Robert Carl Blank

Angekommen

18. Dezember 2024

Lesezeit: 3 Minute(n)

Für viele Kulturschaffende war die Coronapandemie ein Schlag ins Gesicht. Für den Singer/Songwriter Robert Carl Blank jedoch wurde sie zum Glücksfall. Denn er entdeckte seine wahre Kunst – und könnte sich nun zu einer neuen Größe unter den deutschen Liedermachenden entwickeln.

Text: Erik Prochnow

Jetzt geht es eigentlich erst los. Mehr als dreißig Jahre Musikschaffen in Bands oder als Solokünstler, vier EPs und sechs Alben brauchte Robert Carl Blank um 2024 sein erstes Werk auf Deutsch zu veröffentlichen. Bis dahin dachte er, im Englischen zu Hause zu sein, und die exzellenten Kritiken schienen ihm recht zu geben. Doch Blank blieb sein ganzes Leben ein Suchender nach der eigenen Identität. Mit Ungefähr genau hier scheint er nun angekommen zu sein.

„Es fühlt sich wie eine Enttarnung an“, sagt der 49-jährige Liedermacher. Seine bereits große Songschreiberkunst zeigt auf einmal eine ungeahnte Tiefe, und seine Art zu singen erfasst einen mit einer Wucht, die tief aus den Wurzeln der Erde und seines Seins aufzusteigen scheint. „Letztlich hat mir die Pandemie geholfen, anzurkennen, dass meine Muttersprache Deutsch ist, und mit den neuen Songs habe ich unbewusst Zugang zu meinen Uremotionen gefunden“, blickt Blank auf sein bewegtes Leben zurück.

Foto: Jens Butz

Von klein auf war er mit der Frage beschäftigt, wohin er eigentlich gehört. Weil seine Mutter nicht wollte, dass er im Kommunismus der damaligen Tschechoslowakei aufwächst, floh sie mit ihm schwanger nach Deutschland, fand dort einen Job als Fabrikarbeiterin in Aschaffenburg, wo sie Blank in einer Sozialbausiedlung allein erzog. Seinen Nachnamen hat er vom damaligen zweiten Ehemann seiner Mutter, den sie angeblich in der ČSSR kennengelernt hatte und der sein Vater sein sollte. Doch Blank hatte immer Zweifel daran, wofür er nach dessen Tod 2006 sogar Belege fand. „Ich würde gerne mehr über meine Vergangenheit wissen und auch nach meinem richtigen Vater forschen“, sagt der Musiker. Doch seine Mutter starb bereits 1995, und für die Recherche in Tschechien hat er weder Zeit noch Geld noch spricht er die Sprache, für die er sich immer geschämt hatte.

„Vielleicht war die Wahl des Englischen für meine Lieder eine Art Flucht, weil ich keine Identität hatte“, reflektiert der Liedermacher heute seine Jugend. Schon früh kam er mit englischsprachiger Musik in Berührung, weil er viel Kontakt zu US-Amerikanern hatte, die in der Region lebten, und er bewegte sich mehr und mehr in der Sprache. Sein Studium der Politikwissenschaften und Amerikanistik schien eine logische Folge. Er studierte ein Jahr in England und lebte ein halbes Jahr in den USA. „Auch wenn ich seit meiner Jugend mit Musik an Wochenenden gut Geld verdient hatte, wollte ich nie Berufsmusiker werden“, erzählt Blank. Nachdem seine Magisterarbeit bei Suhrkamp verlegt worden war, hatte er dort Aussicht auf einen Job als Lektor und sein Professor bot ihm eine Doktorandenstelle an. Doch nicht zuletzt wegen einer Frau ging er nach Australien. Zwei Jahre verdiente er dort sein Geld mit Coversongs in Bars und reifte als Musiker. Über fünfhundert Lieder hatte er im Repertoire. Als er nach der Jahrtausendwende zurück nach Deutschland kam, konnte er auf einmal mit seiner Musik auf eigenen Beinen stehen und begann, zunehmend eigene Songs zu schreiben.

Foto: Jens Butz

„Die Themen meiner Vergangenheit, die Suche nach einer Identität und danach, was das Menschsein eigentlich ausmacht, haben seitdem meine Texte beeinflusst“, sagt Blank, der heute in Hamburg lebt. Da er sich mit seinen deutschen Versen unsicher fühlte, zog er Kollegin Christina Lux zu Rate, die auch bei zwei Stücken des aktuellen Albums mitwirkt. „Ich wollte wissen, ob meine deutschen Zeilen gut oder Müll sind“, so der Liedermacher.

Seine Selbstzweifel sind jedoch völlig unbegründet. Blanks sprachlich herausragende Poesie lässt einen nicht mehr los. Und auch er selbst spürt die Magie der neuen Songs und die neuen Ausdrucksmöglichkeiten seiner musikalischen Zeitreise. „Ich habe bereits fast ein neues Album zusammen“, kündigt er bereits einen Nachfolger an. Doch zuvor wird er vielleicht ein Livealbum herausbringen. Denn: „Zuallererst bin ich Livekünstler, und da klingen die Lieder oft noch einmal ganz anders.“

www.robertcarlblank.de

www.youtube.com/@RobertCarlBlankMusic

Foto: Heinz Werner Vesting

Aktuelles Album:

Ungefähr genau hier (Songwerft, 2024)

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