und Texten äußern“, erklärt Haberkorn. Für die Banda Comunale ist es wichtig, die eigene Blase zu verlassen, um möglichst viele Menschen zu erreichen. „Wir haben in Sachsen mittlerweile eine gewisse Popularität. Das ist aber auch eine Menge Arbeit, und es würde uns sehr freuen, wenn es deutlich mehr Künstlerinnen und Künstler gäbe, die zu den Menschen vor Ort gehen würden“, sagt der Tubist.
„Es ist nicht leicht, uns nicht zu mögen.“
Das gilt gerade in einem Bundesland, in dem die AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft wird und den Prognosen nach stärkste Kraft bei den Landtagswahlen in diesem Jahr werden könnte. Was die Band aber gar nicht so hoch hängen will. „Für uns ist das kein so großes Thema. Ganz anders sieht das für die Aktivistinnen und Aktivisten oder engagierte Lehrkräfte aus, die in Schulen einen kritischen Umgang mit der deutschen Geschichte pflegen wollen, oder für die Helferinnen und Helfer, die hier linke Wahlplakate aufhängen, und nicht zuletzt für sichtbare Migrantinnen und Migranten“, sagt Michal Tomaszewski. Und während Teile der erwähnten Personengruppen bereits Erfahrungen mit körperlicher Gewalt machen mussten, beschränkten sich die schlechten Erfahrungen der Banda Comunale bislang „nur“ auf Worte. „Hetze und Drohungen in den sozialen Medien oder auf den Kundgebungen der sogenannten besorgten Bürger. Es ist nicht leicht, uns nicht zu mögen“, sagt Alfred Haberkorn lachend.
Bildung, so haben quasi sämtliche Untersuchungen in der Extremismusforschung ergeben, ist der Schlüssel gegen entsprechende Tendenzen. Das ist ein Grund, warum die Banda nicht nur Konzerte gibt, sondern auch in Schulen und Kitas präsent ist. Mit Erfolg und großer Nachfrage aus den pädagogischen Einrichtungen. „Für die Schulprojekte haben wir unseren Kreis erweitert, sonst könnten wir die vielen Anfragen gar nicht bewältigen. Hierbei achten wir darauf, dass wir immer auch Musikerinnen und Musiker mit sogenanntem Migrationshintergrund dabeihaben. Nicht aus exotistischen Gründen, sondern als Selbstverständlichkeit“, erklärt Haberkorn. Dabei seien die Erlebnisse durchaus unterschiedlich. „Es gibt Klassen, in denen ausschließlich deutsche Kinder sind, die kaum je Kontakt mit sogenannten Ausländern hatten. Andere wieder sind sehr divers aufgestellt“, so Tomaszewski.
Die Banda Comunale kombiniert dabei zwei Themen, um sie so kindgerecht wie möglich zu vermitteln. „Die Arbeit mit Themen wie Ausgrenzung und Rassismus wird bei uns eingebettet in gemeinsames Singen, Tanzen, Instrumentenbauen, Songschreiben, Musizieren. Und das funktioniert in der Regel sehr gut“, erläutert Haberkorn und ergänzt: „Die Kinder lieben uns!“ Diese Arbeit in den Kitas und Schulen ist die Basis und wird von der Banda als wichtiger Beitrag angesehen. „Kinder sind unsere Zukunft, und was zum Teil auf Tiktok und anderen Plattformen bei manchen Jugendlichen abgeht, kann einem wirklich Angst machen. Hier merkt man, dass die AfD in diesem Bereich sehr aktiv ist“, sagt Tomaszewski.
Es gibt dabei auch in Ostdeutschland Unterschiede zwischen Großstadt und Land. „Natürlich ist das so“, bestätigt Haberkorn. In der Großstadt sei es leicht, mal ein paar Tausend Demokratinnen und Demokraten zu mobilisieren, wenn mal wieder ein rechter Skandal publik werde. „Dass inzwischen auch die Kleinstädte in Sachsen mobilisieren und regelmäßige Demos gegen rechts organisieren ist neu. Man versucht sich aktuell die eigenen Städte wieder zurückzuholen. Zum Teil marschieren dort die Nazis seit Jahren schon wöchentlich um die Marktplätze, ohne dass irgendwer eingeschritten ist.“
Das sei eine gute Entwicklung, die aber durchaus nicht verdecke, dass die Gesellschaft nicht nur im Osten der Republik nach rechts rutsche. „Das macht uns mehr Sorge als Angst. Man muss sich das genau angucken, was hallt da wieder? Sind das noch die alten Stiefelnazis oder sind das junge Burschen in schicken Klamotten, die keinen Bock auf Klimadebatten oder Gendern haben?“, sagt Tomaszewski. Es gebe ein Bedürfnis nach einer Weltsicht, die so klein sei, dass sie in eine Zigarettenschachtel passe. „Aber das holt keine Arbeitgeber in die sächsische Provinz, auch keine Ärzte, und Busse fahren deswegen auch nicht mehr als vorher. Eine attraktive Zukunftsvision haben sie jedenfalls nicht zu bieten“, findet Haberkorn. Dennoch halten beide nichts von Ostbashing. „Das ist zu leicht. Es gibt so viele engagierte Aktivistinnen und Aktivisten hier. Langweilig wird es jedenfalls nicht.“
Auf ähnliche Weise blickt die Banda Comunale auf die Wahlen im September im eigenen Bundesland. „Wer weiß, wer da noch über welche Skandale stolpert, wie viele Nazivideos noch aus Sylt auftauchen und wie viele terroristische Attentate bis dahin verübt werden. Wir haben in Sachsen eine CDU, die von den Forderungen der AfD nicht so weit entfernt ist. Irgendwie geht’s immer weiter. Aber eines ist jetzt schon klar: Antifa bleibt auch nach der Wahl Handarbeit“, sagt Alfred Haberkorn. Es ist dann auch die Gewissheit, auf der richtigen Seite zu stehen, die eine Antriebsfeder für die Band ist. Michal Tomaszweski: „Das und die große Freude am Musizieren, die gewachsene und hohe Verbindlichkeit untereinander in der Band und die Qualität der vielen Begegnungen mit Publikum, Veranstaltenden und Musikschaffenden.“
* Die Namen aller aktuellen Bandmitglieder und ihrer Instrumente finden sich auf der Bandwebsite.
Aktuelles Album:
Klein ist die Welt (Trikont, 2021)
Aufmacherbild:
0 Kommentare