25 Jahre mit 75 hochkarätigen Konzerten – Julie Fowlis, Lúnasa, Karine Polwart oder Fotheringay waren schon im Lüdenscheider Kulturhaus zu Gast. Wie kann man in der Provinz ein so erstaunliches Programm ehrenamtlich auf die Beine stellen? Verantwortlich dafür ist ein Mann mit langem Atem.
Text und Fotos: Almut Kückelhaus
Redaktioneller Hinweis: Der Artikel erschien bereits im September 2024 in der Printausgabe #3.24 des folker, Ende November ist der Organisator und Motor von Folkpack, Markus Scheidtweiler, plötzlich und unerwartet verstorben. Ein Nachruf findet sich hier, im Gedenken an ihn und seine wertvolle Arbeit für die Folkszene wollen wir aber auch diesen Artikel frei zugänglich für alle auf folker.world zur Verfügung stellen. Es folgt zudem ein Livebericht zum letzten für dieses Jahr geplanten Konzert der Reihe Folkpack am 7. Dezember 2024 mit dem Sandy Denny Project.
Markus Scheidtweiler, Jahrgang 1966, wuchs auf einem Bauernhof in der Voreifel auf. Seine Eltern waren vielfältig kulturell interessiert. Er bekam klassischen Gitarrenunterricht, schätzt aber auch Rock und Blues. Bis heute hat er neben dem folker-Abo eines vom Rolling Stone.
Das Faible für England entstand wohl in seiner Zeit als Austauschschüler in Kent. Als Fan von Jethro Tull stieß der Gymnasiast auf ein Album von Fairport Convention, welches ihn für Folk und Folkrock begeisterte. Als Achtzehnjähriger machte er sich mit geliehener Campingausrüstung auf nach Cropredy in Oxfordshire, wo Fairport Convention seit 1979 ihr eigenes Festival veranstalten. Dem ersten Besuch sollten bis jetzt über dreißig weitere folgen.
Der Zivildienst in einer Schule für Gehörlose lieferte ihm den Anstoß zu der Entscheidung, Förderschullehrer zu werden. Nach dem Studium in Köln gab es dann diese freie Stelle in Lüdenscheid. Mit seiner Frau Barbara ließ er sich im märkischen Sauerland nieder, blieb und engagierte sich. Gemeinsam gründeten die Scheidtweilers die Folkgruppe Portmeirion, die seit über dreißig Jahren besteht. Die raren Auftritte sind immer gut besucht.
„Paris, London, Berlin, Madrid – Lüdenscheid.“
Es gab bereits den Kulturverein Kalle, der Veranstaltungen des „alternativen“ Spektrums durchführte. So fand sich der junge Lehrer backstage beim Brötchenschmieren für Künstler wie Stoppok wieder. Markus Scheidtweiler hatte schon als Schüler kleine Konzerte auf einem benachbarten Bauernhof veranstaltet und seine Freude am Organisieren entdeckt. 1999 war dann die Zeit für das erste Folkpack-Konzert gekommen. Das englische Duo Show of Hands trat in einer Kneipe auf, mit bemerkenswertem Erfolg. Die Reihe lief so gut, dass 2007 probeweise die erste Veranstaltung im großen Theatersaal (mit sechshundert Plätzen) des städtischen Kulturhauses stattfand. Dieser ungewöhnliche Schritt heraus aus der Subkultur-Nische erwies sich als sinnvoll, denn das oberste Prinzip der Reihe, nur absolute Topqualität zu holen, erweiterte den Kreis der Interessierten von rund hundert auf vierhundert.
Die meisten regelmäßigen Gäste lassen sich per Newsletter informieren. Sie ordnen sich nicht unbedingt der Folkszene zu, vertrauen aber mit Recht darauf, dass sie bei jedem Besuch hervorragende Musik zu hören bekommen. Oft bietet Folkpack das erste oder einzige Deutschlandkonzert des betreffenden Acts. Stolz sind die Kalle-Leute darauf, ohne Werbung oder Sponsoren auszukommen und trotzdem faire Eintrittspreise anbieten zu können. Die eingespielte Kooperation mit dem Kulturhaus und dessen Personal macht es möglich. In dieser Arbeit zeigt sich, wie ehrenamtliches Engagement in Kombination mit kommunalpolitischer Unterstützung im Kulturbereich Erstaunliches bewegen kann.
Markus Scheidtweiler strebt an, jeden gebuchten Act vorher live gesehen zu haben. Das ist oft in Cropredy möglich, wo viele gute Newcomer aus der Folkszene anzutreffen sind. Inzwischen kennen sich viele Folkpack-Künstlerinnen und -Künstler untereinander und empfehlen in der Szene die Reise ins Sauerland. Gelobt werden neben dem beeindruckenden Auftrittsort die gute Organisation und die Gastfreundschaft der Familie Scheidtweiler. Auch die beiden jetzt studierenden Kinder ziehen mit. Trotzdem ist es nicht immer leicht, einen Wunschgast zu engagieren. Bei Ralph McTell hat es rund zwanzig Jahre gedauert, bevor es 2019 und 2023 klappte. Es hilft die freundliche Beharrlichkeit, die einem Lehrer für geistige Entwicklung gut ansteht.
Es finden sich aber nicht nur britische Musikerinnen und Musiker im Programm. Eric Bibb oder die Milk Carton Kids aus den USA zogen Fans aus größerer Entfernung an. Den Rekord stellte dabei eine Familie aus Slowenien auf. Das Meisterstück an Organisation war wohl der Besuch des Birmingham Conservatoire Folk Ensemble zum Geburtstagskonzert im Mai 2024 – 47 Personen mussten untergebracht, verpflegt und transportiert werden. Aber der mitreißende Auftritt war alle Mühen wert (siehe auch einen Livebericht dazu hier).
Die übrigen Sparten des Vereins Kalle sind inzwischen eingeschlafen, aber Folkpack läuft weiter. Scheidtweiler ist heute Vorsitzender des Vereins und Lüdenscheider aus Überzeugung. Die Stadt weiß, was sie an ihm hat, das war einem Grußwort ihres Bürgermeisters deutlich zu entnehmen. Er freut sich, wenn es weiterhin auf Tourneeplakaten heißt: „Paris, London, Berlin, Madrid – Lüdenscheid.“
Als nächstes Highlight wird am 7. Dezember das Sandy Denny Project zu erleben sein, eine sechsköpfige Band mit Größen der englischen Folk(-rock-)szene tritt dann mit einer Hommage an die legendäre Singer/Songwriterin im Kulturhaus auf.
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