folker präsentiert: Akkordeonale 2025
Franziska Hatz, geboren 1979 in der Steiermark, ist seit 2024 Leiterin des Internationalen Akkordeonfestivals in Wien. Unter dem Motto „FEMOSO“ legte das gerade zu Ende gegangene Festival 2025 besonderen Fokus auf Frauen. Vom 23. April bis 28. Mai wird Franziska Hatz in Deutschland mit der Akkordeonale unterwegs sein – mit einem kleinen Abstecher in ihr Heimatland.
Text: Martin Wimmer
Seine geografische Lage machte Österreich schon früh zum Vielvölkerstaat. Von Westen ab dem Bodensee entlang des Alpenrands, von Süden über den Brenner, von Osten der Donau folgend – alle Wege führten nach Wien. Das Kaisertum Österreich war Anfang des neunzehnten Jahrhunderts das zweitgrößte politische Gebilde Europas. Wien war der multikulturelle Schmelztiegel seiner Zeit, in dem Innovationen florierten. 1829 patentierte Cyrill Demian dort das von ihm so benannte Akkordeon. Knapp zweihundert Jahre später trägt Franziska Hatz als Leiterin des Internationalen Akkordeonfestivals sein Erbe in neue Höhen.
Sie ist die Idealbesetzung. Ihren ersten Akkordeonunterricht erhielt die 1979 in der Steiermark geborene Wienerin mit sechs Jahren. Seitdem ließ sie das Instrument nicht mehr los. Ihre bekannteste Formation ist das Großmütterchen Hatz Salon Orkestar. Daneben veröffentlichte sie aber auch unter Projektnamen wie Troi (2019) oder Walletschek (2021) spannende Alben. In verschiedenen Konstellationen mit dabei: ihr Ehemann Richie Winkler, bekannt auch als Saxofonist unter anderem bei Shantels Bucovina Club Orkestar.
Musikalisch pendeln diese Alben zwischen Klezmer und Balkansound, Jazz und Volksmusik, Chanson und Electroswing: immer anspruchsvoll, immer leidenschaftlich. Zur Vielfalt trägt bei, dass in mehreren Sprachen gesungen wird – Deutsch, Englisch, Jiddisch, Slowenisch, Portugiesisch. Die Texte spielen eine untergeordnete Rolle, gleiten oft ins Surreale und Dadaistische ab, wenn nicht gleich nur lautmalerisch gejodelt wird. Kostprobe aus dem Hatz-Song „Trattoria“ vom Album Salon Oskar: „Tausende Traktoren rasen durch die Gurkenfelder. / Eine Frau mit roten Ohren hat den Überblick verloren. / Und sie pflückt jetzt nicht mehr Gurken, sondern teure Abendkleider. / Sie pflückt heiße Schokolade, Tulpen, Eierschneider.“
Die drei Alben vom Großmütterchen, Gallato (2011), Terry Goes Around (2014) und eben Salon Oskar (2017), repräsentieren sehr gut die Vielfalt dieser Sounds. Bemerkenswert ist, dass kaum amerikanische Einflüsse zu hören sind. Der musikalische Blick von Franziska Hatz richtet sich vorwiegend nach Südost und schlägt damit den Bogen zurück in die Zeit des Erfinders ihres Instruments. Die Alpenrepublik war nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, den Jugoslawienkriegen und dem EU-Beitritt in den letzten Jahrzehnten wieder verstärkt multikulturellen Einflüssen ausgesetzt, die sich natürlich auch in der Kunst- und Musikszene niederschlugen. Die Renaissance des Akkordeons profitierte davon sehr.
Schon zwischen 2015 und 2023 war sie Co-Kuratorin des in der österreichischen Hauptstadt stattfindenden Internationalen Akkordeonfestivals, das im Jahr 2000 von Friedl Preisl gegründet und ab 2008 zu einem vierwöchigen Programm ausgeweitet worden war. Seit 2024 hat Hatz nun gemeinsam mit Lisa Reimitz die Intendanz inne. Zusätzlich bespielen sie noch von zwei weitere Formate: KlezMore, ein Festival für jüdische Musik an zahlreichen Spielstätten in Wien, und den Musikalischen Adventkalender, bei dem im Dezember in jedem der 23 Wiener Bezirke eine kulturelle Veranstaltung stattfindet.
Unter dem Motto „FEMOSO“ rückte das 26. Akkordeonfestival 2025 unter ihrer Leitung Frauen am Akkordeon in den Vordergrund. Insgesamt spielen über 120 Künstlerinnen und Künstler, davon knapp fünfzig an Handzuginstrumenten, aus rund zwanzig Ländern. Feminin und famos, dass das zusammengehört, wollen die neuen Chefinnen beweisen. Keine Überraschung, denn Hatz ist stark politisch und sozial engagiert. Dass sie als Sozialarbeiterin ausgebildet wurde und aktiv ist, fehlt in keinem Lebenslauf der Künstlerin.
Damit nicht genug: Franziska Hatz gründete auch einen Laienchor, den Chor Novacek. Das Repertoire umfasst gut arrangierte Traditionals und Musik aus aller Welt (unter anderem aus Italien, Schweden, Schottland) sowie Eigenkompositionen. Besonders viel Freude bereiten ihr die gemeinsamen Auftritte mit ihrem Laienakkordeonensemble Walletschek. Sie sorgte am Burgtheater für die richtige Atmosphäre bei der Inszenierung eines Stückes von Ödon von Horváth oder begleitete Stummfilmklassiker im Kino mit Eigenkompositionen. Sie spielte Konzerte in England, Ägypten, Albanien und Kasachstan.
Erstmals organisiert Hatz nun auch einen Ableger des Wiener Akkordeonfestivals in ihrem Geburtsbundesland, der Steiermark. Dort wuchs sie in einer aus St. Pölten stammenden Kernöl- und Weinbauernfamilie in der südsteirischen Gemeinde Klöch auf, direkt an der slowenischen Grenze. Bei aller Internationalität: Auch diese regionalen Wurzeln sind deutlich spür- und hörbar bei der erdverbundenen Sympathieträgerin.
Im Interview mit dem folker gibt sie weitere Einblicke in ihr Schaffen:
Gibt es etwas an deiner Musik, das spezifisch österreichisch ist?
Viele unserer Grooves finden ihren Ursprung in der österreichischen Musik, aber auch im Jazz – oder umgekehrt?
In deinen Rollen als Instrumentalistin, Songwriterin, Sängerin, Interpretin, Veranstalterin – was hat für dich am meisten mit „Folk Musik“ zu tun?
Alles – in fast allen Bereichen habe ich Elemente oder Grundlagen aus volksmusikalischen Traditionen – nur halt moderner, neuer, zeitgemäßer interpretiert. Meine Eigenkompositionen beziehen sich oft auf folkloristische Elemente, ob dies nun in meiner Band Großmütterchen Hatz, meinem Chor Novacek, meinem Akkordeon-Ensemble Walletschek oder auch in der Auswahl meiner Gruppen für die Festivals ist.
Siehst du dich als politische Künstlerin – sozial, feministisch?
Ich denke, als Festivalleitung, Bandleaderin, Chorleiterin, Dirigentin, ist man dies leider noch immer naturgemäß automatisch. Aber ja, doch, ich bin schon feministisch.
Welches Akkordeon spielst du am liebsten?
Ich habe ein Helipolka von Pigini – welches ich zur Zeit gerne spiele. Am liebsten hätte ich ein Helikonbass Akkordeon mit Cassotto ohne Schwebung.
Für die Auftritte in diesem Jahr hat sich das quirlige Multitalent eine Neuigkeit einfallen lassen: Die meisten Konzerte finden unter Beteiligung des klassischen Pianisten Florian Pichlbauer aus Graz statt, der selbst gerade als Songwriter unter dem Projektnamen Löbe durchstartet. Damit nimmt sie die Tradition enger Kooperationen wieder auf, die schon 2017 in dem gemeinsamen Album des Großmütterchen Hatz mit dem Wiener Kollektiv Klok fruchtbar war.
Kurzum: Franziska Hatz ist nicht nur eine versierte Instrumentalistin, sie ist auch ein hyperkreatives Energiebündel und gut vernetzter Mittelpunkt der österreichischen Akkordeonszene. In diesem Jahr lohnt sich auch in deutschen Eventkalendern Ausschau zu halten, denn dann geht Hatz mit der Akkordeonale auf sechswöchige Tournee. Beginnend im späten April in Karlsruhe, mit dem Abschluss Ende Mai in Waldshut-Tiengen.
0 Kommentare