Ds läben isch e geischterbahn
Am morge früeh im erschte tram
I zieh mis gsicht ab blybe gloon
Und fahre bis zur ändstation
„Das Leben ist eine Geisterbahn. Frühmorgens im ersten Tram, ziehe ich mein Gesicht aus, bleibe Narr und fahre bis zur Endstation.“
Mit dem Lied „Geischterbahn“ erhielt Endo Anaconda mit seiner Band Stiller Has 2007 den Liederpreis der Liederbestenliste. Die Geisterbahnfahrt ist eine Metapher für das Leben des Sängers. Da sitzt er im Berner Tram und schaut sich die geschniegelten Leute an, die zur Arbeit fahren. Da will er nicht dazugehören. Eigentlich möchte er gar nicht mitfahren. Nur schafft er es nicht auszusteigen.
Als Andreas Flückiger wird Endo Anaconda hineingeboren ins Berner Hinterland. Vier Jahre später stirbt sein Vater nach einem Autounfall. Seine Mutter zieht zurück in ihre Heimat Österreich. Den kleinen Andreas steckt sie in ein katholisches Internat. Er findet dort keine Heimat, nur die Hölle. Gegen diese stemmt er sich später mit Alkohol und Drogen und sucht das Glück in einer kommunistischen Organisation. 1981 zieht er nach Bern, schlägt sich mit Gelegenheitsjobs und kleinen Gaunereien durch, lernt seine späteren Bandkollegen kennen und gründet mit ihnen Stiller Has. Gitarrist Schifer Schafer schreibt die Melodien, Endo Anaconda die Texte – wortreich, von zärtlich bis knallhart, kritisch, aber auch einfühlsam, wild, witzig und würzig. Er erfindet einen Berner Blues, den es so noch nie gegeben hat – und nie mehr geben wird. Erstaunlich daran ist, dass Stiller Has mit ihrer Musik Erfolg haben. Offenbar fühlen sich viele Schweizer in Endo Anacondas Suche nach einem Platz auf dieser Welt mehr zu Hause als in derjenigen der Schweizer Rockprominenz mit ihren Liebesnächten an Bergseen.
Endo Anaconda war ein unermüdlicher Schaffer, ein Bühnentier. Er war ein überaus angenehmer, sprühender Gesprächspartner, der sich in jede seiner Karten blicken ließ. „Ich stehe auf der Bühne, bis ich umkippe.“ Ach Endo, hättest du früher mit Saufen und Rauchen aufgehört, wäre das nicht so früh passiert. Hoffen wir nur, dass dein Wunsch in „Geischterbahn“, ein Grab mit Blumen zu bekommen oder wenigstens mit einem leeren Blumentopf darauf, in Erfüllung geht.
Martin Steiner
Foto: Frank-Zauritz
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