Baustein eines neuen Revivals?

DeutschFolk-Festival in Dinker und Umgebung

16. September 2024

Lesezeit: 4 Minute(n)

folker präsentiert:

Deutschfolk scheint wieder im Aufwind. Die DeutschFolk-Initiative des Verbands Profolk organisiert vom 20. bis 22. September 2024 das seit 2021 vierte DeutschFolk-Festival. Nach Jena, Frankfurt (Oder) und Schwerin ist nun erstmals ein im doppelten Sinne westliches Dorf der Austragungsort, denn Dinker liegt im ehemaligen Westdeutschland und in Westfalen.
Text: Michael A. Schmiedel

Das Besondere an dem heute 855 Einwohner zählenden und zur Gemeinde Welver im Kreis Soest gehörenden Dorf ist, dass dort zwischen 1767 und 1799 von der Küsterfamilie Dahlhoff eine Notensammlung von rund 800 Tänzen aus einem Umkreis von 500 Kilometern um Dinker herum angelegt wurde, die 2012 wiederum digitalisiert und von der Staatsbibliothek Berlin veröffentlicht wurde. Seit 2013 trafen sich sodann in Dinker Musizierende und Tanzende, um die Stücke aus der Sammlung aufzuführen, 2014 wurde Dahlhoff – die Band gegründet, die in zwei Besetzungen bis 2017 bestand, seitdem nur wenig aktiv war und sich wegen Corona 2020 eigentlich auflöste, nun aber in einer Viererbesetzung wieder besteht. 2019 startete die Dahlhoff-Gesellschaft als eingetragener Verein ihre Wirkung mit dem Ziel, Kunst und Kultur zu fördern und die Heimat zu pflegen. Auch will man vor allem „die traditionellen Musik- und Tanzformen in Deutschland restaurieren, konservieren und weiterentwickeln“, wie es auf der Website heißt. Die Ausrichtung der vierten Ausgabe des DeutschFolk-Festivals gehört auch dazu. Erster Vorsitzender des Vereins und maßgeblicher Kopf der Band ist Michael Möllers. Unterstützt wird das Festival zudem vom Heimatverein Norddinker, Vöckinghausen und Frielinghausen sowie vom Heimatverein Welver.

„Es geht um Musik, die Land und Leute spiegeln kann.“

Aus diesem Absatz wird deutlich, dass für das jeweilige DeutschFolk-Festival in erster Linie die Aktiven vor Ort verantwortlich sind. Sie arbeiten aber im Einvernehmen mit der DeutschFolk-Initiative (DeFI), in der auch die Dahlhoff-Gesellschaft als Profolk-Mitglied aktiv ist und die es sich zum Ziel gesetzt hat, eine gemeinschaftliche Vernetzung der Deutschfolkszene zu schaffen und einen Überblick darüber zu geben, wer wann was wo macht. Dabei ist nicht eng definiert, was zu Deutschfolk gehört, da sie „einbeziehen und nicht ausgrenzen wollen“, wie Tim Liebert es sagt, der seitens der DeFI die Verbindungsstelle zwischen ihr und den Organisierenden vor Ort ist. Und er fährt fort: „Deutschfolk ist für mich Lied und Tanz mit Wurzeln in Regionen, die im weiteren Sinne Deutschland umfassen. Die Lieder sind in deutscher Sprache oder in regionalen Dialekten. Wir würden uns aber auch über Teilhaber aus dem Sorbischen oder Friesischen freuen. Es geht um Musik, die Land und Leute spiegeln kann. Folk bedeutet für mich, dass es Musik ist, die tradiert wird, das heißt. es sollte ein progressiver Umgang damit erkennbar sein. Reine Brauchtumspflege ist wichtig, aber für uns nicht so spannend.“ Ausschlusskriterien gibt es aber doch: „Diffamierende Aussagen, nationalistische Ausuferungen und rein kommerzielle Retortenvolksmusik“ sind unerwünscht.

Die Sammlung Dahlhoff beinhaltet Melodien von Irland und Schweden bis in den Alpenraum, von der Wallonie bis Polen, und so versteht sich auch die heutige Deutschfolkmusik als mit anderen Musikkulturen verbunden, nimmt Einflüsse auf, beeinflusst andere und ist so Teil einer europäischen und weltweiten Folkbewegung. Michael Möllers meint: „Schließlich gibt es kaum eine Deutschfolkband, die kein Dahlhoff-Stück im Repertoire hat.“ Interessant ist auch, dass die Sammlung von schwedischen Musikschaffenden lange vor ihrer Wiederentdeckung durch deutsche Folkies rezipiert und zu Gehör gebracht wurde und so manches Stück in seiner schwedischen Spielweise den Weg zurück nach Deutschland fand, sozusagen als Reimport, wobei man oft nicht zurückverfolgen kann, wo es denn ursprünglich herstammt.

Die DeFi unterstützt die Organisation der Festivals vor Ort mit Rat, Tat und Finanzen und setzt als Rahmenbedingungen, dass es neben dem Bühnenprogramm auch freie Bühnen, Sessionbereiche, Zusatzangebote wie Lesungen sowie Platz zum Netzwerken geben und die Hauptband des Festivals aus der eigenen Region kommen soll.

Dalhoff – die Band ist somit Headliner des Festivals. Heute spielen in dem Ensemble Michael Möllers Geige und Bratsche, Alexander Peters Gitarre und Mandoline, Barbara Batànovíc Kontrabass und Stefan Igelmann Bouzouki. Peters ging auch in Irland und Schweden in die Lehre und ist stark in die Vorbereitung des Festivals involviert. Er ist zudem Mitglied der Dieter-Wasilke-Folk-Förderpreis-Gewinner Folk My Life, die aber am Festival nicht auftreten.

Alex Peters beschreibt die Musikauswahl für das Festival so: „Wir als Dahlhoff-Gesellschaft und Festivalmacher:innen freuen uns über jede Auseinandersetzung mit dem lokalen Kulturerbe aus Dinker, setzen dies aber nicht voraus. Die Auswahl der Acts auf dem Festival ist mit dem Ziel erfolgt, möglichst viele Bereiche und neue – oder alte – Traditionen aus dem Netzwerk der Deutschfolkszene abzubilden. Dabei wird aber nichts gefordert, was ihr nicht entspricht. So braucht es gar keine Verrenkungen, Jigs und Reels aus Irland oder An Dros aus der Bretagne. Letztendlich gibt es nämlich so viel Material von hier, dass es gar nicht überraschend wäre, wenn jeder Beitrag auf dem Festival von sich aus einen Zugang zur lokalen Tradition finden würde.“

So dürfen sich Festivalbesucher und -besucherinnen außer auf Dahlhoff – die Band auf Fior, Viertour (Vivian Zeller, Tim Liebert, Ralf Gehler, Nico Schneider), Erledanz, Altami (auch mit Mitgliedern von Dahlhoff – die Band), Tom Kannmacher, Peggy Luck, Barock op de Deel, Kördeböf, Lottes Flausen und die lokale Tanzgruppe Firlitanz freuen, sowie auf Tanz, Jamsessions, Workshops, Vorträge und Diskussionen.

Tim Liebert ist zuversichtlich, auch über das vierte DeutschFolk-Festival hinaus. „Für 2024 sieht alles toll aus, da die Kollegen sehr engagiert sind. Es kann also weitergehen und hoffentlich wachsen. Für 2025 wird schon geplant.“

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