Die Zach-Bryan-Revolution

Wie ein Marinesoldat mit seinem Handy das Nashville-System ausgehebelt hat

10. November 2025

Lesezeit: 3 Minute(n)

Noch vor wenigen Jahren hätte wohl niemand gedacht, dass einer der größten Countryacts unserer Zeit seine ersten Hits auf einem Smartphone aufnehmen würde. Aber genau das hat Zach Bryan getan – und damit das alte Nashville-System komplett auf den Kopf gestellt.

Text: Ralf Grabuschnig

„Das alte Nashville-System“ – was ist das überhaupt? Bis in die Zehnerjahre hinein gab es in der Countryindustrie einen klar definierten Weg: Alle jungen Artists verfolgten das Ziel, einen Major-Label-Vertrag zu unterschreiben. Damit winkten dann professionelle Studios und entsprechend teure Produzent:innen. Auf dem Weg dorthin zählte dann freilich vor allem eines: die richtigen Connections. Die Gatekeeper Nashvilles saßen fest im Sattel.

Klar, die Red-Dirt-Szene (siehe Mai-Ausgabe der Honky Tonk Post) in Oklahoma und Texas hatte auch davor schon gezeigt, dass es anders geht. Bands wie die Turnpike Troubadours machten seit Jahren Musik abseits des Mainstreams. Aber selbst sie brauchten dafür noch eine gewisse Infrastruktur und ein gewisses Netzwerk. Und echte Mainstreamreichweiten erreichten sie damit auch nie.

Dann kam 2019 ein junger Typ aus Oklahoma, der damals noch aktiv in der Navy war. Zach Bryan lud einfach so auf Youtube ein Album hoch, das er größtenteils auf seinem Handy aufgenommen hatte. DeAnn hieß es, benannt nach seiner verstorbenen Mutter. Roh, ehrlich, ohne jede Politur. Und das schlug ein.

Was Zach Bryan damals schaffte, war allerdings mehr als nur ein persönlicher Erfolg. Er bewies, dass man die alte Nashville-Maschinerie in den Zwanzigern nicht mehr unbedingt braucht, um es im Countrybusiness nach vorn zu bringen. Keine teuren Studios, keine Majorlabels, keine Radiopromotion.

Und Bryans heutige Zahlen sprechen für sich: 25 Millionen monatliche Hörerinnen und Hörer auf Spotify, ausverkaufte Stadiontouren. Und all das, ohne dass das alte System ihm dafür den Weg geebnet hätte.

Zach Bryan – American Heartbreak

Zach Bryan – American Heartbreak. © 2022 Belting Bronco Records under exclusive license to Warner Records Inc.

 

Wie sehr Zach Bryan damit nicht nur seine eigene Karriere anstieß, sondern gleich das gesamte Musikbusiness auf den Kopf stellte, zeigt sein episches Album American Heartbreak aus dem Jahr 2022 mit dem Durchbruch-Hit „Something In The Orange“. Dieses wurde von Warner Records vertrieben – einem Majorlabel.

Aber Bryan ist nicht wie davor üblich einfach bei Warner unter Vertrag. Er steht stattdessen seiner eigenen Miniplattenfirma Belting Bronco Records vor und hat darüber mit Warner einen Distributionsdeal vereinbart. Alle Rechte an den Songs und die Mastertracks bleiben bei ihm.

Und offensichtlich auch die künstlerische Freiheit. Denn auch für American Heartbreak brauchte er keine großen Produktionstricks. Großteils nur eine Gitarre, seine raue Stimme und Lyrics, die einen Nerv treffen.

Zach Bryan – „If She Wants A Cowboy“

Seine Abneigung gegenüber dem alten System, wofür Nashville eben sinnbildlich steht, versteckte Zach Bryan auf dem Album nicht – Major-Label-Vertrieb hin oder her. In „If She Wants A Cowboy“ greift er den „Nashville Sound“ sogar ganz direkt und ironisch an.

Nachdem seine Persona merkt, dass seine Traumfrau gar keinen Cowboy will, sondern eigentlich einen Nashville-Star, singt er: „If she wants Nashville, I’ll Nashville the best“ – mit herrlich übertriebenem Autotune-Effekt auf der Stimme.

Charley Wesley Godwin – Lonely Mountain Town

Charles Wesley Godwin – Lonely Mountain Town. © 2025 Big Loud Records, under exclusive license to Mercury Records/Republic Records, a division of UMG Recordings, Inc.

 

Zach Bryan hat somit zwar vielleicht nicht als erster bewiesen, dass unabhängige Countrymusik funktionieren kann. Aber mit seinem Massenerfolg hat er die Messlatte für die Zwanziger doch komplett neu gelegt.

Und das Wichtigste: Er hat damit einer ganzen Generation von Songschreibenden Mut gemacht, ihm nachzueifern. Bryan hat ihnen aufgezeigt, dass sie nicht erst nach Nashville ziehen, jahrelang in Songwriterrunden sitzen und hoffen müssen, dass sie von irgendeinem Gatekeeper entdeckt werden.

Ein schönes Beispiel für diesen neuen Weg ist Charley Wesley Godwin, ein Indiekünstler, der durch eine Tournee im Vorprogramm Zach Bryans schließlich selbst in den Mainstream vorgedrungen ist. Er ist nicht der Einzige und wird das auf absehbare Zeit wohl auch nicht bleiben. Denn sie ist gekommen um zu bleiben: die Zach-Bryan-Revolution.

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