Salif Keita

Charismatischer Botschafter des Friedens aus Mali

11. April 2025

Lesezeit: 6 Minute(n)

folker präsentiert

Kurz vor meinem Interviewtermin mit Salif Keïta während der Leverkusener Jazztage Anfang November erfahre ich von einem neuen Album, welches 2025 erscheinen soll und in Japan in einem Hotelzimmer aufgenommen wurde. Gerade noch habe ich auf Youtube „Yamore“, den aktuellen Remix von MoBlack, angehört und freue mich auf das Konzert der zehnköpfigen Band, die gleich im Leverkusener Forum Keita begleiten wird. Und der Abend verspricht lang und intensiv zu werden, auch weil zuerst Seun Kuti, der jüngste Sohn des Afrobeat-Pioniers Fela Kuti aus Nigeria mit seiner Band Egypt 80 auf der Bühne steht. Als danach die „Goldene Stimme Afrikas“ mit einem virtuos aufspielenden Ensemble aus traditionellen Instrumenten wie Kora, Ngoni, Percussion sowie E-Bass und Gitarre unterstützt durch Keyboard, Sampler und natürlich Schlagzeug viele bekannte Lieder aus ihrer langen Karriere intoniert und auch mit Hits wie „Yamore“ das Leverkusener Publikum begeistert, ist die Neuigkeit schon ausgeblendet.

Text: Christoph Schumacher
Salif Keita

Foto: Lucille Reyboz

Der Interviewtermin führt mich in den Backstagebereich des Leverkusener Forums. Die Agentur hat mir einen Zeitraum kurz vor dem Konzert vermittelt. Während Seun Kuti & Egypt 80 im Saal bereits für ausgelassene Partystimmung sorgen, steige ich durchs Treppenhaus zu den Künstlergarderoben einige Stockwerke tiefer. Salif Keita sitzt entspannt auf einem roten Sofa und trägt schon sein ockerfarbenes Gewand, in welchem er in wenigen Minuten auch auf der Bühne zu sehen sein wird.

Keita ist ein Meister der Musik Malis, insbesondere der rhythmischen und melodiösen Mandingue-Musik. Der mittlerweile 75-Jährige kreiert daraus einen einzigartigen und global zugänglichen Musikstil. Durch seine musikalische Karriere lenkte er den Fokus auf die reiche kulturelle Vielfalt und das Erbe Malis und Westafrikas. In Mali ist Salif Keita ein Nationalheld und ein Symbol für den Stolz und die Identität des Landes. Sein Vermächtnis ist für die afrikanische Musikgeschichte unbestritten. Neben vielen internationalen Auszeichnungen wurde er im Jahr 2010 durch die Afrikanische Union zum Friedensbotschafter ernannt. Besonders bemerkenswert ist seine Fähigkeit, die traditionelle Musik Malis in einem aktuellen Kontext zu präsentieren, wodurch er dazu beiträgt, das kulturelle Erbe des Landes zu bewahren und gleichzeitig auf die internationale Bühne zu tragen.

„Ich bin kein Gitarrist, ich nutze die Gitarre, um zu komponieren.“

Nach seiner Übersiedlung nach Paris vor vierzig Jahren wurde Salif Keita aufgrund seiner eindringlichen Stimme und seiner unvergesslichen Kompositionen weltweit bekannt. Er gab unzählige Konzerte auf dem europäischen Kontinent und erfuhr stets, wie er im Interview schildert, dass seine Musik auch in Deutschland sehr gut angenommen wurde. Den Hauptgrund dafür sieht er allerdings eher in den Rhythmen als in seinen engagierten Liedtexten. Interessierte, die zum Beispiel auf Facebook nach den Texten fragen, erhalten dort Erklärungen.

Salif Keita

Foto: Lucille Reyboz

Die Frage, ob sich sein Musikstil mit der Zeit vor allem durch seine Kontakte mit international bekannten Musikerinnen und Musikern verändert habe, verneint Keita. Vielmehr habe die afrikanische Musik in viele Stile sowohl in Amerika als auch in Europa Einzug gehalten. Ohne den Einfluss aus Afrika wäre der amerikanische Jazz unvorstellbar, und er habe auch in Europa maßgeblich zur Entwicklung der modernen Musik beigetragen. Er betont den Austausch von Ideen und Ansichten mit allen Musikschaffenden, aber nach wie vor sieht er sich fest in der musikalischen Tradition seines Heimatlandes Mali verwurzelt und schöpft dort aus einem reichen Repertoire an Geschichten und Melodien. In einer Rückschau stellt er fest, dass er nur deswegen in der Lage war und ist, diese Musik hervorzubringen, weil sie immer mit seiner Persönlichkeit und seinem Lebensweg verknüpft gewesen ist.

Nachdem Salif Keita 2018 das Studio-Album Un Autre Blanc als sein finales Werk vorgestellt hatte, frage ich ihn, wie es dazu kam, dass nun doch noch ein weiteres Werk von ihm erscheint. Die Idee eines Solo-Gitarrenalbums war ihm selbst nie in den Sinn gekommen. Wann auch immer ihn jemand darauf ansprach, lehnte er sofort mit den Worten ab: „Ich bin kein Gitarrist, ich nutze die Gitarre, um zu komponieren.“ Hier ergab es sich, dass Keita mit einigen Freundinnen und Freunden – wie dem Produzenten Laurent Bizot und der Gründerin des Kyotophonie-Festivals Lucille Reyboz – in Japan zu Gast war. Sie waren es, die ihn dazu drängten, dieses Album in einem Hotelzimmer aufzunehmen. Nach seinen Worten war es so, als ob er zu Hause Gitarre spielen würde.

Nur blieb sein Spiel mit der Gitarre anders als bisher nicht ein Entwurf für spätere Arrangements von Big Bands wie die Fela Kutis, James Browns oder seiner eigenen Band, sondern fand erstmalig den Weg auf ein eigenes Akustikalbum, das inhaltlich einen Rückblick auf sein Lebenswerk darstellt. Einfache gezupfte Akkorde münden in rhythmisch wiederholte Riffs, die als Grundlage für seine Stimme dienen, die wiederum ihren Weg in eine Melodie findet und ihn in die Zeit seiner Jugend zurückversetzt. Das Spiel auf der Gitarre, seinem Lieblingsinstrument, versetzt ihn in diese schwierigen Jahre seiner künstlerischen und persönlichen Entwicklung zurück. Als Albino-Nachkomme Sundiata Keitas, eines Königs des Mandinka-Reiches des dreizehnten Jahrhunderts, widersetzte sich Salif Keita mit seinem Gesang schon früh den Konventionen der Mandinka-Gesellschaft, die Musik als Schande für Hochwohlgeborene ansah. Kaum erwachsen und von seinem Vater verstoßen, verließ er sein Dorf und zog durch die Straßen, Märkte und Bars der Hauptstadt, wo er mit seiner Stimme und einer Behelfsgitarre seinen Lebensunterhalt verdiente. Aus seinem Traum, Lehrer zu werden, wurde durch die Widrigkeiten des Lebens nichts, stattdessen wurde er Berufsmusiker. Während er tiefe, zarte Töne auf dem Instrument anschlägt, erinnert er sich an all jene, die seine Musik in ihren Höfen und Bars willkommen hießen. Für ihn sind die Töne wie die vielen Gesichter, die sich in sein Gedächtnis eingebrannt haben. Keita hat nie den Mandinka-Ehrenkodex vergessen, in dem die Undankbarkeit eine der schlimmsten Sünden überhaupt darstellt.

„Frieden brauchen wir auf der ganzen Welt am meisten – wir brauchen Frieden!“

Mit So Kono, von Salif Keita mit „zu Hause“ übersetzt, hat er ein sehr intimes Album geschaffen, auf dem ihn Badié Tounkara auf der Ngoni, Mamadou Koné an Kalebasse und Talking Drum, Clément Petit am Cello sowie Julia Sarr und Olyza Zamati im Gesang bei einigen Liedern unterstützten, so wie es bei ihm zu Hause auch hätte passieren können. Inhaltlich thematisiert Keita in den neun Liedern, gleich einem persönlichen Rückblick, was ihm wichtig ist und war. Er spannt den Bogen vom Lobgesang über seine königlichen Vorfahren und Musiker wie Kanté Manfila, den er zugleich als Mentor und wie einen großen Bruder schätzte, bis zu Liedern, die menschliche Eigenschaften wie Verantwortungsbewusstsein, Großzügigkeit, Einfühlungsvermögen, Mitgefühl und Aufrichtigkeit in den Mittelpunkt stellen.

Die Tugend der Ehrlichkeit steht bei dem Song „Laban“ im Fokus. Das Stück ruft dazu auf, in der Liebe und Freundschaft wahre Gefühle auszudrücken. „Gott hat den Bauern geschaffen, um die Welt zu ernähren. / Er schuf den Musiker, um Freude in die Welt zu bringen – / Es ist alles sein Werk“, singt er. „Awa“ ist eine Hommage an alle Frauen, die einen essenziellen Platz in der Gesellschaft einnehmen sollen, und im Text von „Aboubakrin“ huldigt Salif Keita einem erfolgreichen Freund und Vorbild, dem man folgen sollte: „Was auch immer für einen Beruf ich wähle, / Lass es etwas sein, das ich liebe, / Lass mich unabhängig sein und / Lass mich Menschen in Not helfen, wenn ich kann.“

Der Ratschlag, dass Erfolg Verpflichtungen mit sich bringt, die man aus ganzem Herzen annehmen sollte, reiht sich ein in Empfehlungen, die in fast allen Titeln dieser Produktion enthalten sind. Im letzten Titel des Albums heißt es: „Ich habe weiße Haut, ich bin stolz. / Ich bin Afrikaner, ich bin stolz. / Ich bin Albino, ich bin stolz. / Ich bin anders, ich bin stolz. / Ich bin stolz auf das, was ich bin.“ Und Keita geht es hier nicht allein um sein eigenes Schicksal. Er ermutigt uns, stolz darauf zu sein, wer wir sind, uns selbst zu akzeptieren und unsere Rolle in der Gesellschaft anzunehmen. Auch als gläubiger Mensch erhebt er hier seine Stimme, um uns seine Passion und Begeisterung zu vermitteln, mit denen er stets seinem musikalischen Talent gefolgt ist.

Salif Keita mit dem Autor

Foto: Carolina Vallejo

Dies zeichnet ihn zurecht als musikalischen Botschafter nicht nur seines Heimatlandes Mali aus. Auf meine letzte Interviewfrage im Untergeschoss des Leverkusener Forums, welchen Wunsch er gerne erfüllt bekäme, oder ob es eine Botschaft für das Publikum in Deutschland gäbe, antwortet er dann auch kurz und knapp: „Frieden brauchen wir auf der ganzen Welt am meisten – wir brauchen Frieden!“

www.salifkeitamusic.com

Salif Keita ist ab Mai auf Konzerttournee in Europa, darunter sind auch folgende Termine in Deutschland, den Niederlanden und Luxemburg:

22.05.25 Luxemburg (L), Philharmonie
27.05.25 Amsterdam (NL), Het Concertgebouw
28.05.25 Berlin, Haus des Rundfunks, Großer Sendesaalpräsentiert von folker – song, folk & world

Weitere Europatermine:

29.05.25 London (UK), Koko
07.06.25 Barcelona (E), Sala Apolo, Primavera Sound
08.06.25 Madrid (E), Theatro Albeniz, Universal Music Fest
31.07.25 Marciac (F), Jazz in Marciac

Salif Keita

Foto: Lucille Reyboz

Cover So Kono

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