24. Februar 2025

Lesezeit: 2 Minute(n)

Von KI-Träumen, Strichziehungen und Brunnenkämpfen

editorial folker #01-25
Mike Kamp

Foto: Anna Bröhl

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

die alljährliche Pilgerreise zu den Celtic Connections in Glasgow war erneut eine sehr erfreuliche, auch wenn erstmals ein kompletter Konzerttag ausfallen musste, weil Sturm Éowyn der Meinung war, mehr als 130 Stundenkilometer seien eine angemessene Geschwindigkeit. Éowyn muss FDP-Anhänger sein …

Passend zum folker-Schwerpunktthema der Ausgabe 4.24 gab es beim Showcase Scotland zufällig ein Sonderkonzert „Celtic Cousins“ mit Beiträgen aus Schottland, Irland und Wales. Unser Schwerpunkt fand großes Interesse, aber leider sprechen die wenigsten internationalen Delegierten Deutsch. Ich bin gewiss kein unkritischer Fan von KI, aber vielleicht ist die Entwicklung bald so weit, dass wir zumindest online preisgünstig eine englische Version des folker anbieten können. Vor Ort war auch Ilse Coppieters, die Herausgeberin der belgischen Zeitschrift Folk, und da waren sie dann zusammen, die (fast) letzten Überlebenden des Mediums Print in unserer Musikfarbe.  Erstaunlich (oder auch nicht?), dass die westlichen Nachbarn mit ganz ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Der folker bereits seit nunmehr sagenhaften 150 Ausgaben, wie uns erst kurz vor Drucklegung bewusst wurde. Wenig Geld haben wir zwar viel (oder umgekehrt), aber unser Standvermögen nötigt uns sogar selbst Respekt ab!

Apropos kämpfen. Das hat der Liedermacher Fäustel aka Volker Rohde aus Bonn ebenfalls sein Leben lang gemacht – immer für die gute Sache und zum Schluss gegen den Krebs. Diesen Kampf hat er am 5. Dezember 2024 leider verloren. Zu den Klängen seines Lieblingslieds „Fiddler’s Green“ wurde er beigesetzt, und ich bin froh, dass wir ihn noch zu Lebzeiten in der Ausgabe 3.24 (dort auf Seite 21) würdigen konnten und er das große Interesse an seiner Arbeit noch miterleben durfte. Ruhe in Frieden, alter Freund.

Auch die immer noch ziemlich analoge Welt unserer Musikrichtungen wird zunehmend von Downloads und Co. aufgemischt, sei es, dass die Promoter Geld sparen müssen oder dass die Veröffentlichungen nur noch digital erscheinen. Damit müssen alle leben, die für den folker Rezensionen schreiben (und wir sollten in Zukunft Downloads auch kenntlich machen). Wir wollen allerdings weiterhin einen Strich ziehen, wenn es um reines Streaming geht. Hier befindet sich die Musik nicht mehr auf dem eigenen Computer und entzieht sich somit im Zweifel einem späteren oder von einem Drittanbieter unabhängigen Zugriff. Die politischen und moralischen Aspekte möchte ich hier aus Platzgründen nicht vertiefen. Streaming ebenso wie jetzt bereits Singles werden wir daher nicht rezensieren.

Bei Erscheinen dieses Heftes ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen, mit anderen Worten, die Wahlen sind vorbei und wir haben den Mist. Die Frage ist eigentlich nur noch (um im Bild zu bleiben), wie tief das Kind gefallen ist. Sicher ist ebenfalls, dass unabhängig von irgendwelchen Farbkombinationen die Kultur einen noch schwereren Stand haben wird, als das bereits der Fall ist. Da bleibt uns dann nur noch (schon wieder, siehe oben) zu kämpfen, und das wiederum kann durchaus auf die Gesundheit schlagen. Womit wir dann bei unserem aktuellen Schwerpunkt wären, auch wenn der gesundheitliche Aspekt im Heft nicht in erster Linie politisch zu sehen ist. Obwohl, es gibt bekanntlich die durchaus nachvollziehbare These, dass eigentlich alles irgendwie politisch sei.

In diesem Sinne ein Prost auf eure Gesundheit!

Euer Herausgeber

Mike Kamp

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