Aus folker-Sicht war Joe Ely vor allem einer der zentralen Akteure der Tex-Mex-Szene. Tief verwurzelt im Süden der USA, verband der Sänger und Songwriter den Rockabilly-Sound von West Texas mit mexikanischen Einflüssen zu erfolgreicher Border Music, die Folk, Country und Rock verschmolz.
Schon 1972 nahm er mit der späteren texanischen Supergroup The Flatlanders das erste Album auf, das aber erst ein Jahrzehnt später veröffentlicht werden sollte. 1977 folgten das Solodebüt und bis Mitte der Neunziger eine Serie bei Fans beliebter und von der Kritik hochgelobter Scheiben. Auch danach veröffentlichte Ely bis kurz vor seinem Tod eine kaum überschaubare Zahl an Platten, darunter zahlreiche Livealben, die seinen Ruf als herausragenden Powerperformer dokumentieren.
Ely schrieb eigene Storysongs wie „Me And Billy The Kid“ und „Letter To Laredo“. Zugleich war er ein Veredler fremden Materials: Davon zeigen unter anderem die Zusammenstellung Milkshakes & Malts mit Liedern von Butch Hancock, die definitive Version von Robert Earl Keens „The Road Goes On Forever“ oder die letzte Single vergangenen September, als er sich beim gefühlvollen Evergreen „Rainin’ In My Heart“ von einem KI-generierten Orchester begleiten ließ.
Elys Musik verwies immer wieder auf den frühen Rock ’n’ Roll eines Jerry Lee Lewis („Fingernails“) oder eben Buddy Hollys, in dessen Heimatstadt Lubbock er aufgewachsen und musikalisch geprägt worden war. Hollys Songs live mit Paul McCartney zu spielen, festigte Elys Status als einer der ganz Großen ebenso wie die gemeinsamen Aufnahmen mit Bruce Springsteen. Tex-Mex-Maßstäbe setzte er als Mitglied der Supergroup Los Super Seven.
Der eine, alles bestimmende Moment seiner Karriere war aber ein anderer: Joe Ely sang die spanischen Vocals auf dem Welthit „Should I Stay Or Should I Go“ von The Clash, mit denen er eng befreundet war und tourte. Dass sich in den Achtzigerjahren Country und Punk füreinander öffneten, ist ganz wesentlich Elys historischem Brückenschlag von Texas nach London zu verdanken. Von Ruhe in Frieden wird im Cowpunk-Himmel keine Rede sein.
Martin Wimmer
Foto: Barbara FG

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